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Anschlag auf Synagoge in Halle Rückblick auf den Terrorprozess gegen Neonazi Stephan B.

Es war einer der schlimmsten antisemitischen Anschläge der deutschen Nachkriegsgeschichte: Der rechtsterroristische Angriff von Halle am 9. Oktober 2019 machte weltweit Schlagzeilen. Die MZ hat 2020 den Prozess bis zum Urteil begleitet.

Aktualisiert: 09.10.2023, 13:28
Der Angeklagte Stephan B. (M) sitzt am 26. Prozesstag im Saal des Landgerichts neben seinen Verteidigern Hans-Dieter Weber (l) und Thomas Rutkowski.
Der Angeklagte Stephan B. (M) sitzt am 26. Prozesstag im Saal des Landgerichts neben seinen Verteidigern Hans-Dieter Weber (l) und Thomas Rutkowski. (Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild-POOL)

Halle (Saale)/MZ - Hier finden Sie die Live-Berichterstattung vom Prozess im Jahr 2020 gegen Stephan B. in Magdeburg. Vor Ort am Landgericht in Magdeburg waren Hagen Eichler, Jan SchumannJulius LukasAlexander Schierholz und Oliver Müller-Lorey.

Prozessauftakt war am 21. Juli 2020, nach 25 Prozesstagen fiel am am 21. Dezember 2020 schließlich das Urteil gegen Stephan B.

Die MZ hat alle Tage bis zum Urteil dokumentiert.

Das Interesse am Prozess ist erwartungsgemäß groß. Am Dienstagmorgen finden sich vor dem Eingang des Landgericht in Magdeburg etliche Journalisten aus aller Welt zur Berichterstattung ein. Auch die Reporter der MZ sind vor Ort und berichten.

An Tag zwei des Prozesses um den rechtsterroristischen Anschlag von Halle hat das Gericht seine Einlasskontrollen deutlich beschleunigt. Anders als am Vortag bildeten sich am Mittwochmorgen keine langen Schlangen mehr vor dem Gerichtsgebäude.

Die 45 Nebenkläger sind im Gerichtssaal nach einer zuvor mit den Richtern festgelegten Ordnung platziert. Die Vertreter der Angehörigen der beiden Opfer, Jana L. und Kevin S., sitzen direkt neben der Bundesanwaltschaft. Darauf folgen alle weiteren Nebenkläger. Die größte Gruppe bilden die Vertreter derjengen, die in der Synagoge in Halle waren.

Vierter Tag im Prozess gegen den Halle-Attentäter Stephan B. Nachdem am Dienstag die Befragung des Angeklagten durch die zahlreichen Nebenkläger abgeschlossen wurde, konnte auch der erste Zeuge befragt werden.

Es wird ein ungewöhnlicher Prozesstag. Heute wird weder der Angeklagte befragt, noch werden Zeugen gehört. Stattdessen ist dieser Termin ausschließlich für das Abarbeiten von Formalien im Prozess anberaumt worden.

Nach drei Wochen Pause geht es im Terrorprozess gegen den Halle-Attentäter Stephan B. weiter.

Am heutigen 7. Verhandlungstag sind sechs Zeugen geladen. Das Gericht will heute das soziale Umfeld des Angeklagten beleuchten. Vor allem soll es um Stephan B.s Aktivitäten im Internet gehen.

Der Verhandlungstag beginnt der Befragung mit einer 32-jährigen US-Amerikanerin, die am 9. Oktober in der Synagoge war. Sie wollte gemeinsam mit der Gemeinde in Halle den jüdischen Feiertag Jom Kippur feiern. „Wir kamen als Gruppe in die Stadt“, schildert die Zeugin, die später das Attentat im Gotteshaus erlebte.

Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Naumburg will an diesem Mittwoch weitere Zeugen hören, die den Anschlag auf die Synagoge von Halle erlebt haben, also Teilnehmer des ganztägigen Gottesdienstes am Feiertag Jom Kippur.

Am 10. Prozesstag der Verhandlung gegen Stephan B. sind fünf Zeugen geladen. Die Zeugen sollen sich am 9. Oktober 2019 in der von Stephan B. attackierten Synagoge oder davor befunden haben.

Nachdem es in den vergangenen drei Verhandlungstagen um den Anschlag auf die Synagoge ging, soll am heutigen Mittwoch der Angriff auf den Kiez-Döner an der Ludwig-Wucherer-Straße beleuchtet werden.

Nachdem Stephan B. an der Synagoge scheiterte und Jana L. tötete, fuhr er mit seinem Mietwagen zu dem Döner-Imbiss, wo er Kevin S. erschoss.

Am 12. Verhandlungstag soll es weiter um den Angriff auf den Kiez-Döner durch den Attentäter gehen. Unter anderem kündigte das Gericht an, dass der Vater von Kevin S. heute aussagen soll. Sein Sohn war am 9. Oktober 2019 von Stephan B. in dem Imbiss erschossen worden.

Nachdem der Dienstag vor allem im Zeichen der Aussage von Kevin S. Vater stand, geht am Mittwoch die Zeugenvernehmung weiter. Auf dem Plan stehen Aussagen von weiteren Überlebenden aus der Synagoge sowie von mehreren Polizisten, die am 9. Oktober 2019 im Einsatz waren.

Im Magdeburger Landgericht steht der 14. Verhandlungstag gegen den Attentäter von Halle auf dem Programm. Am Dienstag will das Gericht laut Plan vor allem die Flucht des Attentäters aus Halle heraus beleuchten. Dafür sind insgesamt fünf Zeugen geladen.

An diesem Mittwoch soll es vor allem um die Geschehnisse in Wiedersdorf bei Landsberg gehen. Hierhin floh Stephan B., nachdem er in Halle zwei Menschen erschossen hatte. In Wiedersdorf wechselte er den Fluchtwagen, verletzte dabei zwei weitere Menschen schwer.

Am inzwischen 16. Prozesstag soll es um die Festnahme des Attentäters gehen. Nach der Flucht über Wiedersdorf wurde Stephan B. an der B91 südlich von Halle gestellt. Geladen sind sieben Polizisten, die bei der Festnahme dabei waren oder weitere Ermittlungsergebnisse vortragen sollen.

Am 17. Verhandlungstag sind insgesamt sieben Zeugen geladen. Das Gericht will sich heute mit der Vorbereitung des Anschlags und vor allem dem Verhalten des Täters im Gefängnis befassen. Ende Mai hatte Stephan B. in der JVA Halle einen kurzen unbewachten Moment zu einem Fluchtversuch genutzt, scheiterte aber.

Am 18. Verhandlungstag sind zwei BKA-Beamte geladen. Sie sollen zu den bei Stephan B. sichergestellten Speichermedien und den Videoaufzeichnungen während Tat befragt werden. Außerdem will sich das Gericht mit den Gutachten zur Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten befassen.

Der Prozess zum rechtsextremen Anschlag von Halle neigt sich dem Ende zu. Für den heutigen Prozesstag ist eine Sachverständige geladen, die Aussagen zu den Internetaktivitäten im Anschluss an den Livestream des Attentäters am 9. Oktober 2019 machen soll.

Der Prozess zum rechtsextremen Anschlag von Halle neigt sich dem Ende zu. Für den Dienstag ist ein Mitarbeiter des Bundesverbandes der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus als Zeuge geladen, außerdem will der forensische Psychiater Norbert Leygraf sein Gutachten ergänzen. Danach könnte die Beweisaufnahme geschlossen werden.

Der Prozess zum rechtsextremen Anschlag von Halle neigt sich dem Ende zu. Am Mittwoch könnte das Gericht die Beweisaufnahme schließen. Dann könnten die Plädoyers von Anklage und Verteidigung beginnen. Anschließend würde das Urteil gesprochen. Vorsorglich sind derzeit noch sieben Prozesstermine bis zum Jahresende reserviert.

Der Prozess vor dem in Magdeburg tagenden Oberlandesgericht Naumburg gegen den Attentäter von Halle wird an diesem Dienstag fortgesetzt. Vorgesehen ist, dass die Anwälte der mehr als 40 Nebenkläger mit ihren Plädoyers beginnen.

Der Prozess zum rechtsextremen Anschlag von Halle ist auf der Zielgeraden. Heute werden weiter die Nebenklage-Vertreter ihre Plädoyers halten. Insgesamt drei Tage sind dafür vorgesehen. Am 9. Dezember könnte dann die Verteidigung ihr Abschlussplädoyer halten. Am 21. Dezember könnte das Urteil fallen.

Der Prozess zum rechtsextremen Anschlag von Halle steht kurz vor dem Abschluss. In der vergangenen Wochen haben Vertreter der zahlreichen Nebenkäger mit ihren Plädoyers begonnen. Heute werden weitere Abschlussvorträge gehalten. Am 9. Dezember könnte dann die Verteidigung ihr Plädoyer halten. Am 21. Dezember könnte das Urteil fallen.

Die Abschlussvorträge der zahlreichen Nebenklagevertreter sind abgeschlossen. Nun hält die Verteidigung von Stephan B. ihr Plädoyer. Der Angeklagte hat die Möglichkeit, letzte Worte zu sagen. Er wurde vergangene Woche bereits von einem Nebenklageanwalt dazu aufgefordert, das zu unterlassen. Am 21. Dezember könnte das Urteil fallen.

26. Prozesstag: Das Urteil

Sichtlich bewegt spricht Ursula Mertens das Urteil im Prozess gegen Stephan B. Dabei findet die Richterin Worte für das eigentlich Unbeschreibliche.

Rückblick: Der Anschlag vom 9. Oktober 2019 in Halle (Saale)

09. Oktober: Ein schwer bewaffneter Mann versucht ab 12.01 Uhr in Halle in die Synagoge einzudringen, während dort 50 Gläubige den höchsten jüdischen Feiertag begehen. Er schießt mehrfach auf die Tür, die zur Synagoge führt, versucht sich mit selbstgebastelten Sprengladungen Zugang zum Gelände zu verschaffen, scheitert und erschießt kurz darauf eine 40 Jahre alte Passantin und einen 20 Jahre alten Gast eines nahe gelegenen Dönerladens.

12.15 Uhr: Die Besatzung eines Streifenwagens hat Blickkontakt mit dem Attentäter vor dem Dönerimbiss. Der Täter schießt auf die Beamten. Die Beamten schießen zurück, verletzen ihn am Hals. Dem Täter gelingt es anschließend, zu fliehen.

13.35 Uhr: Der Fluchtwagen des Täters kollidiert frontal mit einem Lastwagen. Der Fahrer versucht, zu Fuß zu flüchten und wird von den Revierpolizisten festgenommen. Zuvor hatte er auf seiner Flucht ein Ehepaar in Landsberg (Saalekreis) schwer verletzt. Noch am gleichen Tag übernimmt die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen.

10. Oktober: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besuchen den Tatort und sprechen mit Gemeindevertretern. Steinmeier spricht von einem „Tag der Scham und der Schande“. Seehofer kündigt einen besseren Schutz für jüdische Einrichtungen in ganz Deutschland an. Seehofer besucht zudem den betroffenen Dönerladen, ebenso wie Steinmeier.

11. Oktober: Der Todesschütze Stephan B. gesteht die Tat und bestätigt ein rechtsextremistisches, antisemitisches Motiv. Bei einem mehrstündigen Termin beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs sagt er umfangreich aus.

13. Oktober: Tausende Menschen haben sich seit dem Anschlag deutschlandweit zu Solidaritätsaktionen versammelt. Eine der größten findet in Berlin statt. Die Polizei schätzt 8000 Teilnehmer, die Veranstalter doppelt so viele. Auch in Halle war es immer wieder zu Aktionen gekommen - unter anderem wurde für eine Sabbat-Feier eine Lichterkette als symbolischer Schutzschild gebildet.

17. Oktober: Die jüdischen Gemeinden aus Halle, Dessau und Magdeburg sollen gemeinsam mit der Landespolizei ein Konzept zum Schutz des jüdischen Lebens in Sachsen-Anhalt erstellen. Zudem wird angekündigt, dass ein aus dem Jahr 2006 stammender Staatsvertrag zwischen der Landesregierung und der Jüdischen Gemeinschaft ergänzt und eine Vereinbarung über Kosten für Schutzmaßnahmen abgeschlossen werden sollen.

Acht Monate später verkündet die Staatskanzlei, dass eine Zusatzvereinbarung im Staatsvertrag beschlossen wurde, die jüdischen Gemeinden müssten noch zustimmen. Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur vor wenigen Tagen sagt der Vorsitzende des Landesverbands Jüdischer Gemeinden in Sachsen-Anhalt, Max Privorozki, dass noch über die konkrete Umsetzung von besseren Sicherheitsmaßnahmen gesprochen werde.

19. Oktober: Mindestens 14.000 Menschen besuchen ein Konzert - unter anderem mit dem Sänger Mark Forster - gegen den Hass im Zentrum der Saalestadt. (mz/dpa)

MZ-Serie zum Anschlag von Halle

Was hat sich in Halle seit dem Anschlag von 2019 getan? Rückt die Zivilgesellschaft enger zusammen?

In elf Teilen wird die MZ dieser Frage nachgehen. Die Besonderheit: Jeder Serienteil wird auch interaktiv in der Innenstadt eine Rolle spielen. Dazu werden große Bodenaufkleber mit QR-Codes verteilt – vor der Synagoge, am Bahnhof, auf dem Boulevard und rund um den Markt.

Und auf dem Entenplan in Merseburg. Passanten können mit ihren Handys den Code scannen. Sie sehen dann kurze Videos, in denen die Protagonisten der Serie ihre Eindrücke schildern.

Teil 1 der Serie: Wunde, die nie heilt: Zeitzeugen sprechen über Terror am 9. Oktober in Halle

Teil 2 der Serie: Mit Video: Rabbinerin war in der Synagoge: „Ich gebe dem Täter keine Plattform“

Teil 3 der Serie: Mit Video: Lisa Ebert wohnt an der Synagoge: „Ich hätte das Opfer sein können“

Teil 4 der Serie: Mit Video: 90 Sekunden reichen - Leipzigerin schafft Gedenkkultur auf Tiktok

Teil 5 der Serie: Mit Video: Halles OB Wiegand - „Man kann den Terror nicht ungeschehen machen“

Teil 6 der Serie: Mit Video: Anschlagsopfer Jana: „Sie hatte ein reines Herz“

Teil 7 der Serie: Mit Video: Antisemitismus noch da - „Was haben wir falsch gemacht?“

Teil 8 der Serie: Mit Video: Vier Jahre nach dem Terror - Niemals ohne Kevin

Teil 9 der Serie: Mit Video: Angst nach Terror - „Es gibt nicht nur Judenhass“

Teil 10 der Serie: Mit Video: Lehren des 9. Oktober - so reagiert die Polizei auf Falschmeldungen im Netz

Teil 11 der Serie: Mit Video: Antworten aus Halle - „Wie haben Sie den 9. Oktober erlebt?“

Ein Projekt der Mitteldeutschen Zeitung.