MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 18. Dezember 2025 Ein Jahr mit vielen Pleiten: Was sich 2026 ändern muss
Weitere Themen: Ifa verkauft / Top 100 schwächeln / Neues Modell für Porsche in Leipzig / Letzter VW aus Dresden / Letzter Zug aus Görlitz / Groschen insolvent

Das Jahr 2025 endet, wirtschaftlich war es für Mitteldeutschland kein gutes Jahr. Die Zahl der Insolvenzen ist bis zum Herbst in Sachsen-Anhalt um 30 Prozent gestiegen. Seit 2008 bin ich Wirtschaftsredakteur bei der Mitteldeutschen Zeitung und ich kann mich an kein Jahr erinnern, in dem so viele namhafte Unternehmen in der Region in Schieflage geraten sind.
Der Motorenbauer AEM aus Dessau-Roßlau, die Landsberger Brauerei, oder das Meyer-Burger Solarzellenwerk in Bitterfeld-Wolfen haben die Produktion eingestellt – um nur drei prominente Beispiele zu nennen. Andere Unternehmen wie der Fotodienstleister Orwo Net aus Bitterfeld-Wolfen waren zwar insolvent, machen mit neuem Eigentümer und verminderter Mannschaft jetzt jedoch weiter. Der Leipziger Straßenbahnbauer Heiterblick kämpft noch ums Überleben.

Bisher war De-Industrialisierung nur ein Schreckgespenst, das irgendwo in weiter Ferne war. Aktuell sieht man in Mitteldeutschland Entwicklungen, wie sie in einigen Landesteilen der USA oder Großbritannien bereits vor zehn oder 20 Jahren stattgefunden haben.

Die Frage ist: Wie geht man damit um? Nach Einschätzung des halleschen Wirtschaftsforschers Reint Gropp können industrielle Massenprodukte wie Stahl und Düngemittel anderswo billiger produziert werden. „Wir sollten auch nicht mit staatlichen Subventionen versuchen, das zu halten“, sagte der Präsident des IWH – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle. Deutschland könne nur über Forschung und Entwicklung langfristig erfolgreich sein – zum Beispiel über Ausgründungen der Universitäten. Laut Gropp sollten die Landesregierungen weniger auf internationale Konzerne setzen, sondern auf Neugründungen, die in der Region wachsen. Der Präsident der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau, Sascha Gläßer, teilt diese Einschätzung so nicht. Laut Gläßer, der Vorstandschef der Volksbank Halle ist, treffen Konzerne wie der heimische Mittelstand ihre Entscheidungen vor allem aufgrund der Gewinnerwartungen. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen werde insgesamt zu wenig investiert. Nur durch radikale Reformen am Arbeitsmarkt und bei der Rente kann nach seiner Auffassung die Strukturkrise gelöst werden.

Und wie wird 2026? Im Sommer habe ich in einem Newsletter bereits erklärt, welche Frühindikatoren ich mir immer anschaue. Nach Belebung sieht es bisher nicht aus. Der Einkaufsmanagerindex, der Dienstleistungen und Produktion gut zusammenfasst, bewegt sich kaum nach oben. Gut möglich, dass mit einem Waffenstillstand in der Ukraine die gesamte Weltwirtschaft einen Schub bekommt. In Mitteldeutschland entstehen aktuell viele neue Gewerbeparks mit leichten Industrie- und Logistikimmobilien. Da dürfte es die eine oder andere Neuansiedlung geben.
Trotz aller Probleme, befindet sich der Wohlstand noch auf einem hohen Niveau. Der Schriftsteller Christian Kracht ist berühmt für seine Zeitdiagnosen. In seinem neuen Roman „Air“ lautet der erste Satz: „Das Leben war voller Sorgen, aber auch nicht wirklich.“
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Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern ein frohes Fest und einen guten Rutsch. Der nächste Newsletter erscheint am 8. Januar.
Bleiben Sie gesund, herzlichst Steffen Höhne
Weitere wichtige Wirtschaftsthemen aus Mitteldeutschland der Woche:
Feuerlöscher beim Chemiegipfel
Es war ein Signal der Geschlossenheit: Arbeitgeber und Gewerkschaft veröffentlichten auf dem „Chemiegipfel Ostdeutschland“ einen gemeinsamen Forderungskatalog an Bund und EU. Es geht um Energiepreise und Bürokratieabbau. (MZ)

Autozulieferer verkauft
Das US-Unternehmen Neapco übernimmt Sachsen-Anhalts größten Autozulieferer Ifa. Was bedeutet das für die 2.200 Mitarbeiter? (MZ)

Großunternehmen schwächeln
Die großen Unternehmen verzeichneten 2024 deutliche Umsatzrückgänge. Das liegt allerdings vor allem an gesunkenen Energie- und Rohstoffpreisen. Wer auf- und absteigt. (MZ)

Zahl der Aktionäre steigt
Vor allem jüngere Menschen in Sachsen-Anhalt investieren verstärkt in Wertpapiere. Als Grund wird vor allem die Altersvorsorge genannt. (MZ)
Tönnies erhöht Schlachtungen
Im Tönnies-Schlachthof in Weißenfels werden im kommenden Jahr mehr Tiere geschlachtet. Der Grund: die Schließung anderer Fleischwerke. (MZ)
Letzter Zug aus Görlitz
Der Waggonbau in Görlitz ist Geschichte. Ein letzter Doppelstockwagen hat die Montagehalle verlassen – in Richtung Israel. Künftig sollen in dem Werk Komponenten für Panzer hergestellt werden. (MZ)
Neues Porsche-Modell für Leipzig
Es gilt als wichtige Entscheidung für Leipzig: Porsche will dort ein neues SUV-Modell produzieren – als Verbrenner oder Plug-In-Hybrid. (MZ)
Letzter VW aus Dresden
Von Phaeton bis e-Golf: Nach mehr als 165.500 Autos ist Schluss. Der letzte VW ist rot und soll als Erinnerung in der Gläsernen Manufaktur bleiben, bevor das Werk ab kommendem Jahr umgebaut wird. (MZ)

Proteste der Bauern
Den Verbraucher freut es, die Erzeuger leiden. Der starke Preisverfall bei Butter treibt die Bauern auf die Straße. (MZ)
Carl Zeiss Meditec erwägt, Produktion zu verlagern
Die Carl Zeiss Meditec AG gehört zu den umsatzstärksten Unternehmen in Ostdeutschland. Für den börsennotierten Konzern bleiben nach einem soliden Geschäftsjahr China und die USA eine Herausforderung. (MZ)
Schnäppchen-Kette insolvent
Mit Haushaltswaren, Weihnachtsdeko, Gartenzubehör und mehr zu Niedrigpreisen ist Groschen Markt vor allem im ländlichen Raum in Ostdeutschland zu finden. Doch Konkurrenz macht dem Modell zu schaffen. (MZ)