Stadtordnungsdienst Wittenberg Stadtordnungsdienst Wittenberg: Ordnungshüter sind rund um die Uhr im Einsatz

Wittenberg - Nachts nehmen sie lieber den neutralen Wagen. Man kann ja nie wissen, was einen erwartet da draußen. Gegen den Dobermann am Treppenabsatz hätte freilich auch derlei Anonymität nichts genutzt.
Ist aber alles gut gegangen, beruhigt Marco Pfeifer, wie eigentlich immer bisher. Und im Zweifel bitten sie zur „Eigensicherung“ eben doch um Polizeischutz. Das liege in ihrem „Ermessen“, sagt sein Kollege Kevin Weise.
Weise, 42, und der acht Jahre jüngere Pfeifer gehören seit 2015 dem Wittenberger Stadtordnungsdienst an. Tagsüber bilden sie üblicherweise ein Team, nachts gelten andere Regeln. Zum 1. Mai 2016 hat die Stadt Wittenberg für ihre Ordnungshüter Bereitschaftsdienst eingeführt. Verfolgt werden Störungen der öffentlichen Ordnung nun auch in der Nacht und an den Wochenenden.
Wittenbergs Rikscha-Fahrer Uwe Bechmann gerät mit der Stadt in Konflikt: Er darf an der Schlosskirche keine Bratwurst grillen. Zwei Wochen später findet sich eine Lösung, auf privatem Grund.
Erst abgehängt, jetzt angehängt: Es verkehren wieder Bahnen zwischen Bad Schmiedeberg und Wittenberg - allerdings nur an Wochenenden im Sommerhalbjahr.
Christen aus Bremen, Leer und Oldenburg beziehen als erste ihr 2017-Domizil in der Lutherstadt. Sie nennen es „denkbar. Der Laden“, früher wurde dort frisiert.
Auch im Landkreis Wittenberg hat sich die Flüchtlingssituation entspannt. Mit nur noch fünf in dieser Woche ist die Zahl der Ankömmlinge deutlich gesunken, außerdem hat der Kreis die Organisation besser im Griff. Der Landrat kündigt ein Ankunftszentrum in der Karl-Marx-Schule an.
Milchpreis am Boden: In Vockerode versuchen Erzeuger gegenzusteuern mit einem Verkaufsautomaten. Einen Euro kostet der Liter zum Selber-Zapfen.
Erneut verbreitet ein Vermummter mit Schwert Angst in Piesteritz, Tatort ist der „City-Döner“ des Inders Ramesh Lal. Wie sich später herausstellt, handelt es sich um einen polizeibekannten psychisch Kranken.
Nach gut einwöchiger Jagd ist Nasenbär Manni wieder hinter Schloss und Riegel. Manni war mit seinem ebenfalls ausgebüxtem Bruder erst kurz zuvor in den Tierpark eingezogen.
Der mutmaßliche Vergewaltiger vom Pfingstmontag in der Fleischerstraße ist gefasst. Der 29-jährige Wittenberger habe ein Geständnis abgelegt, so die Polizei.
Der Monster-Wels beherrscht die Titelseite: Angler hatten ihn aus der Elbe bei Klöden gezogen. Es fand sich eine skelettierte Menschenhand im Magen. Vermisst hat sie bis heute keiner.
Müll bis unters Dach: In Globig präsentiert ein Vermieter eine erschütternd verwahrloste Wohnung. Die Mieterin hauste dort mit ihrer elfjährigen Enkelin.
Das Projekt ist 20 Jahre alt, getan hat sich nichts. Jetzt stellte sich auch noch heraus, dass der geplante Freizeitpark Köselitz gar keine Baugenehmigung mehr hat.
So sie nicht ins Aufgabengebiet der Polizei fallen. In der Regel, sagt Steffen Brachwitz, Fachkoordinator für Ordnung und Verkehr, handele es sich dabei um das - saisonal stark schwankende - Delikt der Ruhestörung. Die Meldekette sieht vor, dass sich beeinträchtigte Bürger zunächst an die Polizei wenden (110), die dann entscheidet, ob dies ein Fall für sie selbst oder eben den Stadtordnungsdienst ist.
Dessen Nachruhe ist dann vorbei, dito die des Feuerwehrmanns der Hauptwache, der aus Sicherheitsgründen Weise oder Pfeifer oder einen anderen der demnächst bald wieder acht Mitarbeiter als zweiter Mann in die Nacht begleitet. Bis dato, sagen Pfeifer und Weise und so versichern es auch Brachwitz und Sachgebietsleiter Hagen Pisoke, habe die neue Struktur funktioniert. Das sieht auch die Polizei so.
Bloß ’ne Ordnungswidrigkeit
„Wir sind sehr zufrieden, weil sie uns einige Sachen abnehmen“, sagt Revierleiter Marcus Benedix. Wie vor allem die Ruhestörung, eine „Ordnungswidrigkeit im unteren Bereich“, die - in der Theorie - schon immer in die Zuständigkeit der Stadt fällt.
Bei der Bewertung des Sachverhalts durch die Polizei gelte es natürlich, für die Stadtmitarbeiter die „Gefahren zu minimieren“, so Benedix. Mit anderen Worten: Machen polizeibekannte Schurken Lärm, könnte es doch ein Fall für seine Mitarbeiter werden...
Mindestens alle paar Wochen auf Standby zu schlafen, wie es der neue Stadtordnungsdienst mit sich bringt, ist nicht jedermanns Sache. Es habe „ein paar Umsetzungen gegeben“, räumt Pisoke ein.
Zuletzt verteilte sich die Last deshalb auf nur fünf Mitarbeiter - darunter zwei Frauen - ab dem 2. Januar sollen es dann wieder acht Personen sein, die in der Lutherstadt samt Ortsteilen tags und bei Bedarf eben auch nachts nach dem Rechten schauen und außerhalb von deren Dienstzeit auch die Arbeit der Politessen erledigen.
Brachwitz macht keinen Hehl daraus, dass „wir gern zwei, drei Kollegen mehr hätten“, das sei aber, wie auch Pisoke sagt, eine Entscheidung des Stadtrats.
Selbstverständlich war mit dem Personalrat lange über die Einführung einer Dienstbereitschaft gerungen worden und selbstverständlich gibt es Regeln, die diese Einsätze für den Einzelnen begrenzen - mehr als vier hintereinander, berichtet Marco Pfeifer, seien nicht erlaubt.
Insofern mag man vielleicht schmunzeln, wenn man in der jüngsten Stellenausschreibung im Amtsblatt unter der Rubrik „Wir bieten Ihnen“ schon an zweiter Stelle liest: „Rufbereitschaft von 22:00 bis 06:00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen“ - zur Abschreckung dient diese Formulierung aber bestimmt gut.
40 Tage Rufbereitschaft, neben Nächten zählen wie gesagt auch Wochenenden dazu, hat Pfeifer bisher abgeleistet und „sechs bis siebenmal“ musste er dann auch tatsächlich raus. Das Streitschlichten ist das eine, der Biorhythmus freilich das andere: „Man gewöhnt sich nie dran“, sagt Pfeifer. Aber es funktioniert.
Man funktioniert. Weise wie auch er würden jedenfalls weitermachen wollen, wenn ihre Verträge 2017 auslaufen. Denn eines ist auch ihr Tagesgeschäft ganz bestimmt nicht: langweilig. Unterwegs im knallroten Transporter mit der Aufschrift Stadtordnungsdienst, zu Fuß und auch per Dienstfahrrad erschließt sich Weise und Pfeifer ein weites Feld der Unordentlichkeiten.
Nehmen wir den Fernseher, der neben dem Kleidercontainer an der Willy-Lohmann-Straße liegt - ein Fall für die Stadt - während der Müll rund um die Glascontainer nebenan den Landkreis angeht.
Das Diensthandy erleichtert dem Stadtordnungsdienst die Arbeitsabläufe ganz erheblich und mindert den Schreibkram im Büro: Die „Owi“, wie die Ordnungswidrigkeit fast freundlich genannt wird, wird gleich vor Ort erfasst und an den zuständigen Fachbereich der Stadt oder eben den Kreis weitergeleitet.
Wie der rote Corrado, der am Morgen aus Seegrehna gemeldet wurde. Das Wrack hat keinen Motor mehr, es steht aber im öffentlichen Raum und fällt damit unter die „Sondernutzungssatzung“, die Info geht via Handy also an den FB Öffentliches Bauen.
Wohlwollend betrachtet Weise kurz die nicht mehr ungepflegte Umgebung vor einem leeren Haus. Auch hier bedurfte es eines kleinen Anstoßes des Stadtordnungsdienstes, damit der Eigentümer tätig wurde.
Von der Straße in die Box
Und weil sie schon mal hier sind, lesen Weise und Pfeifer gleich noch die noch nicht lange tote Katze auf, die der Verkehr aber bereits zu Brei gefahren hat. Im Kofferraum wartet schon die Kadaverbox. (Es gibt dort auch ein Katzenkörbchen, aber dafür ist es definitiv zu spät.)
Kevin Weise streift sich die Plastikhandschuhe ab. „Nicht jedermanns Sache“, kommentiert er die Entsorgung, die für den Stadtordnungsdienst hinter einer rostigen Tür im Tierheim Reinsdorf enden wird. Dann sprüht er Desinfektionsspray über seine Hände. Weiter geht’s. (mz)