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Ferienpark in Köselitz Ferienpark in Köselitz: Keine Baugenehmigung mehr

Von Ilka Hillger 27.05.2016, 12:47
Michael Bretschneider am Zaun, der bisher nur Natur umgibt.
Michael Bretschneider am Zaun, der bisher nur Natur umgibt. Hillger

Köselitz - Michael Bretschneider steht an einem übermannshohen Zaun im Roßlauer Vorfläming. Im Rücken rauscht nahe der Abfahrt Köselitz der Verkehr auf der A9 vorbei, die kleine Landstraße nach Buko östlich der Autobahn ist genauso still wie die umzäunten 250 Hektar Wald und Wiese, die den Mann aus Grochewitz umtreiben. Hinterm Zaun, in der Ferne, entlang des Waldsaums sieht man in regelmäßigen Abständen kleine Erdhügel. „Da haben die Archäologen gegraben“, sagt Bretschneider. Das machen die Wissenschaftler an solch einem Ort meist nur, wenn demnächst Baufahrzeuge anrücken. Doch das sollte schon vor über 20 Jahren passieren.

Der FFH-Verträglichkeitsprüfung bedarf es, wenn ein Projekt zugelassen oder ein Plan aufgestellt werden soll, bei dem ein Natura 2000-Gebiet in seinen Erhaltungszielen erheblich beeinträchtigt werden könnte. Die FFH (Flora-Fauna-Habitat)-Richtlinie hat das Ziel, zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume und der Artenvielfalt wildlebender Tiere und Pflanzen beizutragen. Viele dieser Arten sind inzwischen ernsthaft bedroht, so dass grenzübergreifende Regelungen zu ihrem Erhalt sinnvoll sind. Die FFH-Richtlinie wurde im Bundesnaturschutzgesetz in nationales Recht umgesetzt. Dem Schutzziel soll ein europaweites ökologisches Netz von Schutzgebieten, genannt „Natura 2000“, dienen. Für diese Schutzgebiete werden Erhaltungsziele und -maßnahmen formuliert.

Es ist die unendliche Geschichte des Ferienparks Köselitz, die in den frühen 1990er Jahren begann und der Region über einige Jahre Hoffnung auf neue Arbeitsplätze gab. Damals trat das Unternehmen Center Parcs an, um einen Ferienpark für 250 Millionen D-Mark zu bauen. 700 Bungalows sollte es geben, ein subtropisches Schwimmbad, 600 Arbeitsplätze. Am 9. September wurde 1993 wurde die Baugenehmigung erteilt. Schon 1992 sprachen sich Naturschutzverbände dagegen aus, deren angestrengte Klagen scheiterten in den Jahren darauf jedoch vor den Gerichten. Aus dem Jahr 1997 datiert eine Absichtserklärung von Investor Center Parcs, Landesregierung und dem damaligen Landkreis über den Bau des Feriendorfes. Doch im Herbst ’97 verschiebt Center Parcs das Projekt um ein Jahr, zieht sich letztlich ganz zurück, weil das Vorhaben wirtschaftlich nicht erfolgversprechend ist. Es folgt absolute Stille. Die Umzäunung aus den ersten Jahren verrottet.

Der feine Unterschied

Als Michael Bretschneider 2013 nach Grochewitz zieht, weiß er von all dem nichts. Mit seiner Frau, beide sind Mediziner und arbeiten in Magdeburg, erfüllt er sich den Traum von einem Bauernhaus. Zuvor will er aber noch wissen, ob die idyllische Natur seiner neuen Heimat unberührt bleibt und fragt in der Coswiger Verwaltung nach, ob es in der Zukunft Bauvorhaben rund um Serno geben soll. „Man schrieb mir, dass in Serno nichts geplant ist“, sagt der junge Mann. Das Wörtchen „in“ machte den feinen Unterschied, denn geplant wurde noch immer „um“ Serno. Bretschneider hatte sich schon gewundert über die „komische Art, einen Wald einzuzäunen“, als er nach Grochewitz zog. „Das sah aus wie militärisches Gelände.“ Was es eigentlich war, erfuhr er bald von den Grochewitzern und den Reden von Coswigs Bürgermeisterin Doris Berlin auf den Neujahrempfängen der vergangenen zwei Jahre. Da sprach sie von einem Wiederaufleben des Vorhabens, mit neuen Investoren.

Die Archäologen kamen, im vergangenen Jahr wurde im Forst gearbeitet und der marode Zaun durch einen neuen ersetzt. Inzwischen hat er wieder ein paar Beulen. „Man sieht, wo Tiere dagegen laufen“, sagt Bretschneider und berichtet von einer Damwildherde mit rund 100 Tieren, die auf dem Areal eingeschlossen ist.

Der Neu-Grochewitzer präsentiert im März in der Einwohnerfragestunde des Stadtrates einen Fragekatalog, in der Stadtratssitzung am 19. Mai tritt er wieder ans Mikrofon. Was ihm die Verwaltung bisher antwortete, stellte Michael Bretschneider nicht zufrieden. Da hat er andere Quellen genutzt. Seine Antworten bekam er über den Landtag. Angeregt durch Bretschneider stellte die grüne Landtagsabgeordnete Claudia Dalbert - heute Landwirtschafts- und Umweltministerin - eine Kleine Anfrage. Die Antworten sind in vielen Punkten sehr konkret. So gibt es für das Projekt inzwischen keine Baugenehmigung mehr. Nachdem diese anfangs auf fristgemäßen Antrag der Investoren verlängert wurde, gab es einen letzten positiven Bescheid 2007. Weitere Verlängerungsanträge seien abgelehnt worden, zuletzt 2013. „Die Realisierung des Bauvorhabens bedürfte daher einer neuen Baugenehmigung“, so die Landesregierung.

Das bestätigt Ronald Gauert, Pressesprecher des Landkreises Wittenberg. „Es gibt zwar noch den gültigen Vorhaben- und Erschließungsplan, aber ein Bauantrag müsste neu gestellt werden“, sagt er. Zur Baugenehmigung gehöre dann auch eine FFH-Verträglichkeitsprüfung, basierend auf der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der europäischen Union. Zwar ist laut Landesregierung „noch kein Baugenehmigungsverfahren für das Vorhaben anhängig“, aber die FFH-Prüfung laufe, wie Gauert sagt. Sie wurde durch ein von den Investoren beauftragtes Planungsbüro beantragt. Entsprechende Dokumente liegen aber noch nicht vor.

Wenig Öffentlichkeit

„Momentan ist Stillstand“, bedauert Coswigs Bürgermeisterin Doris Berlin im Mai im Stadtrat, und Stillschweigen ist mit den Investoren vereinbart. Bekannt ist lediglich, dass seit 2013 die Köselitz Entwicklungsgesellschaft mbH Karlsruhe Grundstückseigentümerin ist und die Investoren aus Holland und England kommen sollen. Michael Bretschneider kann nicht verstehen, warum nicht offen über das Projekt geredet wird. Sollte in der Zukunft alles rechtlich einwandfrei ablaufen, will er sich dem Vorhaben nicht versperren, auch wenn er es nicht gut heißt. Womöglich steht er aber noch in zehn Jahren am Maschendrahtzaun, der unberührte Natur umgibt. Dann, so findet er, sollte der verschwinden und das Areal wieder dem Natura 2000-Gebiet zugeschlagen werden.

Die Kleine Anfrage nebst Antworten kann man auf der Internetseite des Landtags Sachsen-Anhalt nachlesen, wenn man in der Suchmaske der Parlamentsdokumentation 6/9103 eingibt. (mz)