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Weblog 10. Mai Weblog 10. Mai: Wir nehmen Anlauf

Von Peter Benedix 10.05.2017, 13:54
Die Elbwiesen wandeln sich.
Die Elbwiesen wandeln sich. Benedix

Wittenberg - Geht man in diesen Tagen auf die Elbwiesen, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Überall gelbe Blumen! Und weiße Blumen! Und frisches Gras! Und Bodenplatten! Ganz, ganz viele Bodenplatten!

Die Arbeiten für den Kirchentag gehen zügig voran. Vom Pratauer Deich aus wirkt das alles gar nicht so gewaltig, aber tritt man einen Schritt näher heran, ist die Größe der Bühne schon beeindruckend - und wer schon immer mal 1200 Dixi-Toiletten sehen wollte, der hat schon mal einen Grund mehr, sich zum Kirchentag auf die Wiese zu begeben.

Übrigens war ich letztens zur Pressekonferenz der Deutschen Bahn zu diesem Thema und diese bezeichnet das ganze Vorhaben als das „größte Logistik-Projekt seit der Wiedervereinigung“.

Peter Benedix ist Filmregisseur und arbeitet an einer Langzeit-Dokumentation über das Reformationsjubiläum 2017 in der Lutherstadt Wittenberg. Auf der Seite www.mz.de/herz und www.worandeinherz.de berichtet der 36-Jährige über die Fortschritte bei den Arbeiten an dem abendfüllenden Film über seine Heimatstadt. Sie erreichen Peter Benedix per Mail unter [email protected]

Na, das macht doch Eindruck! Ohne die Leistung schmälern zu wollen, würde ich mich jedoch aktuell noch mehr freuen, wenn der ICE wieder von Berlin nach Wittenberg fahren würde.

Derzeit muss ich auf das Auto umsteigen und da hat man auch gern mal ein verliebtes Paar Labradore auf der A10 die den Verkehr dreispurig auf 10km/h runterbremsen.

Wussten Sie eigentlich, dass man sich in Wittenberg von kleinen Fischen die Füße sauberknabbern lassen kann? In der Coswiger Straße. Da geht man nichtsahnend Richtung Schloss, um Rikscha-Uwe zu seinem neuen Grillplatz an der Touristeninfo zu gratulieren - und plötzlich hört man ein lautes „Hallo“ und Türmer-Klaus winkt fröhlich mit den Füßen im Wasser zu mir herüber.

Was dem Besitzer eines solchen Ladens das Festjahr bringt? Wahrscheinlich nichts, meint er, aber das überrasche weder ihn, noch die Allgemeinheit.

Die Zeit rennt und mit Erstaunen stelle ich fest, dass auch seit dem letzten Blogeintrag schon einige Wochen vergangen sind. Eigentlich wollte ich heute auch etwas über die rasanten Veränderungen im Stadtbild, die vielen Baustellen und andere Erlebnisse schreiben, aber derzeit geht es mir wie vielen Menschen, die das Reformationsjahr in Wittenberg bewusst erleben und in irgendeiner Form aktiv daran teilhaben.

Es setzt eine gewisse Erschöpfung ein. Seit vielen Monaten nun steuern wir Wittenberger auf dieses Ereignis zu, welches am 20. Mai mit der Eröffnung der Weltausstellung offiziell beginnt und mit dem Kirchentag am 28. Mai einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Manchmal sollen sich meine Interviewpartner dieses Jahr als eine Bergtour vorstellen, wobei ihr persönliches Ziel der Berggipfel ist.

Wo auf dieser Tour sie gerade stehen, möchte ich dann wissen. Die einen gehen gerade los, die anderen sind ‚im ersten Basislager‘ und wieder andere schon kurz vor dem Gipfel. Bei vielen jedoch, und dazu zähle auch ich, ist nach einem langen und rasanten Spurt der Wunsch nach einer Pause da. Wenn die Kamera läuft, dann ist meistens Optimismus zu sehen – egal ob beim Refo-Verein, bei Vertretern der Stadt oder den Menschen auf der Straße.

Dieser Optimismus ist ernst gemeint, aber zwischen den Zeilen ist doch immer wieder zu spüren, dass wir alle keine Maschinen sind und auch diese Zeit niemandem etwas schenkt, sondern Glück und Erfolg von Arbeit und Engagement abhängen. Wenn Sie also in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten jemanden treffen, der hochmotiviert, aber gleichzeitig abgekämpft und müde wirkt, so muntern sie ihn oder sie ein wenig auf.

Ein Lächeln oder ein nettes Wort kosten nichts und bewirken viel. Man muss sich als einzelner Bürger der Stadt nicht zwingend für das Jubiläum engagieren. Man muss auch nicht Mitleid haben mit Menschen, die in diesem Jahr einen besonderen Nutzen für sich sehen und daher weit über das normale Maß hinaus an ihre Grenzen gehen, denn selbstbestimmt ist selbst bestimmt.

Aber man sollte sich mit Respekt begegnen und die Bemühungen des Einzelnen anerkennen, etwas zu bewegen. Das gilt für noch unerfahrene Volunteers in ihrem schicken Infobaucontainer am Markt ebenso wie für Würdenträger von Staat und Kirche. Dieses Jahr wird anstrengend – keine Frage – aber es wird auch ein Jahr, an das wir uns erinnern werden und ich für meinen Teil möchte dies im Positiven tun.

Zu guter Letzt noch ein Tipp. Derzeit steht gegenüber der Polizei ein grauer, begehbarer Quader, der nicht zur Weltausstellung gehört. Gehen Sie mal rein. Sie werden überrascht sein. (mz)