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Weblog 22. April Weblog 22. April: Kinderspaß und Bodenplatten

Von Peter Benedix 24.04.2017, 16:45
Kleinkinder und Reformation? Das geht!
Kleinkinder und Reformation? Das geht! Benedix

Wittenberg - Ich werde verfolgt. Da macht man einmal, bevor es richtig losgeht, eine Woche Urlaub und stolpert auch am Strand von Kühlungsborn über zwei Glupschaugen auf orangenem Grund. Aber was soll man machen, wenn Wittenberg und Berlin plötzlich der Nabel der Welt sind. Kleine Anekdote am Rande: 2002 war ich Praktikant am Fraunhofer Institut bei Bonn.

Als ich mit meinem 92er Skoda Favorit am ersten Tag auf das Institutsgelände fuhr, fragte mich der Pförtner, was denn „WB“ für ein Kennzeichen sein. Ich antwortete ihm, dass das  noch ein altes Kennzeichen wäre und für West-Berlin stünde.

Peter Benedix ist Filmregisseur und arbeitet an einer Langzeit-Dokumentation über das Reformationsjubiläum 2017 in der Lutherstadt Wittenberg. Auf der Seite www.mz.de/herz und www.worandeinherz.de berichtet der 36-Jährige über die Fortschritte bei den Arbeiten an dem abendfüllenden Film über seine Heimatstadt. Sie erreichen Peter Benedix per Mail unter [email protected]

Prompt setzte seine Erinnerung ein und er bestätigte mir, dass er das natürlich wusste und es ihm nur kurz entfallen war. Probieren Sie das mal aus. Es macht Spaß und Sie werden nicht glauben, wie oft das selbst heute noch funktioniert. Zurück zum Thema…

Wenn Sie einmal einen absoluten Geschichtsmuffel zu Besuch haben, diesem aber trotzdem einen kurzen Abriss über Luther und seine Kumpel verpassen wollen, so buchen Sie doch die Stadtführung für Kita-Kinder. Am Dienstag habe ich Katja Köhler – alias „Katharina von Bora“ -  bei einer solchen Tour begleitet.

Es war sehr süß zu beobachten, wie sie schon von weitem mit „Katharina“ begrüßt wurde. Geschichtlich waren die wesentlichen Sachen dabei, kindgerecht und sehr unterhaltsam. Die Zwerge haben auch tatsächlich die komplette Runde vom Lutherhaus, über die Stadtkirche, den Markt bis zu Schloss und Schlossplatz durchgehalten. Respekt.

Am Ende gab es in der Schlosskirche noch ein Geheimnis zu entdecken - und ich wette, niemand von Ihnen, liebe Leser, kennt dieses Geheimnis. Es ist auch nicht über Google und Wikipedia ergründbar und irgendwie auch ein kleines Stück verboten. Sie erfahren es nur, wenn Sie bei unseren Jungs und Mädels eine Stadtführung buchen – allerdings wird das dann wohl erst 2018 etwas werden, denn die Buchungen gehen bereits jetzt ans Limit.

Drei bis vier Führungen pro Tag und Stadtführer sind normal und eigentlich sind wir noch in der Nebensaison. Auf dem Schlossplatz befanden sich gefühlt mehr Menschen als Pflastersteine und wir sprechen von einem Dienstagvormittag. Da kann eine Führung auch schon mal bis 22:30 Uhr gehen.

Das mit der eigenen Familie zu vereinbaren, ist sicher nicht immer einfach. Wenn Sie das nächste Mal also eine Gruppe koreanischer Rentner vor Begeisterung über lebendig werdende Geschichte fast über den Haufen rennt, haben Sie ein Lächeln für den Stadtführer (oder die Stadtführerin) übrig. Immerhin liegt es auch an ihnen, wie unsere Gäste später über ihren Besuch in der Lutherstadt berichten werden.

Kommen wir zu der Rubrik: „Was bleibt nach 2017?“ Was ist informativ, hat viele bunte Bildchen und wird noch fünf Jahre nach dem Jubiläumsjahr der Stadt erhalten bleiben? Nein, ich meine nicht das Panorama Luther 1517. Erfahren habe ich davon mal wieder vom Türmer Klaus. Einmal mehr gehen wir den Südturm der Stadtkirche hinauf.

Oben angekommen, bietet sich mir ein Bild, das im ersten Moment so skurril ist, dass ich lachen muss. Zwischen einem lebensgroßen Pappaufsteller der letzten amtlichen Türmerin Wittenbergs und einer antiken Waschschüssel, sitzt ein bärtiger Mann Mitte dreißig mit einem Laptop auf dem Schoß und tippt emsig darauf herum.

Dieser Mann bereitet in diesem Moment das Gratis-WLAN vor, welches allen Besuchern (und Bewohnern) der Stadt nun für mindestens fünf Jahre kostenfreies Internet ermöglichen wird. Na, das ist doch Mal was! Natürlich kann man jetzt gleich wieder nörgeln und sagen „für sowas ham se wieda Jeld“, aber warten Sie es mal ab, wie schnell man sich an einen solch einfachen Luxus gewöhnt hat.

Vorausgesetzt, es funktioniert auch zuverlässig, aber der Mann mit dem Laptop machte einen ziemlich kompetenten Eindruck. Somit hat die Stadtkirche auch im Weltlichen wieder einmal einen Sendungsauftrag mit großer Reichweite – gutes Stichwort (wenn auch etwas erzwungen) – wir kommen mal wieder zum Kirchentag.

Mein letzter Besuch an diesem Tage waren die Elbwiesen und liebe Leute, was soll ich sagen – lagen vor drei Wochen noch ein paar einsame Starkstromkabel dösend in der Sonne, führt jetzt plötzlich eine befestigte Straße direkt vom Brückenkopf, über die Wiese bis hin zum zukünftigen Festgelände. Die Grasnarben liegen wie ein kleiner Deich aufgetürmt daneben. Ich habe irgendwo das Gerücht gehört, dass sie später wieder ihren ursprünglichen Platz einnehmen sollen, aber das kann ich mir ehrlich gesagt schwer vorstellen.

Zumindest ist die gesamte Straße auf einer Plane angelegt, so dass sie höchstwahrscheinlich restlos wieder entfernt werden kann. Am Festgelände selbst ist emsige Geschäftigkeit zu registrieren. Vier Mannschaften verlegen Bodenplatten, um das Gelände gangbar zu machen. Die Arbeiter sind ziemlich gut drauf und leihen mir eine Sicherheitsweste, damit ich beim Filmen nicht überrollt werde.

Das Gras unter den Platten wird sich wohl für dieses Jahr nicht mehr erholen, das ist aber nur meine Meinung und der einzige Botaniker in meiner Familie ist seit mindestens 50 Jahren tot. Die großflächige Abdeckung der Elbwiesen wurde zwar immer wieder angekündigt, doch wird sie sicher für einigen Unmut sorgen, wenn sie erst einmal in Gänze sichtbar geworden ist. Ja, ich finde es auch schade, aber die Natur wird sich erholen und dieses eine Mal lasst uns drüber hinwegsehen.

Was bleibt noch zu sagen? Achja…die Baustellen. Ein Bekannter sagte mir am Telefon, dass die Stadt förmlich vor Baustellen vibriert. Egal, ob das physikalisch oder metaphorisch gemeint war – er hat Recht. Nächste Woche eröffnet übrigens die „Promenade der Generationen“ (oder war es die „Allee der Generationen“?).

Der ursprüngliche Name der Straße war weit weniger eindrucksvoll: Fleischerstraße. Daneben baut der Reformationsverein einen Turm aus roten Stahlträgern. Der Bahnhof sieht aus wie von Familie Buddelflink heimgesucht und der Lutherhof (streng bewacht von extrem pflichtbewusstem Personal) scheint jeden Tag anders auszusehen. Man merkt, dass viele Deadlines immer näher rücken.

Apropos Bahnhof. Seit Wittenberg vom ICE-Netz abgekoppelt wurde, würde ich bis zu drei Stunden vom Gesundbrunnen bis in die Heimat brauchen. Nicht gut. Bitte wieder ändern und so lassen. Danke. (mz)