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Stadtgespräch zum Kirchentag Stadtgespräch zum Kirchentag: Straßensperrungen sorgen für Verwirrung und Unmut

Von Irina Steinmann 05.04.2017, 16:13
Hartwig Bodmann (Mi.) beim „Stadtgespräch“.
Hartwig Bodmann (Mi.) beim „Stadtgespräch“. Klitzsch

Wittenberg - Das Kirchentagswochenende stellt die gewohnten Verkehrsverhältnisse auf den Kopf. Fußgänger und Radfahrer haben die Nase vorn, die sonst stets privilegierten Autofahrer müssen sich diesmal ganz hinten anstellen. Das sorgt für Aufregung und Ärger, in der Elstervorstadt zum Beispiel.

Da kann der Geschäftsführer des Vereins Reformationsjubiläum, Hartwig Bodmann, noch so sehr die „große Bitte“ äußern, „dass Sie sich damit abfinden“ für dieses eine einzige Ausnahmewochenende, und dann „ist das alles vorbei und wir sind wieder unter uns“.

Bodmann darf so sprechen, längst hat er selbst vorübergehend Wohnsitz genommen in der Lutherstadt. Doch die Betroffenen bleiben unruhig. Fragen nach den Auswirkungen der Straßensperrungen am 27. und 28. Mai beherrschen das „Stadtgespräch“ zum Thema „Vorbereitungen zum 36. Deutschen Evangelischen Kirchentag“ am Dienstagabend im Stadthaus. Der riesige Saal ist allerdings nur unerwartet locker besetzt.

Da ist das Paar, das just am Sonntag des Festgottesdienstes aus dem Urlaub zurückkehren möchte in die heimische Kirchhofstraße. Da ist eine Familie, die sich eingesperrt fühlt im Mittelfeld zwischen gesperrter Dresdener und ebenfalls gesperrter Triftstraße.

Fahrradfahren? Mag sie nicht, sagt die Frau. Und wie soll man am Samstag zu „Kaufland“ kommen? Will ja nicht jeder Reformation feiern...

Am Ende wird glücklicherweise alles nicht ganz so heiß gegessen wie gekocht. Anwohner dürften selbstverständlich ihre Grundstücke mit dem Auto verlassen oder dorthin zurückkehren, heißt es nach mehreren Anläufen und etwas Konfusion seitens des Podiums, wo neben Bodmann unter anderem der Oberbürgermeister Platz genommen hat.

„Sie kommen in die Kirchhofstraße“, verspricht Torsten Zugehör den Urlaubern. Und auch die Mittelfelder zeigen sich versöhnt.

Der Mann, der sich beim Landkreis seit zwei Jahren mit dem Thema Verkehr zum Kirchentag befasst, Fachdienstleiter Holger Zubke, bestätigt der MZ am nächsten Tag, dass Anwohner trotz Vollsperrungen (betroffen sind wie am Samstag ausführlich berichtet insbesondere weite Teile der Bundesstraße 187, aber etwa auch die Triftstraße) nicht an ihre Häuser gefesselt sind: „So wenig Einschränkungen wie möglich, so viel Sicherheit wie nötig“, laute der Grundsatz angesichts der An- und Abreise-Situation insbesondere am Festgottesdienst-Sonntag mit vielleicht 200.000 Besuchern, Großparkplätzen an den Stadträndern und den damit einhergehenden Shuttle-Verkehren.

Die Polizei, so Zubke, werde „mit Augenmaß“ entscheiden, wer wann wohin fahren darf - „wir erwarten Augenmaß aber auch von den Anwohnern“. Und ein Ausweis-Dokument mit Adresse sollte man in jedem Fall dabei haben.

Es sind zum „Stadtgespräch“ freilich nicht nur Leute erschienen, die sich vom Kirchentag in ihrem Alltag gestört fühlen, ganz im Gegenteil. Ihnen berichtet Hartwig Bodmann in gewohnt launiger Manier, wie sie am besten aufs Festgelände kommen und was sie dort erwartet.

Von den drei Zugängen ist die Ponton-Brücke in der Altstadt nicht für Rollstuhlfahrer zugelassen, Radfahrer wiederum dürfen wie bereits berichtet außerdem nicht über die Elbebrücke und ihr Rad auch nicht mit auf die Wiese nehmen, dafür gibt es schließlich ebenfalls Parkplätze, 6.000 Stück an vier Standorten.

Aufgeräumt wird am Dienstag außerdem mit dem Gerücht, es dürfe kein Gepäck mitgenommen werden aufs Festgelände. Großes Gepäck muss in der Tat etwa an den Bahnhöfen bleiben, ein kleiner Rucksack und natürlich Schlafsack und Isomatte zur Übernachtung von Sonnabend auf Sonntag seien natürlich erlaubt und auch ein eigenes Klappstühlchen.

Die 5.000 Sitzplätze sind schließlich geladenen Gästen und Älteren vorbehalten. Die am Einlass kontrollierten Gepäckstücke würden im Übrigen markiert, damit sie nicht, vielleicht mal herrenlos herumstehend, unnötige Aufregung erregen, so Bodmann.

Die Aufteilung des Geländes in gekennzeichnete Areale diene nicht nur der raschen Rettung in Notfällen, sondern auch der Orientierung. Es gibt Lautsprecher für Durchsagen und auch die Telekommunikation werde für diesen Tag ausgebaut - dass alle gleichzeitig Handy-Bildchen verschicken, werde allerdings trotzdem nicht möglich sein, so Bodmann.

Binnen vier Stunden könne die Festwiese, bei einer „Befüllung“ mit 200.000 Gästen regulär wieder geleert werden. Weshalb es am Nachmittag auch Zeiten geben wird, in denen kein Zugang möglich sein wird, um „Gegenverkehr“ zu vermeiden. Rosinenpicken - kein Gottesdienst, aber gern die Gratis-Konzerte danach - könnte also schwierig werden.

Sowieso darf nichts dazwischenkommen. Es versteht sich, dass sie beim Verein mit ihren Verbündeten alle (50!) Szenarien durchgespielt haben. Bei vorhersehbarem Unwetter oder gar Hochwasser, so Bodmann, fällt die Sache natürlich ins Wasser und es werde stattdessen „provisorisch“ Gottesdienst gefeiert in Berlin oder Leipzig.

Dass diese Aussicht so manchen im Publikum ehrlich erschreckt, zeigt, dass der Kirchentag in Wittenberg am richtigen Ort ist - trotz aller Unbilden für den gewohnten Alltag. (mz)

Ein Nadelöhr wird am Festwochenende die Elbbrücke, ohne Ausnahmegenehmigung geht gar nichts.
Ein Nadelöhr wird am Festwochenende die Elbbrücke, ohne Ausnahmegenehmigung geht gar nichts.
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