MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 21. August Goldgräberstimmung: Der Rechenzentren-Hype im Osten
Weitere Themen: Wohnungsbau erholt sich / Milliardär taucht ab / Airports bauen ab / Sicherer Job nach Leere / DDR-Softeis beliebt / Brauer streiken

in der Immobilienbranche gibt es wieder Goldgräberstimmung – zumindest in einem bisher erst kleinen Segment: Rechenzentren. Fast wöchentlich geben aktuell Immobilienentwickler neue Projekte bekannt. So plant das neu gegründete Unternehmen SBB ByteFortress ein riesiges Rechenzentrum inklusive Batteriespeicher in Wolmirstedt bei Magdeburg.
Für den Bau des Rechenzentrums werden etwa 900 Millionen bis 1,2 Milliarden Euro veranschlagt. Der Standort in Wolmirstedt ist laut Geschäftsführer Andreas Eberhardt, für das Unternehmen aus mehreren Gründen interessant. Vor allem gelten die Anbindungen an das 110-kilovolt-Stromnetz der Avacon, die 380-kilovolt-Leitungen von 50Hertz sowie an grüne Energien wie Wind- und Solarkraft als Pluspunkte.

Gleich drei neue Rechenzentren in Ostdeutschland plant der Leipziger Immobilienentwickler FAB Gesellschaft für Gebietsentwicklung und Infrastrukturdienstleistungen mbH. Das Unternehmen wurde bereits 2003 gegründet und beschäftigte sich mit der Erschließung neuer Gewerbe- und Wohngebiete. Seit zwei bis drei Jahren beschäftigt sich das Unternehmen nach Angaben von Co-Geschäftsführer Thomas Bergler mit dem Thema Rechenzentren.
Aktuell verfolgt das Unternehmen im sächsischen Böhlen, in Bad Lauchstädt und Raguhn-Jeßnitz (beide Sachsen-Anhalt) Vorhaben. Es geht bei allen Projekten um den Bau von mehreren bis zu 20 Meter hohen Gebäuden, die sich auf mehreren Hektar Land verteilen.
Für Anwendungen der Künstlichen Intelligenz wie ChatGPT sind spezielle Chips notwendig, die einen hohen Energieverbrauch haben. In sogenannten Hyperscale-Rechenzentren soll es ganze Serverfarmen mit diesen Chips geben. Das entscheidende Kriterium zum Bau der Anlagen ist laut Bergler: Strom, Strom, Strom. In den kommenden Tagen werde ich den Projektentwickler FAB in der MZ ausführlicher vorstellen.
Wichtig ist, zu verstehen, dass FAB und andere Immobilienentwickler die Anlagen nicht selbst bauen oder betreiben. Sie sind jetzt „nur“ auf der Suche nach geeigneten Standorten, die möglichst ein bis zwei Kilometer von großen Umspannwerken entfernt liegen sollen.

Laut einer Studie der Deutschen Energieagentur (Dena) verbrauchen Rechenzentren bisher etwa ein Prozent des deutschen Stroms. Bisher stehen die Serverfarmen vor allem im Rhein-Main-Gebiet, in dem Frankfurt (Main) als großer Internetknoten heraussticht. Im Großraum Frankfurt wird laut Dena bereits ein Fünftel des Stroms von den Rechenzentren verbraucht. Aktuell werden laut Medienberichten Vorhaben dort gestoppt, weil nicht ausreichend Strom zur Verfügung steht.
Die Betreiber schauen daher verstärkt nach Ostdeutschland. „Uns liegen mehr als 60 Anfragen zur Ansiedlung von Rechenzentren in unserem Netzgebiet vor“, sagte Stephan Lowis, Vorstandschef des Energieversorgers EnviaM, zuletzt im MZ-Interview. Bezogen auf die avisierte Anschlusskapazität würden sich die Anfragen zu 45 Prozent auf Brandenburg, zu 35 Prozent auf Sachsen-Anhalt und zu 20 Prozent auf Sachsen verteilen. Die Anfragen umfassen den Angaben zufolge in Summe eine Anschlusskapazität von etwa 13 Gigawatt. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Bezugslast im gesamten Netzgebiet der EnviaM-Tochter Mitnetz, das Teile der Bundesländer Sachsen-Anhalt, Sachsen, Brandenburg und Thüringen umfasst, liegt aktuell bei etwa 2,5 Gigawatt. Das heißt, die aktuellen Erzeugungskapazitäten von Strom würden bei weitem nicht ausreichen.
Ein Hyperscale-Rechenzentrum würde etwa so viel Strom verbrauchen wie 100.000 bis 200.000 Haushalte. Aktuell gibt es im Osten Ökostrom im Überfluss. Doch es stellt sich die Frage, ob das so bleibt, wenn etliche Projekte realisiert werden. In Süddeutschland stehen die Rechenzentren bereits in Energiekonkurrenz mit der klassischen Industrie. Daher sollte die Politik gemeinsam mit den großen Energieversorgern möglichst schnell einen Plan entwerfen, in welchem Maß der Bau von Rechenzentren förderlich ist und wo die Grenzen liegen.
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Bis kommende Woche, herzlich Steffen Höhne
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