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Urteil sorgt für Ärger Amateurfußball: Neue Wendung im Skandalspiel um Kine em aus Halle

Das Sportgericht ist im Fall Kine em zu einem Urteil gekommen. Warum das beim Stadtverband Halle und Klubs für viel Ärger sorgt.

Von Elias Schmidt Aktualisiert: 04.03.2024, 12:12
Viele Mannschaften wollen nicht mehr gegen Kine em gegen den Ball treten.
Viele Mannschaften wollen nicht mehr gegen Kine em gegen den Ball treten. (Foto: Objektfoto)

Halle/MZ - Inzwischen sind rund sechs Monate vergangenen, seit gewalttätige Attacken von Spielern des Vereins Kine em die Amateurfußballszene in Halle erschütterten. Was folgten waren Strafen für die Spieler, ausgesprochen vom Verein, vor allem aber eine Boykottwelle der meisten anderen Teams in der Stadtoberliga.

An diesem Wochenende hätte der hauptsächlich aus kurdischen Syrern bestehende Klub sein erstes Spiel nach der Winterpause bestreiten sollen. Aber wieder rollte der Ball nicht. Der Grund ist diesmal ein anderer: Das Sportgericht des Fußballverbandes Sachsen-Anhalt (FSA) hat nun, Monate nach dem Skandalspiel vom 1. Oktober 2023, sein Urteil gesprochen: Kine em ist für zwei Monate aus dem Spielbetrieb ausgeschlossen.

Was ein Schlusspunkt hätte sein können, sorgt aber für noch mehr Unmut bei allen Beteiligten.

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Zur Erinnerung: Anfang Oktober war das Stadtoberligaspiel zwischen Kine em Halle und dem Reideburger SV abgebrochen worden, nachdem es seitens Spielern der Gastgeber zu tätlichen Angriffen auf Schiedsrichter und Gästespieler kam. Sogar die Polizei musste in der Folge anrücken.

Zwar entließ Kine em unmittelbar nach den Attacken die drei beteiligten Spieler. Trotzdem traf den Verein in der Folge eine Boykottwelle. Abgesehen vom BSV Ammendorf II wollte keine Mannschaft der Liga mehr gegen Kine em antreten, begründet wurde das mit Sicherheitsbedenken, zudem wurde der Wille zur Aufarbeitung der gewalttätigen Angriffe angezweifelt. Somit wurden in Summe fünf Punktspiele abgesagt – und allesamt für Kine em gewertet. Nicht zuletzt deshalb ist der Klub derzeit sogar Tabellenführer in der Stadtoberliga.

Um eine Lösung zu finden, zeigte sich Kine ems Präsident Sipan Khalil sehr engagiert, bat Vereine zum Dialog und entwickelte ein Sicherheitskonzept, stellte Maßnahmen vor – doch all das reichte den anderen Klubs nicht, sie hegten weiterhin Zweifel an einer Senkung des Aggressionspotenzials der Mannschaft.

Somit drohten weitere Spielabsagen durch Boykotte. Nach dem Urteil des FSA-Sportgerichts darf nun aber Kine em selbst nicht antreten, muss zudem eine Geldstrafe in Höhe von 6.000 Euro zahlen.

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Der Richterspruch hat aber bizarre Folgen: Denn alle Mannschaften, die in den kommenden zwei Monaten gegen Kine em gespielt hätten, bekommen nun drei Punkte so wie 3:0 Tore zugesprochen. Verloren also die Teams, die die Spiele zuletzt boykottierten, noch die Punkte und mussten sogar die Gerichtskosten tragen, würden nun acht Teams mit Zählern und Treffern beschenkt werden. Von einem fairen Wettbewerb bleibt nach dem Urteil in der Stadtoberliga Halle nichts mehr übrig.

Das sieht man auch beim Stadtverband in Halle (SFV) so. Dieser „begrüßt das harte Urteil und wertet es als deutliches Signal zum Schutz seiner Unparteiischen“, heißt es zwar als Reaktion auf den Richterspruch. „Allerdings hadern der Verband und seine Vereine (...) so sehr mit den Konsequenzen des Spielverbots für den Spielbetrieb, dass sich die örtliche Fußballgemeinschaft über das Rechtsmittel der Berufung, das der SFV Halle fristgemäß einlegen will, trotzdem eine Korrektur erhofft.“

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Im Gespräch mit der MZ konkretisiert SFV-Präsident Thomas Paris: „Durch das Urteil existiert für uns ganz klar eine Wettbewerbsverzerrung. Ich halte das für besorgniserregend, weil es darum geht, dass die sportliche Fairness für alle, unabhängig von der Höhe der Strafe, gegeben ist.“

Der FSA selbst will sich auf Anfrage der MZ zum konkreten Fall nicht äußern, antwortet nur grundlegend: „Aufgrund der in der Satzung des Fußballverbandes Sachsen-Anhalt konstituierten Gewaltenteilung entscheidet die Sportgerichtsbarkeit auf allen Ebenen des Landesverbandes frei und unabhängig. Alle Parteien haben die Möglichkeit, gegen Urteile Rechtsmittel einzulegen“, so Markus Scheibel, Geschäftsführer des Landesverbandes. Offensichtlich, dass der FSA Urteile seines eigenen Sportgericht nicht öffentlich kritisieren will. Hinter den Kulissen soll es nach MZ-Informationen aber auch beim Landesverband Unverständnis geben.

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Heftige Kritik gibt es dagegen von anderen Stadtoberligisten. So etwa vom Reideburger SV. Für die Reideburger ist das Urteil von besonderer Bedeutung, waren sie doch im Skandalspiel selbst Opfer. „Das waren schlimme Ereignisse für uns als Verein. Leider ist in der Folgezeit weder von Kine em noch von Seiten der Verbände aktiv jemand auf uns zugegangen“, sagt Abteilungsleiter Torsten Paul.

Der Reideburger Funktionär hadert extrem mit dem Sportgericht des FSA. „Ich verstehe nicht, warum es in solch einer schwierigen Situation so lange dauert, bis eine Entscheidung getroffen wird“, sagt er. Und auch das Urteil selbst ärgert ihn: „Das ist ein extremer Eingriff in die sportliche Fairness.“

Und Kine em? Für Präsident Khalil bringt das Urteil Probleme mit sich: „Die Geldstrafe trifft uns hart, uns fehlen seit Monaten Zuschauereinnahmen, in den nächsten zwei Monaten kommen keine dazu“, sagt er der MZ. Neben dem Finanziellen bereiten Khalil vor allem die noch immer verhärteten Fronten Kopfschmerzen.

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„Ich bin auf die Vereine zugegangen, habe gefragt was wir besser machen können. Das haben wir umgesetzt, im Verein aufgeräumt und bisher hat es funktioniert. Trotzdem sagen alle gegen uns ab“, so ein fast schon verzweifelt wirkender Präsident, den besonders beschäftigt, dass eine Anwesenheit von Kine em beim letzten Dialog nicht erwünscht war. „Es kann sich nur etwas ändern, wenn wir miteinander reden, deshalb werde ich mir die Forderungen der anderen Vereine anhören“, erklärt Khalil, dessen Wunsch es ist, dass bald „alle wieder gemeinsam Spaß am Fußball haben“.

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Das erscheint aber mehr denn je in weiter Ferne. Ob der Berufung stattgegeben wird oder nicht – für die Vereine der Stadtoberliga steht fest, dass es mehr braucht als nur eine Verbüßung der Strafe, um wieder Spiele gegen Kine em zu bestreiten. Dies ging aus dem von Khalil angesprochenen Vereinsdialog hervor, der nach Verkündung des Urteils abgehalten wurde. „Die Vereine wünschen sich mehr Initiative aus der Mannschaft von Kine em selbst. Es reicht nicht, wenn sich der Präsident einsetzt, es sind auch die Spieler gefordert, den Dialog zu suchen“, sagt SFV-Präsident Paris.