1. MZ.de
  2. >
  3. Newsletter
  4. >
  5. Wirtschaft
  6. >
  7. MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 6. Juni 2024: FTI-Insolvenz: Urlaub im Schatten der Pleite

MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 6. Juni 2024 FTI-Insolvenz: Urlaub im Schatten der Pleite

Weitere Themen: Kohlemittel für Unternehmen / Hasseröder braut Corona / LWB setzt auf Platte / mRNA-Wirkstoff aus Halle / Klimaneutraler Diesel an Tankstelle

06.06.2024, 09:00
Newsletter FTI
Newsletter FTI dpa

Kurz vor den Sommerferien drücken die Unternehmen in Mitteldeutschland noch mal richtig aufs Gas oder auf das Strompedal, wie es künftig vielleicht heißen wird. Gute und schlechte Nachrichten gab es in den vergangenen Tagen reichlich. Am weitreichesten ist aber wohl die Pleite des drittgrößten deutschen Reiseanbieters FTI, von der auch viele Menschen in Mitteldeutschland betroffen sind.

In vielen Reisebüros in der Region stehen die Telefone seit Wochenbeginn nicht mehr still. Die Kunden, die über FTI gebucht haben, wollen wissen, ob ihre Reisen stattfinden oder sie die geleisteten Anzahlungen zumindest zurückbekommen. Konkrete Antworten bekommen sie in den seltensten Fällen.

Ein Familienhotel aus dem Harz geht daher andere Wege: Der Chef des Hasseröder Burghotels, Frank Kasselmann, teilte allen FTI-Kunden mit, die in seinem Hotel einen Urlaub gebucht haben, dass das Angebot Bestand hat, „auch wenn wir das Geld vom Reisekonzern nicht erhalten“. Kasselmanns Botschaft: Wir lassen die Kunden nicht im Regen stehen. Der Anteil der FTI-Gäste ist in dem Hotel mit 162 Zimmern mit aktuell 30 Buchungen überschaubar. Kasselmann schätzt den Verlust für sein Haus auf einen niedrigen fünfstelligen Betrag.

Das Hasseröder Burghotel arbeitet auch mit dem Reiseveranstalter FTI zusammen. FTI-Kunden dürfen trotz Insolvenz weiter Urlaub machen.
Das Hasseröder Burghotel arbeitet auch mit dem Reiseveranstalter FTI zusammen. FTI-Kunden dürfen trotz Insolvenz weiter Urlaub machen.
Foto: dpa

Vergleichsweise gut abgesichert sind laut Verbraucherschützern wohl Urlauber, die Pauschalreisen über FTI gebucht haben. Der sogenannte Reiseversicherungsfonds (DRSF) sichert die bereits erfolgten Zahlungen für Flüge und Hotel ab. Auch die Rückkehr von Reisenden, die jetzt mit FTI im Ausland sind, wird aus dem Fonds gezahlt. Der DRSF wurde nach der Pleite des Reiseanbieters Thomas Cook 2019 gegründet. Bis zum Jahr 2026 sollte er laut „Handelsblatt“ ein Volumen von 750 Millionen Euro haben. Wie viel Geld aktuell im Topf ist, dazu werden keine Angaben gemacht.

Für wen FTI allerdings nur ein Hotel gebucht hat, dürfte Schwierigkeiten bekommen, bereits geleistete Zahlungen erstattet zu bekommen. Der vorläufige Insolvenzverwalter von FTI, Axel Bierbach, wird jetzt prüfen, ob gebuchte Reisen doch noch stattfinden können. Auch die Fluggesellschaften und Hotels haben ein Interesse daran, dass die Reisen stattfinden. Welche Auswirkung die Insolvenz auf die Tourismuswirtschaft in Deutschland insgesamt hat, wird sich erst noch zeigen.

Anders als bei Tui und FTI, sind Anbieter wie An-in-den-Urlaub und Expedia nur Reisevermittler, die selbst nicht für den Kunden buchen.
Anders als bei Tui und FTI, sind Anbieter wie An-in-den-Urlaub und Expedia nur Reisevermittler, die selbst nicht für den Kunden buchen.
Grafik: Statista

Die Reisebranche wird sich nach der Pleite neu ordnen. „Die Leute werden trotz der FTI-Insolvenz reisen und der Milliarden Kuchen wird unter den anderen Veranstaltern aufgeteilt“, ist sich Tourismusexperte Torsten Kirstges von der Jade Hochschule mit Sitz in Wilhelmshaven sicher. Davon könnten Konkurrenten wie Tui und DER Touristik profitieren. Denn insgesamt stehe der Reisemarkt gut da.

Erste Wettbewerber bringen sich bereits in Stellung: Europas größter Reiseveranstalter Tui hat angekündigt, das eigene Angebot auszubauen und wirbt mit Rabatten und einem befristeten Verzicht auf Anzahlungen um Kunden des Konkurrenten. Da unklar ist, wie schnell die Zahlungen aus dem Reiseversicherungsfonds fließen, werden es sich viele Familien, die über FTI gebucht haben, aber zweimal überlegen, ob sie jetzt gleich über einen anderen Anbieter buchen. Tausende FTI-Kunden werden den Urlaub wohl streichen. Von daher ist es durchaus bemerkenswert, dass das Hasseröder Burghotel solche Kulanz zeigt.

Wenn Ihnen der Newsletter gefällt, empfehlen Sie ihn weiter. Hier geht es zur Anmeldung. Haben Sie Kritik oder Anregungen, dann schreiben Sie mir: [email protected]

Bis kommende Woche, herzlich Steffen Höhne

Weitere Wirtschaftsthemen der Woche aus Mitteldeutschland

Kohlemittel auch für Unternehmen

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will keine politischen Anstrengungen mehr unternehmen, den Kohleausstieg vorzuziehen. Die Fördermittel für den Strukturwandel sollen künftig auch an Unternehmen gezahlt werden. Die Länder haben das schon lange gefordert. (MZ)

Wacker eröffnet mRNA-Produktionswerk

100 Millionen Euro hat das Biotech-Unternehmen Wacker in Halle in eine Hightech-Produktion für mRNA-Wirkstoffe investiert. Sie sollen künftig als Impfung bei einer Pandemie helfen – und auch gegen Krebs. (MZ)

Das neue mRNA-Kompetenzzentrum von Wacker liegt am Weinbergcampus in Halle (Saale).  Produziert wird in Reinräumen.
Das neue mRNA-Kompetenzzentrum von Wacker liegt am Weinbergcampus in Halle (Saale). Produziert wird in Reinräumen.
Foto: Wacker

Pleite eines Hoffnungsträgers

Die APK AG aus Merseburg hat ein neues Recyclingverfahren für Kunststoffe entwickelt. Zwei neue Werke sollen gebaut werden. Warum die Firma jetzt Insolvenz angemeldet hat. (MZ)

APK betreibt bereits ein Recyclingwerk in Merseburg.
APK betreibt bereits ein Recyclingwerk in Merseburg.
Foto: APK AG

Corona kommt jetzt aus dem Harz

Die Hasseröder Brauerei stellt jetzt auch das mexikanische Kult-Bier Corona her. Das Bier wird für mehrere europäische Märkte hergestellt. Für den gebeutelten Harzer Traditionsstandort ist das eine gute Nachricht. (MZ)

LWB setzt wieder auf Platte

Die Plattenbauweise aus DDR-Zeiten kommt nach Leipzig zurück. Jedoch im neuen, schickeren Gewand. Der größte Vermieter LWB plant die ersten Wohnhäuser dieser Art für Grünau und Mockau. Außerdem baut er bald erstmals eine Flüchtlingsunterkunft. (LVZ)

1,75 Milliarden Euro für Leag

Die Leag betreibt große Braunkohle-Tagebaue und Kraftwerke in der Lausitz. Für den Ausstieg im Jahr 2038 erhält das Unternehmen nun 1,75 Milliarden Euro Entschädigung vom Bund. Mit dem Geld soll auch die Renaturierung bezahlt werden. (MZ)

Klimaneutraler Diesel an Tankstellen

Seit vergangener Woche kann hierzulande offiziell der neue Kraftstoff HVO100 getankt werden. Doch nur wenige Tankstellen bieten den fossilfreien Dieselkraftstoff bisher an. Das Familienunternehmen Hoyer ist ein Vorreiter. (MZ)

Sachsen will zwei Batterie-Zulieferer fördern

Das Leichtmetall Lithium ist vor allem für die Batterieherstellung von Bedeutung. In Sachsen sollen nun eigene Fertigungsstätten entstehen - um sich unabhängiger vom Weltmarkt zu machen. (MZ)

Haseloff fordert Pflichtversicherung

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff will Hausbesitzern eine Elementarversicherung vorschreiben. Handeln soll der Bund - ein Berliner Ministerium zeigt sich aber ablehnend. (MZ)

Millionenhilfe für Obstbauern und Winzer in Sachsen

Sachsens Regierung will Obstbauern und Winzern eine Hilfe von 20 Millionen Euro zahlen. Wegen des Aprilfrostes gibt es hohe Ernteverluste. Wie die Mittel verteilt werden sollen. (LVZ)