1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Sachsen-Anhalt
  6. >
  7. Kenia-Krise: Kenia-Krise in Sachsen-Anhalt: Spitzenpolitiker verlieren ihre Ämter

Kenia-Krise Kenia-Krise in Sachsen-Anhalt: Spitzenpolitiker verlieren ihre Ämter

14.11.2016, 16:08
Der zurückgetretene Wirtschaftsminister Jörg Felgner im Plenarsaal des Landtages von Sachsen Anhalt.
Der zurückgetretene Wirtschaftsminister Jörg Felgner im Plenarsaal des Landtages von Sachsen Anhalt. dpa-Zentralbild

Halle(Saale) - Ein Leitkommentar von MZ-Chefredakteur Hartmut Augustin zur Kenia-Krise.

Eene, meene muh und raus bist du... So leicht wie in diesem Kinderreim verlieren Spitzenpolitiker in Sachsen-Anhalt wenige Monate nach der Landtagswahl ihre Ämter. Erst stolperte Landtagspräsident Hardy Peter Güssau über die CDU-Wahlaffäre in Stendal und trat zurück, nun erwischte es Wirtschaftsminister Jörg Felgner von der SPD. Am Sonntag hat er seinen Rücktritt bekannt gegeben.

Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt hinterlässt miserablen Eindruck

Im Einzelfall mag das immer richtig gewesen sein. Doch mit ihrer Personalpolitik und den Affären hinterlässt die erste schwarz-rot-grüne Koalition in Deutschland einen miserablen Eindruck. Das, was zum Modellfall hätte werden können, und kurz Kenia-Koalition genannt wird, ist seit der Amtsübernahme vor allem mit sich selbst und dem Krisenmanagement beschäftigt.

Zeit zum Regieren blieb bisher kaum und deshalb schiebt diese Koalition die Probleme des Landes vor sich her, statt sie zu lösen. Sachsen-Anhalt hat in den vergangenen Jahren zwar bei den Themen Arbeitslosigkeit und Wirtschaftswachstum aufgeholt, doch gehört das Land bundesweit immer noch zu den Schlusslichtern. Wenn die Kenia-Koalition weiter wie in den zurückliegenden Monaten agiert, dann wird dieses Regierungsbündnis wohl die Amtszeit bis 2021 nicht überstehen.

Denn CDU und SPD haben sich so miteinander verhakelt, gegenseitig denunziert, attackiert und verletzt, dass es schwer fällt zu glauben, dass nun auf einmal damit Schluss sein wird.  Ob beide Parteien die brisante Gemengelage erkannt haben und die richtigen Schlüsse ziehen, muss sich schon bald  zeigen. Ministerpräsident Reiner Haseloff hat bisher jedenfalls nicht die Zügel in der Hand, um eine Deeskalation hinzubekommen.

Dabei wurde nach der Wahl am 13. März erstaunlich ruhig und professionell der Koalitionsvertrag ausgehandelt. Die Grünen hatten ihren Platz an der Seite von CDU und SPD gefunden. Doch mit der Personalsuche begann das Dilemma. Anstatt einen echten Neuanfang zu suchen, unbelastetes Spitzenpersonal mit Expertenwissen in Parlament und Regierung einzusetzen, wurden Parteifreunde mit Ämtern bedient, die nach Parteilogik einfach mal dran waren.

Sachsen-Anhalt: Eifersüchteleien in der CDU und in der SPD

So bekamen Hardy Peter Güssau und Jörg Felgner ihren Job. Dann begannen die Eifersüchteleien und Durchstechereien in der CDU und in der SPD und zwischen beiden Parteien. Wahlverlierer wollten sich rächen, Minister ihre Macht testen und der neue SPD-Landeschef Burkhard Lischka zeigen, wer neuer Herr im Hause ist. Lischka war im Fall Güssau und im Fall Felgner mit seinen Rücktrittsforderungen aus dem fernen Berliner Bundestagsbüro immer einer der  schnellsten. Es ist eine Situation entstanden, aus der wohl nur ein überparteilicher Mediator die Koalition herausführen kann, damit sie endlich das tut, wofür sie gewählt wurde: Sachsen-Anhalt nach vorn zu bringen.

Viel Arbeit, denn Sachsen-Anhalt hat zum Beispiel erheblichen wirtschaftlichen Nachholbedarf. Die anhaltend rückläufige Bevölkerungszahl, der  Fachkräftemangel und die große Aufgabe der Integration von Flüchtlingen stellen an den neuen Wirtschaftsminister oder die neue Wirtschaftsministerin ganz besondere Anforderungen. Bei der Suche nach einem Kandidaten oder einer Kandidatin geht deshalb Sorgfalt vor Schnelligkeit. Erfahrungen in der Wirtschaft und ein großes Netzwerk sind nötig, um Sachsen-Anhalt wichtige Impulse geben zu können.

Wenn die Kenia-Koalition jetzt aber auf die einfache Lösung setzt und einen im Amt sehr jungen Staatssekretär zum Minister befördert, dann zeigt das nur, dass wir auch an dieser Stelle einen Fachkräftemangel haben. (mz)