Ihm droht der Parteiausschluss Der umtriebige Herr Schmidt - wer ist der umstrittene AfD-Politiker aus Magdeburg?
Geschäfte mit E-Zigaretten und ein Kunst-Diamant in Magdeburg: Um den AfD-Mann Jan Wenzel Schmidt ranken sich viele Geschichten abseits der Politik. Wer ist der umstrittene Abgeordnete, der jetzt Probleme kriegt?

Magdeburg/MZ - Es gibt alte Fotos, auf denen ist die Welt des Jan Wenzel Schmidt noch in Ordnung. Das Sakko ist schlank geschnitten, eine Hand steckt in der Jeans-Hosentasche, Schmidt lächelt in die Kamera.
24 Jahre ist der Magdeburger jung, als dieses Foto 2016 in Sachsen-Anhalt die Runde macht. Schmidt zeigt sich Seite an Seite mit sieben AfD-Parteikollegen, dazu der Schriftzug: „Wir sind Deine Stimme!“ Kurz darauf wird die AfD mit sensationellem Ergebnis erstmals in den Landtag von Sachsen-Anhalt gewählt. Schmidt und seine Parteifreunde: Sie sind plötzlich Profipolitiker.
Fast zehn Jahre später scheint es jedoch vorbei mit den Freundschaften in der AfD. Schmidt sitzt mittlerweile im Bundestag, musste Anfang 2025 als Generalsekretär der Landespartei zurücktreten – und jetzt droht ihm sogar ein Parteiausschlussverfahren. Und Schmidt? Er droht nun seinerseits AfD-Kollegen an der Parteispitze mit der Offenlegung belastenden Materials. „Einige Akteure gehören auf die Anklagebank und nicht auf die Regierungsbank“, schreibt er in einem internen Brandbrief. „Niemand muss besorgt sein, dass ich jemanden vergesse.“
Jan Wenzel Schmidt war Chef der „Jungen Alternative“ Sachsen-Anhalt
Zwar gilt Schmidt mit 34 Jahren immer noch als junger Berufspolitiker, doch als Abgeordneter hat er bereits eine bewegte Geschichte hinter sich. Schon 2016 fällt der ausgebildete Kaufmann mit der blassen Haut in der Landespolitik auf. Schmidt ist zu dieser Zeit Chef der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ in Sachsen-Anhalt, sie gilt schon damals als Sammelbecken für stramm rechte Nachwuchskräfte.
Auch Schmidt macht klar, wo er weltanschaulich steht: Als Abgeordneter knüpft er Bande zur völkischen „Identitären Bewegung“, die 2019 vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird. Als Bundestagsabgeordneter stellt Schmidt 2022 einen Ex-Aktivisten der Gruppierung ein. Es ist ein verurteilter Gewalttäter.
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Zugleich zeigt sich schnell, dass Schmidt politisches Talent mitbringt. Ab 2016 fällt der Oppositionspolitiker im Landtag mit präzisen und unbequemen Fragen an die Regierung auf. Seine größten Auftritte hat er ab 2019, als er in einem von ihm maßgeblich angestoßenen Untersuchungsausschuss im Landtag fast im Alleingang Ungereimtheiten bei Lotto Toto Sachsen-Anhalt aufdeckt.
Mit kritischen Fragen an die Regierung legt Schmidt offen, dass eine Gruppe von Spielern in Zerbst (Anhalt-Bitterfeld) Gewinne in Millionenhöhe mit auffällig hohen Sportwetten-Einsätzen einfuhr. Die Lotto-Spitze hatte das durch eine Heraufsetzung des Limits erst ermöglicht.
Schmidt deckte fast im Alleingang Ungereimtheiten bei Lotto Toto auf
Beiden Lotto-Geschäftsführern wird gekündigt. „Der Kopf der dubiosen Machenschaften wurde entfernt, die Wurzeln stecken aber noch tief drin“, sagt Schmidt damals. Zu der Geschichte gehört aber auch dieses Detail: Schmidt hatte sich vor der Einsetzung des Untersuchungsausschusses selbst als Lotto-Bezirksleiter beworben – parallel zu seiner Abgeordneten-Tätigkeit. Den Job bekam er nicht.
Noch umtriebiger wird Schmidt dann als Abgeordneter im Bundestag, in den er 2021 einzieht. Nach und nach gibt es Berichte über mutmaßliche Nebenprojekte Schmidts, zeitgleich zu seiner Abgeordnetenarbeit. Es geht um E-Zigaretten – und angeblich auch um künstliche Diamanten. Immer saurer stößt AfD-Parteikollegen die Berichterstattung auf. Schmidt bestreitet indes, sich etwas zu Schulden kommen gelassen zu haben.
Es geht unter anderem um einen Bericht des Nachrichtenportals „t-online“. Laut den Investigativjournalisten soll Schmidt im November 2023 nach China gereist sein, um ein Unternehmen zur Herstellung synthetischer Diamanten zu besichtigen. Allein reiste Schmidt laut dem Bericht nicht: sondern mit dem mittlerweile aufgeflogenen und verurteilten chinesischen Spion Jian G., der auch jahrelang für den AfD-Politiker Maximilian Krah arbeitete. Laut „t-online“ soll der Spion Schmidt im Januar 2024 in einem Magdeburger Restaurant einen künstlichen Diamanten überreicht haben.
AfD-Mann Schmidt: „Geschäftliche Interessen in China habe ich nicht“
Zwar räumt Schmidt im Oktober 2025 auf MZ-Anfrage ein, dass er sich mit G. in Magdeburg getroffen habe. Aber: „Um Diamantenhandel ging es in dem Gespräch nicht, und er hat mir auch keinen Diamanten überreicht. Das ist einfach Quatsch.“ Zwar sei Schmidt 2023 mit Bewilligung der AfD-Fraktion auch sechs Tage in Shanghai gewesen. Der Politiker betont aber zugleich: „Geschäftliche Interessen in China habe ich nicht.“ Es sei möglich, dass Jian G. bei einem der Termine in Shanghai ebenfalls anwesend war, „aber er hat die Reise nicht organisiert“.
Noch mehr kritische Fragen stellen Schmidts AfD-Kollegen seit einem Bericht des „Spiegel“. Laut dem Nachrichtenmagazin sollen interne Dokumente nahelegen, dass Schmidt mehrere Mitarbeiter seiner Privatfirma als Minijobber in seinem Bundestagsbüro anstellte und ihnen so ein zusätzliches Einkommen verschaffte – und das auf Steuerzahlerkosten. Der „Spiegel“ wirft die Frage auf, ob Schmidts angeblichen Assistenten tatsächlich für ihn arbeiteten. Oder ob es sich womöglich um Scheinbeschäftigungen handelte.
Schmidt bestritt gegenüber dem Nachrichtenmagazin, dass es „irgendwelche Rechtsverstöße“ gegeben habe. Er habe keinen Anlass, sich zu „pauschalen und haltlosen“ Vorwürfen im Detail zu äußern. Laut „Spiegel“ erwarb Schmidt im Januar über eine Holding 50 Prozent der Geschäftsanteile einer Braunschweiger GmbH und stieg so ins E-Zigarettengeschäft ein. Kurz darauf soll Schmidt den Geschäftsführer und Miteigentümer dieser Firma als Minijobber in seinem Abgeordnetenbüro angestellt haben. Später sollen weitere Personen aus der Firma gefolgt sein.
Einigen in der AfD ist all das nun zu viel. Geht es nach ihnen, ist Jan Wenzel Schmidts Zeit in der Partei vorbei.