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  7. Halle-Attentäter vor Gericht: Neuer Prozess gegen Stephan B. startet in Magdeburg - Angeklagter wegen Geiselnahme in Haft

Halle-Attentäter nahm Geiseln Mit Video: Prozessstart gegen Stephan B. - Woher kam das Pulver für die Selbstbauwaffe?

Es ist der vielleicht größte Gerichtsprozess des Jahres in Sachsen-Anhalt: Der Halle-Attentäter Stephan B. muss sich wegen einer Geiselnahme im Hochsicherheitsgefängnis Burg aus dem Jahr 2022 verantworten. Welche Strafe dem Rechtsextremisten droht.

Von Jan Schumann Aktualisiert: 26.01.2024, 10:14
Der Halle-Attentäter Stephan B. muss sich ab Donnerstag erneut vor Gericht verantworten.
Der Halle-Attentäter Stephan B. muss sich ab Donnerstag erneut vor Gericht verantworten. (Foto: IMAGO/Christian Grube)

Halle/Magdeburg/MZ - Es herrscht Nervosität im Sicherheitstrakt des Magdeburger Landgerichts. Drei vermummte Einsatzkräfte einer Justizspezialeinheit haben Stephan B. gerade die Handschellen abgenommen, jetzt sitzen sie dem Rechtsterroristen im Nacken – Dienstwaffe griffbereit. Als der Angeklagte das erste Mal in diesem Prozess sprechen will und das Tischmikrofon zu seinem Mund dreht, ruft Richterin Simone Henze-von Staden sofort: „Halt!“ Die sensible Technik im Gerichtssaal habe das „überhaupt nicht gern“.

 
Am Donnerstag startete der zweite Prozess gegen den Halle-Attentäter Stephan B. (Kamera: Jan Schumann, Schnitt: Anna Lena Giesert)

Es herrscht Nervosität im Gericht – mal wieder. In den frühen Morgenstunden ist der Gefangene Stephan B. mit dem Hubschrauber nach Magdeburg geflogen und dann per Polizeikonvoi zum Gericht gefahren worden. An diesem Donnerstag beginnt der zweite Prozess gegen den Halle-Attentäter. Gegen jenen Mann, der 2019 die hallesche Synagoge mit Granaten und Schusswaffen stürmen wollte und zwei Menschen tötete.

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Allerdings geht es heute um den Häftling Stephan B.: Im Dezember 2022 nahm er laut Generalstaatsanwaltschaft Naumburg zwei Gefängnismitarbeiter als Geiseln, um aus dem Gefängnis in Burg (Jerichower Land) zu fliehen.

Und der Rechtsterrorist? Er will reden an diesem Morgen. Räumt die Vorwürfe ein, gesteht seine Fluchtpläne. „Ich habe versucht, das Gefängnis zu verlassen“, sagt der 32-Jährige gleich zu Beginn.

Stephan B. bastelte heimlich eine Waffe in seiner Zelle

Dann schildert der Mann aus Mansfeld-Südharz, wie er am 13. Dezember 2022 die Flucht aus dem modernen Gefängnis erreichen wollte. Laut Anklage greift sein Plan ab der Sekunde, in der ein Gefängnismitarbeiter ihn abends in die Zelle einschließen will: B. habe dem Beamten einen heimlich gebauten „Einzellader-Schussapparat“ ins Gesicht gehalten. „Meine Waffe ist geladen“, soll B. gesagt haben. „Es ist Zeit rauszugehen.“ Vieles wird sich in diesem Prozess noch um diese Waffe drehen, die B. heimlich aus Alltagsgegenständen in seiner Zelle baute. Obwohl – wie die Anklage betont – die Gefängnismitarbeiter seine Fähigkeit zum Waffenbau kannten. Auch beim Synagogen-Anschlag hatte er Selbstbauwaffen dabei.

An diesem ersten Prozesstag wird nun erstmals klar, welche Todesangst B.s Geiseln bei dessen Fluchtversuch auszustehen hatten: Denn B. behauptet gegenüber seinem ersten Opfer, er habe eine Maschinenpistole in der Hand. Eine „Kriegsfinte“, wie der Angeklagte nun einräumt – er habe sie gegenüber allen Beamten wiederholt, die auf dem vermeintlichen Weg in die Freiheit seinen Weg kreuzten.

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Der Terrorist schildert, wie er sich im Gefängniskomplex von seinen Geiseln mehrere Türen öffnen ließ, wie er die Außenanlage durchquerte und dann vor der Kfz-Schleuse stand. Immer wieder habe er Gefängnismitarbeitern zugerufen: „Weg! Sonst muss ich schießen!“ Mehrfach habe B. seine Geiseln zudem aufgefordert, schneller Richtung Ausgang zu laufen. Während er spricht, malt B. seine Route auf dem Haftgelände mit dem Finger auf den Tisch.

Der Terrorist beschreibt auch, dass die bedrohten Justizbeamten nicht alle Türen eigenständig öffnen konnten – endgültig scheiterte der Fluchtversuch vor der Kfz-Schleuse, die wegen technischer Sicherungen zu blieb. Zuvor hatte B. erneut Schüsse angedroht: „Ich zähle jetzt bis 20!“, kündigte er laut Anklage an. Einmal feuerte er Richtung Kfz-Schleuse, dann gab er auf, ließ sich festnehmen.

Höchste Sicherheitsstufe am Landgericht Magdeburg

Öffentlich bisher unbekannt ist das: Laut Anklage führte B. neben seiner Selbstbauwaffe aus Draht, Kugelschreiber-Teilen und Batterien auch zwei Patronen mit sich – eine im Lauf der Waffe, eine zweite in der Jacke. Der Terrorist erklärt am Donnerstag, die Hüllen habe er aus Füllerpatronen gebaut. Darin habe sich ein „Pulver“ befunden. Was für ein Pulver, fragt Richterin Henze-von Staden prompt, woher stammt es? „Berufsgeheimnis“, gibt B. trocken zurück. War es Schwarzpulver? Und wenn ja, wie konnte B. im eigentlich streng kontrollierten Haftalltag dieses Pulver ergattern? Das bleibt unklar, weil der Extremist dazu schweigt. Laut Anklage habe der Warnschuss jedenfalls einen „lauten Knall“ und „sichtbares Mündungsfeuer“ erzeugt. Vor Polizisten gab sich B. nach der Geiselnahme überzeugt: „Ich denke, sie ist tödlich.“

MZ-Themenseite: Anschlag von Halle

Ob er künftig weitere Fluchtversuche unternehmen werde, will Richterin Henze-von Staden nun von dem Gefangenen wissen. „Ich möchte mal sagen, dass jedes Lebewesen in Freiheit leben will“, sagt er. Die Staatsanwaltschaft zitierte zudem B.s Aussagen gegenüber Gefängnischefin Ulrike Hagemann nach der Tat: Er wolle „den Kampf der weißen Rasse fortführen“ – beim nächsten Mal wolle er es „besser machen“.

Und dann deutet B. im Prozess noch einen konkreten Grund für seinen Ausbruchsversuch an: Wenige Tage zuvor habe die Polizei „eine größeren Gruppe“ um einen Adligen festgenommen – offenbar meint B. damit die Reichsbürger-Terrorzelle um Heinrich XIII. Prinz Reuß, die Ende 2022 aufgeflogen war. Die Terroristen hatten einen Putsch geplant, inklusive Festnahme von aktuellen Regierungsmitgliedern. Wie genau ihn das anstachelte, lässt B. offen.

Am Montag sollen die ersten Zeugen im Prozess gehört werden.