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Boblas  Boblas : Fruchtbares Pflaster

Von Harald Boltze 01.10.2017, 13:34

Boblas - In seinem neuesten Buch „Rettet das Dorf!“ schreibt der Geografie-Professor der Uni Essen-Duisburg, Gerhard Henkel - von den Medien gern als „Deutscher Dorfpapst“ bezeichnet - über Landflucht. Darüber, dass viele Dörfer nur noch „Wohnort für Pendler, Arbeitslose und Rentner“ sind. Man mag dem Experten nicht widersprechen. Doch seine Erkenntnisse hat er sicher nicht am Boblaser Mühlenweg gewonnen. „Wir sind die wohl fruchtbarste Straße weit und breit“, meint Katy Nützmann. „Acht von 13 Boblaser Kindern wohnen hier“, sagt die Frau, in deren Bauch gerade das nächste Kind heranwächst. 33 Jahre ist Nützmann alt, Ärztin, politisch im Ortschaftsrat tätig, ehrenamtlich als Vorsitzende des Heimatvereins und im Gemeindekirchenrat. Nach aussterbendem Dorfleben klingt das nicht. Im Gegenteil: Katy Nützmanns Familie wohnt notgedrungen mit der ihrer Schwester zusammen. Denn leer stehende Höfe oder freies Bauland gibt es nicht, werden verzweifelt gesucht. Die Einwohnerzahl ist seit der Wende relativ konstant.

Dabei wissen die Bewohner des Naumburger Ortsteils, dass sie aus der Kernstadt nicht viel erwarten können. Die Mitarbeiter des Bauhofes tauchen immer seltener auf, wird, wie vielerorts, beklagt. Dass im August endlich der Fußweg zur Bushaltestelle erneuert wurde, wird schon dankbar aufgenommen. Ansonsten nehmen die Boblaser das Glück selbst in die Hand. Beispiele? Den Gutspark hat man als Gemeinde übernommen, damit es dort in puncto Grünpflege mal vorangeht. Für die Turmuhr der Kirche haben René Möller und Armin Friedel eine Automatisierung ausgetüftelt, dank der das tägliche Aufziehen entfällt. Spenden fürs Material wurden gesammelt. Genauso wie für die geplante Sanierung der Orgel und des Taufengels in dem schönen kleinen Gotteshaus aus dem 13. Jahrhundert. Auch um das Grün links und rechts des Mühlenwanderweges kümmern sich Anwohner. „Doch genutzt wird der Weg kaum noch“, erzählt der Boblaser Sascha Wehnert.

Viel Eigenarbeit steckt auch in der gerade erfolgten Renovierung von zwei Räumen im Dorfgemeinschaftshaus. Das Gebäude, das bis in die 60er Jahre als Schule genutzt worden war, stand zuletzt leer. Nun hat es der Verein „Dorfleben Boblas“ unter seine Fittiche genommen und eine hübsche Möglichkeit für Treffen und Feiern geschaffen. Trotz der Zweifel mancher Beobachter im Dorf. Katy Nützmann würde sich über ein paar mehr Mitglieder für den lediglich zwölfköpfigen Verein, der jüngst erst wieder den Herbstmarkt organisiert hat, freuen. Doch viele Boblaser sind schon an andere Vereine „vergeben“. Die Schützen etwa, die sich immer sonntags zum Training auf der Schießbahn treffen. Stolz erzählt Franz Gora, dass sein Vereinskollege Georg Friedel gerade Kreis-Schützenkönig geworden ist. Jedes Jahr im Juni steigt das eigene große Schützenfest. Auch einen großzügigen Saal samt Bar hat der nur noch 28-köpfige Club. Die Flachbauten waren übrigens das ehemalige Naumburger Lokal „Siedlungsklause“ und wurden 1992 in den Ortsteil gebracht.

Eine regelmäßig geöffnete Gastwirtschaft sucht man in Boblas hingegen vergeblich. Wo sich die Bewohner treffen? „Na höchstens bei Facebook“, scherzt der stellvertretende Ortsbürgermeister Werner Lenz. So ganz komplett geht das befürchtete Aussterben der Dorfkultur also auch an Boblas nicht vorbei. Dabei ist das mit Handyempfang und schnellem Internet so eine Sache. In manchen Straßen lahmt es. „Ich bekomme sogar LTE“, freut sich Neumühlenbesitzer Sascha Wehnert. Dagegen erzählt Werner Lenz, der mit Frau Barbara eine Ferienwohnung betreibt: „Meine Gäste setzen sich immer auf die Friedhofstreppe, um Empfang zu haben.“ Überhaupt merkt man bei einem Besuch schnell, dass man sich auf dem Land befindet. Ein Traktor fährt knatternd vorbei. Hunde und Hühner sind zu hören. Alle grüßen sich. Und jeder weiß, wann der erste und der letzte Bus anrollt. Die Eltern der jüngeren Kinder haben sich alle gegen die Naumburger Schweitzer- und per Ausnahmegenehmigung für die Sieglitzer Grundschule entschieden. 7.15 Uhr beginnt dort der Unterricht, 6.20 Uhr fährt in Boblas der Bus. Hier also ist das wahre Land der Frühaufsteher.

Auf der Straße treffen wir Hertha Bauer - ein Boblaser Original. 1958 zog sie der Liebe wegen von Löbitz hierher. Viele Jahre lang hat sie sich um die Kirche gekümmert, sie in Schuss gehalten. Nun fällt alles etwas schwerer. Altes Brot zum Hühnerfüttern hat sie in ihrem Rollator dabei.

Apropos dörflich: Was waren die einzigen zwei Einsätze der freiwilligen Feuerwehr in Boblas in diesem Jahr? Ein Hochwasser und eine ausgebüxte Kuh. 28 Mitglieder ist die Wehr stark. Bis zum Sommer hat es auch eine eigene Jugendfeuerwehr unter der Leitung von Katy Nützmann gegeben. Die aber wurde eingestellt: mangels Jugendlicher. Es zeigt sich: Vom Aussterben ist Boblas zwar weit entfernt, doch es braucht allerorts viel Eigeninitiative. Mit dem Mühlenweg hat man immerhin fruchtbares Pflaster.

Grüne Idylle am Boblaser Abschnitt des Mühlenwanderweges. Genutzt wird dieser von Radfahrern und Wanderern aber kaum noch.
Grüne Idylle am Boblaser Abschnitt des Mühlenwanderweges. Genutzt wird dieser von Radfahrern und Wanderern aber kaum noch.
T. Biel