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Kommentar zum Münsteraner AfD-Urteil Warum die AfD gewaltig unter Druck steht

Das Urteil von Münster zur Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz und die Auflösung des „Instituts für Staatspolitik“ in Schnellroda haben nur auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun.

Von Alexander Schierholz 13.05.2024, 18:30
Die Arbeit in Schnellroda dürfte weitergehen, meint unser Kommentator.
Die Arbeit in Schnellroda dürfte weitergehen, meint unser Kommentator. (Foto: MZ / Stedtler)

Halle/Schnellroda/MZ - Zwei innenpolitische Nachrichten vom Montag, die auf den ersten Blick wenig, auf den zweiten Blick aber sehr viel miteinander zu tun haben: In Münster entscheidet das Oberverwaltungsgericht, dass die AfD bundesweit weiterhin als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft werden und daher mit nachrichtendienstlichen Mitteln observiert werden darf. Und in Schnellroda verkündet der neurechte Vordenker Götz Kubitschek die Auflösung seines „Instituts für Staatspolitik“. Es ist das Aus für eine Institution, in der sich weite Teile eben jener AfD ihr geistiges Rüstzeug abgeholt haben – eine Art Ideologie-Tankstelle.

Es ist nicht zu erwarten, dass von Schnellroda künftig keine Impulse mehr für die AfD ausgehen. Kubitscheks Rückzug wirkt rein taktisch. Sein Institut ist als gesichert rechtsextrem eingestuft, also als noch ein Stück radikaler als die Partei, die bloß unter Extremismus-Verdacht steht. Kubitschek dürfte wissen: Als nächstes könnte ein Verbot kommen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat bewiesen, dass sie beim Kampf gegen die rechtsextreme Szene nicht zimperlich ist. Erst im September vorigen Jahres hatte sie kurz hintereinander die Neonazi-Gruppierung Hammerskins sowie die antisemitische und rassistische „Artgemeinschaft“ verbieten lassen.

Münster und Schnellroda zeigen: Die Wachsamkeit gegenüber den Feinden der Demokratie ist gewachsen. Und die Feinde der Demokratie wissen das

Sind Strukturen damit erst einmal zerschlagen, ist ein Neuanfang wesentlich schwieriger. Mit der Auflösung ist Kubitschek dem nun zuvorgekommen. Die Neugründung von Firmen und die Ankündigung, die Aufgaben seien „erledigt oder neu verteilt“, legen nahe: Die Arbeit dürfte weitergehen in Schnellroda – und damit auch die ideologische Betankung der AfD.

Was das mit dem Münsteraner Urteil zur Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz zu tun hat? Natürlich lassen sich die AfD und das „Institut für Staatspolitik“ nicht gleichsetzen. Und aus guten Gründen lässt sich eine politische Partei sehr viel schwerer verbieten als ein Verein. Münster und Schnellroda zeigen aber, wie sehr die rechte Szene insgesamt mittlerweile unter Druck steht, mitsamt der AfD. Wie sehr die Wachsamkeit gegenüber den Feinden der Demokratie gewachsen ist. Und dass die Feinde der Demokratie dies wissen.

Mit dem AfD-Urteil von Münster ist es wahrscheinlicher geworden, dass auch die Bundespartei als gesichert rechtsextrem eingestuft wird

Auch wenn die Münsteraner Richter betonen, es gebe keinen Automatismus hin zu einer nächsthöheren Einstufung durch den Verfassungsschutz: Mit ihrem Urteil vom Montag ist es wahrscheinlicher geworden, dass der Inlandsgeheimdienst nach den drei Landesverbänden in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen demnächst auch die Bundespartei als gesichert rechtsextrem einordnen wird. Dieser Schritt würde auch die politischen Hürden senken, ein Verbotsverfahren auf den Weg zu bringen. Die Debatte darüber, die in den zurückliegenden Wochen etwas abgeebbt war, dürfte schon jetzt wieder Fahrt aufnehmen.

Natürlich könnte sich die AfD auch gegen eine solche Hochstufung wieder juristisch wehren und würde das mit Sicherheit auch tun. Das ist ihr gutes Recht. Die Partei tut sich keinen Gefallen, wenn sie diesen Rechtsstaat, von dem auch sie profitiert, nun herabzuwürdigen versucht, wenn sie das Urteil einmal mehr als angeblichen Versuch diskreditiert, die Opposition mundtot zu machen. Von einem „Unrechtsurteil“ schrieb die AfD-Politikerin Beatrix von Storch auf der Plattform X, Sachsen-Anhalts Landeschef Martin Reichardt sieht in den Richtern „Erfüllungsgehilfen der Regierung“ – es sind Stimmen aus einer Partei, die sich gewaltig in die Enge getrieben fühlt. Der Verfassungsschutz wird das mit Interesse registrieren.