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Theaterstück Theaterstück: Gefangene im Rampenlicht

27.12.2002, 21:01

Naumburg. - "Geist, ich bin nicht mehr der Mensch, der ich ehedem war. Ich will ein anderer Mensch werden, als ich vor diesen Tagen gewesen bin", flehte Scrooge den dritten Geist auf Knien an. Die Szene ist Teil des Theaterstücks Eine Weihnachtsgeschichte nach der Erzählung von Charles Dickens, die am Freitag im proppenvollen Saal der Landeskirchlichen Gemeinschaft in Naumburg aufgeführt wurde.

Das Außergewöhnliche: Die 15 Darsteller und Mitwirkenden waren allesamt Gefangene der Justizvollzugsanstalt (JVA) Naumburg. "Es ist etwas Neues in der Geschichte der JVA", begrüßte Anstaltsseelsorger Ulrich Huppenbauer das Publikum. Gekommen waren zu der einmaligen Vorstellung Kinder und Erwachsene unter anderem aus der Domstadt, dem Burgenlandkreis sowie Anstaltsseelsorger aus Halle.

Was das Theaterstück soll? Sollten die Gefangenen nicht einfach ihre Strafe absitzen? Diese rhetorischen Fragen beantwortete Huppenbauer gleich selbst: "Auch die Haftzeit ist eine Zeit der Lebenszeit. Eine lange Haft bedeutet einen täglichen Kampf mit der möglichen inneren Abstumpfung." Mit dem Theaterstück würden die Männer ihren eigenen Geist wach halten, ihre Biographien mit den Brüchen und Katastrophen neu sehen. Wichtig sei auch, dass die Darsteller an dem Projekt Spaß hatten. Vor zwei Jahren legte der Anstaltsseelsorger mit den Gefangenen, die seine Bibelstunde besuchen, eine Art Grundstein für das Schauspiel. Damals führten sie zum Advent im Gefängnis ein Krippenspiel auf. "Wo sind denn nun die Gefangenen, haben die auch Ketten um", fragte danach leise ein kleiner Zuschauer ganz ungeduldig.

Indes kämpften kurz vor Beginn hinter dem Vorhang die ganz und gar nicht gefesselten Laienschauspieler mit ihrem Lampenfieber. "Der Weg nach vorne war schlimm und dann das Singen", gesteht Silvio. Als Dick - Scrooges alter Kamerad - kehrte er das Klassenzimmer aus und sang dabei: My bonnie lies over the ocean. Dabei ging ein belustigtes Raunen durch die Zuschauerreihen. Als Dick alle zum Mitsingen aufforderte, stimmten die meisten im Publikum mit ein.

Ein Teil der Gefangenen hatte Angst vor der eigenen Courage, doch was sie auf die Bühne brachten, konnte sich sehen lassen. Einen Anteil am Gelingen hatten der Regie führende Matthias Bega, Schauspieler im Ensemble Kolorit, und JVA-Sozialarbeiterin Katrin Knobloch als Produktionsleiterin. Nach einer Dreiviertelstunde Weihnachtsgeschichte senkte sich der Vorhang, erklang langanhaltender Beifall. "Es war eine Aufgabe, bei der man Anerkennung findet", resümierte Tontechniker Thorsten. Mit der Kollekte soll ein Fonds für ein Theaterprojekt in der JVA aufgebaut werden.