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Speed-Dating gegen Lehrermangel So ungewöhnlich wirbt das Land im Kreis Wittenberg jetzt um Lehrkräfte

Ein Speed-Dating in Wittenberg soll helfen, dem Lehrermangel im Landkreis entgegenzuwirken. Doch die Nachfrage ist verschwindend gering. Wer sich informiert und wie das überhaupt funktionieren soll.

Von Paul Damm Aktualisiert: 16.09.2023, 13:48
In der Rosa-Luxemburg-Schule in Wittenberg ist am Donnerstag zur Gewinnung von Seiteneinsteigern im Lehrerberuf eingeladen worden.
In der Rosa-Luxemburg-Schule in Wittenberg ist am Donnerstag zur Gewinnung von Seiteneinsteigern im Lehrerberuf eingeladen worden. (Foto: Thomas Klitzsch)

Wittenberg/MZ - „Speed-Dating“ kennen die meisten wohl eher aus der Partnersuche. Auch in der Lutherstadt hat es bei manchen nun „gefunkt“, wenngleich sich dieses Dating-Veranstaltungsformat des Landesschulamtes nicht an partnersuchende Singles richtet.

Vielmehr hatten Interessierte kürzlich die Chance, ihren potenziellen neuen Arbeitgeber kennenzulernen. Konkret ging es darum, Seiteneinsteiger für den Beruf des Lehrers zu gewinnen. Doch das Interesse für den Lehrerberuf war mehr als dürftig.

Gravierender Lehrermangel in Sachsen-Anhalt

Schon lange ist es kein Geheimnis mehr, dass das Land Sachsen-Anhalt mit einem gravierenden Lehrermangel zu kämpfen hat. Eine Vielzahl der Stellen ist unbesetzt; immer häufiger fällt Unterricht aus. „Die Not ist groß“, sagt Tobias Kühne, Pressesprecher des Landesschulamts in Sachsen-Anhalt. Er äußert ganz offen, dass man sich derzeit in einer Notlage befinde. „Wir brauchen Lehrkräfte und ausdrücklich auch Seiteneinsteiger, um den Unterricht abzusichern“, betont er.

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Zusammen mit dem Ministerium für Bildung hat das Landesschulamt diese Dating-Veranstaltung für potenzielle Lehrer organisiert – und das bereits mehr als 40 Mal in ganz Sachsen-Anhalt. Am Donnerstag konnten Interessierte in der Gemeinschaftsschule „Rosa Luxemburg“ in Wittenberg mit – möglicherweise ihren späteren Kollegen – in einen regen Informationsaustausch treten; und zumindest fachlich etwas flirten.

Positive Ergebnisse trotz Herausforderungen: Seiteneinsteiger als Bereicherung für Schulen

„Die Erfahrungen sind gut“, sagt Kühne. Schon mehr als zwei Dutzend neue Lehrkräfte konnten auf diesem Weg gewonnen werden. Auch in der Wittenberger Gemeinschaftsschule Rosa Luxemburg, an der diese Kennlernrunde zuletzt stattfand, ist man auf Seiteneinsteiger angewiesen.

Von etwa 20 Lehrkräften, die dauerhaft am Standort unterrichten, (zehn weitere arbeiten stundenweise) seien den Angaben der Schulleiterin Silvana Gries zufolge sechs Seiteneinsteiger. Ein weiterer fange demnächst an. „Wir sind bei weitem nicht voll besetzt“, offenbart Gries. Damit gehe es der Sekundarschule wie auch vielen anderen in der Region.

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Die Seiteneinsteiger, die teilweise akademische Qualifikationen vorweisen können, sind eine wichtige Stütze in der Wittenberger Schule. Besonders in der Anfangszeit würden sie von erfahrenen Lehrkräften an die Hand genommen, um ein Gefühl für die Arbeit mit Schülern zu erhalten und Arbeitsprozesse einzuschleifen.

„Sie schnuppern dabei auch bei sämtlichen Kollegen in den Unterricht rein.“ Wie Tobias Kühne hinzufügt, werden den Seiteneinsteigern auch Qualifikationsprogramme geboten, sodass „sie etwa das zweite Staatsexamen erwerben können und sogar verbeamtet werden“. Und spätestens dann seien sie keine klassischen „Seiteneinsteiger“ mehr, sondern mit einer ausgebildeten Lehrkraft gleichgestellt, ergänzt Kühne.

Berufliche Neuorientierung: Ein Perspektivwechsel

Die Nachfrage nach dem Veranstaltungsangebot ging am Donnerstagnachmittag aber eher gegen Null. In der ersten Stunde des Speed-Datings hatte sich lediglich eine Frau für eine berufliche Neuorientierung als Seiteneinsteigerin im Lehrerberuf informieren lassen. Andernorts würden teilweise bis zu 60 Teilnehmer an der Kennlernrunde Interesse zeigen, versichert Kühne.

Umso intensiver kümmerten sich Lehrkräfte und Schulleiterinnen und Schulleiter umliegender Grund- und Sekundarschulen um die Interessierte, die nun beruflich neu anfangen möchte: als Seiteneinsteigerin. Wie die Wittenbergerin erklärt, die derzeit im Bereich Veranstaltungsmanagement und Marketing tätig ist und daher unerkannt bleiben möchte, hat die Geburt ihres Kindes zum Umdenken geführt: „Man sieht ja immer wieder, dass es schwierig um die Bildung und die Zukunft der Kinder steht.“

Dem wolle sie mit einer Stelle als Seiteneinsteigerin entgegenwirken. Sie wünsche sich, wie wahrscheinlich viele Mütter, die bestmögliche schulische Betreuung für ihr Kind.

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Vom Studium zur Schule: Neue Wege in der Bildung

Wie die junge Frau durch die Gespräche an den Speed-Dating-Tischen erfahren hat, würde für sie eher eine Lehrstelle an einer Sekundarschule in Betracht kommen. Schließlich hat sie ein abgeschlossenes Archäologie- und Geschichtsstudium; könnte dann die Kinder theoretisch ab Klasse 5 im Fach Geschichte beschulen. Die ersten Gespräche am Donnerstag hätten bei der Wittenbergerin den Wunsch noch verstärkt, den Lehrerberuf zu ergreifen.

Auch Andreas Triebel schaute am Donnerstag kurz vorbei. Er ist gelernter Koch, hat bereits seinen Anstellungsvertrag als Lehrer an der Rosa Luxemburg unterschrieben. Unterrichten wird der Seiteneinsteiger ab Anfang Oktober dann das Fach Hauswirtschaft.