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Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Fratze grinst aus Stütze

Von STEFANIE HOMMERS 28.11.2010, 16:37

COSWIG/MZ. - Zusammen mit seinem Sohn und zwei weiteren Kollegen rückte der bekannte Restaurator zuletzt den Emporen und den sie stützenden Säulen zu Leibe. Behutsam haben die Fachleute Schmutz vergangener Zeiten entfernt, Mal-Schichten freigelegt, die blaue Grundfarbe wieder zum Leuchten gebracht und dabei auch noch so manche Entdeckung machen können.

Zum Beispiel jene Fratze, die sich im Inneren einer Stütze verborgen hatte. Es handelt sich um eine so genannte Drolerie. Der vom französischen Wort drôl (lustig) abstammende Begriff steht für eine Art mittelalterliche Karikatur - grotesk überzeichnete Darstellungen von Menschen, Fabelwesen und Tieren, die sich noch heute an zahlreichen Kirchen finden. Die farbenfrohe Fratze in St. Nicolai stammt höchstwahrscheinlich aus dem 16. Jahrhundert und soll nach den Vorstellungen des Restaurators als Blickfang und Zeugnis einer früheren Epoche freigelegt bleiben.

Am vergangenen Sonnabend informierte Körber Mitglieder des Fördervereins sowie interessierte Bürger über seine jüngsten Arbeiten am ältesten Gebäude Coswigs, das für Bürgermeisterin Doris Berlin zugleich "das schönste unserer Stadt" ist. Eine Schönheit romanischen Ursprungs, die im Laufe der Jahrhunderte ihr Antlitz im Inneren wie Äußeren immer wieder gewandelt hat, an der der Zahn der Zeit freilich schon deutlich nagte. Seit sie in den Jahren 2002 und 2003 als "Kirche des Jahres" Furore machte, haben sich zahlreiche Liebhaber und Unterstützer gefunden, die sich für die Restaurierung einsetzten und einsetzen. "Schritt für Schritt" komme man voran, so der Restaurator, der unter anderem auf Erfahrungen in Schloss Sanssouci in Potsdam oder der Dresdner Semperoper verweisen kann und auch für die Arbeiten am Wörlitzer Schloss verantwortlich zeichnet. "Wir haben ein Ziel, aber das muss nicht gleich morgen erreicht werden", unterstreicht Joachim Körber bei der Präsentation.

Zu den Zuhörern am Samstagvormittag gehörte auch der ehemalige Pfarrer der Gemeinde, Stephan Grötzsch. Er hatte die Sanierung der Kirche maßgeblich mit vorangetrieben und zeigte sich angesichts der jüngsten Entwicklung "optimistisch, dass das Begonnene fortgesetzt wird".

Dass es weitergehen kann, dafür sorgte nicht zuletzt Ludwig Rasp. Im Namen der Sparkassenstiftung Wittenberg überreichte er dem Förderverein einen Scheck in Höhe von 10 000 Euro. Der wurde sogleich an den hocherfreuten Vorsitzenden des Gemeindekirchenrates, Lutz-Dietrich Bethge, weitergegeben. Das Geld fließe selbstverständlich in die weitere Restaurierung, es sei "ein kleiner, großer Baustein, um weitermachen zu können", unterstrich Bethge. Es hilft dem Restaurator und seinem Team auch in Zukunft, behutsam Schicht für Schicht die Vergangenheit hervorzuzaubern und zugleich darauf zu achten, "dass ein stimmiges Ganzes" entsteht, das die Kirchenbesucher in Bann zieht durch eine gelungene Mischung von Vielfalt in Einheit, die aber nicht Einheitlichkeit ist, wie Joachim Körber deutlich machte.

Die Arbeit des Restaurators ziele schließlich immer mehr darauf ab, den verschiedenen Bauepochen jeweils zu ihrem Recht zu verhelfen und damit die Geschichte eines Gebäudes für die Gegenwart sichtbar zu machen.