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Historie in Gräfenhainichen Historie in Gräfenhainichen: Museum erhält Zuwachs

Von Ulf Rostalsky 13.04.2016, 07:09
Vereinsvorsitzender Roland Lück holt schon mal eine Wurst aus dem Räucherofen der kleinen Hausschlachterei, die im Vereinshaus Einzug gehalten hat.
Vereinsvorsitzender Roland Lück holt schon mal eine Wurst aus dem Räucherofen der kleinen Hausschlachterei, die im Vereinshaus Einzug gehalten hat. Thomas Klitzsch

Gräfenhainichen - August Reinhard würde sicher strahlen über die neue Errungenschaft mitten in Gräfenhainichen. Das Schlachthaus ist ein weiteres Puzzleteil für das Bild des Lebens in der Heidestadt um 1900. Reinhard war Schmied, Bauschlosser, Innungsobermeister: Kurzum ein umtriebiger Mann, der sein Reich zwischen Markt- und Friedrich-Ebert-Straße aufgeschlagen hatte. Genau dort, wo heute die Mitglieder des Vereins Historische Bauschlosserei und Schmiedewerkstatt mit Macht die Zeit zurückdrehen.

„Wir freuen uns, dass es jetzt auch ein Schlachthaus gibt“, erzählt Vereinsvorsitzender Roland Lück. Das neue Schmuckstück im Reinhardschen Anwesen ist ein Fall für Entdecker. Beile, Messer, Wannen, Waagen sind zu sehen. Ihre eigentliche Funktion erschließt sich oft erst auf den zweiten Blick. Aber genau das ist das Rezept des Vereins. Besucher sollen mit reichlich Neugier in das Gräfenhainichen vor mehr als 100 Jahren eintauchen und staunen.

Hausschlachterei war damals Standard in der Heidestadt. Beinahe in jedem Grundstück wurden Schweine gehalten. Wog das Borstenvieh zwei, drei Zentner, rückte seine letzte Stunde näher. „Der Termin mit dem Hausschlachter wurde gemacht“, erinnert Roland Lück. Aber was passierte dann? Die über Generationen feststehenden Rituale sind fast vergessen. Nur selten wird noch Vieh gehalten und daheim geschlachtet. „Wir wollen zeigen, wie es ging“, betont der Vereinschef und lädt zum Erkunden.

Das Schlachthaus ist komplett. Im großen Kessel kann Wasser zum Kochen gebracht werden. Das Bolzenschussgerät ist funktionsfähig. Leitern stehen bereit, um das Schwein aufhängen zu können. Messer sind geschliffen, auch die sogenannten Glocken zum Entfernen der Borsten fehlen nicht.

Den Gräfenhainichenern half ihr Bekanntheitsgrad und das anerkannte Engagement für die möglichst komplette Darstellung des Lebens und Arbeitens um 1900. Viele der Ausstellungsstücke stammen aus der Oranienbaumer Fleischerei Ponzki. Auch Gräfenhainichens traditionsreiche Fleischerei Ziemer saß mit im Boot. Von hier kam ein echter Schatz. „Wir haben die Chronik und das Innungsbuch der Gräfenhainichener Fleischerinnung bekommen“, freut sich Roland Lück. Wann genau Passagen aus den viele Seiten umfassenden Büchern öffentlich präsentiert werden können, lässt er offen. Vereinsmitglieder sind dabei, die Schriften ins heutige Deutsch zu übertragen. Das dauert.

Aber die Mitglieder des Vereins lassen nicht locker. Sie spannen sich vor den Karren und haben auch beim Schlachthaus gezaubert. Die Errungenschaft wirkt authentisch. Im Rauch hängen Wurst und Schinken, auf der Waage liegt ein saftiges Stück Fleisch. Harald Fehlberg hat bei der Gestaltung des Raumes viel Fingerspitzengefühl bewiesen. Fast wirkt es so, als stünde die nächste Schlachtung gerade bevor. Da rudert Roland Lück aber doch zurück. „Es bleibt bei der Präsentation. Geschlachtet wird hier nicht mehr.“ Dennoch macht er ein Angebot. Freunde der Bauschlosserei und Schmiedewerkstatt sind am 1. Mai eingeladen, das Anwesen zu besuchen. Ab 10 Uhr steigt der zünftige Frühschoppen. Zur offiziellen Eröffnung des Schlachthauses werden ab 14 Uhr Kaffee und Kuchen gereicht. (mz)