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MZ-Serie Ein Kredit zwingt Thomas Liebe mit 67 Jahren weiterzuarbeiten.

Von Klaus-Dieter Kunick 20.01.2017, 10:35
Sie bedient im Imbiss: Karola Kühmeier (links) reicht Roswitha Müller gerade das Essen herüber.
Sie bedient im Imbiss: Karola Kühmeier (links) reicht Roswitha Müller gerade das Essen herüber. Peter Lisker

Weißenfels - Der Familienname dient zugleich als Vorlage in der Speisezubereitung: Thomas Liebe kocht mit Liebe. Und so heißt auch seine gastronomische Einrichtung am Markt in Weißenfels - „Imbiss Liebe“. Egal ob Bauernfrühstück, Nudelsuppe oder Fischgerichte - der Weißenfelser trifft den guten Geschmack seiner Kunden, die ihrerseits alle Gerichte loben. „Besser kann ich es auch nicht machen“, sagt beispielsweise Roswitha Müller, die fast jeden Tag zum Essen kommt.

Soweit betrachtet, ist die Welt durchaus in Ordnung. Aber: Es bleibt natürlich die Frage, warum ein 67-Jähriger noch immer in der Küche steht und kocht? Die meisten Frauen und Männer in seiner Altersklasse genießen ihr Leben, verreisen in die weite Welt oder widmen sich ihrem Hobby.

"Keine andere Wahl", so der Weißenfelser Imbissbetreiber Thomas Liebe über seinen Vollzeitjob im Rentenalter

Anders geht es bei Thomas Liebe zu. „Ich habe gar keine andere Wahl, als weiterzuarbeiten“, berichtet er. Nach der Wende kaufte er zusammen mit seinem Cousin das Haus am Markt und baute die Räume im unteren Bereich des Gebäudes zu einem Imbiss um. Als er das Objekt, das einst eine Bäckerei und anschließend ein Fleischergeschäft beherbergte, Anfang der 1990er Jahre übernahm, habe er ziemlich viel an Kraft, Zeit und Geld investieren müssen, um überhaupt etwas daraus machen zu können. „Es sah baulich ziemlich schlimm aus.“

Doch nach und nach habe sich die Situation verbessert. Zwar erhalte er bereits Rente in Höhe von 605 Euro, aber den Kredit für seine Wohnhaushälfte müsse er wohl oder übel noch abzahlen. Sein Verschulden sieht er darin, gleich nach der Wende nicht in die Rente eingezahlt zu haben. Das so „eingesparte“ Geld nutzte er, um den Kredit zu bedienen. Hätte er in die Rente eingezahlt, hätte das Geld wiederum für die Tilgung des Kredits gefehlt.

Er kann es drehen und wenden wie er will - irgendwie reicht es eben nicht. Seit dem Erwerb der Immobilie sei er jedoch schon ein großes Stück vorangekommen mit der Rückzahlung, die aber noch einige Zeit in Anspruch nehme. Solange er könne, wolle er hier in der Küche weiter kochen, berichtet der Weißenfelser, der nach der zehnten Klasse den Beruf eines Schlossers in der ehemaligen Schuhfabrik „Banner“ erlernte.

Doch wie vor vielen, die nach der Wende ihren Job verloren, stand auch vor Thomas Liebe die Frage: Wie soll es weitergehen? Da sein Vater von Beruf Koch war, „sattelte“ Thomas einfach um - gemeinsam mit seinem Vater wurde fortan der Imbiss betrieben. „Von ihm habe ich auch das Kochen erlernt“, ergänzt er.

Trotz Knochenjob: Die Arbeit im Imbiss erfüllt Thomas Liebe

Ihm zur Seite stehen Karola Kühmeier und Rosmarie Böttcher - ohne sie würde das Geschäft nicht laufen. Gut 50 Gerichte, einschließlich Suppen, gehen wochentags über den Tresen. Gefragt seien Gulasch, aber auch Soljanka werde gern gegessen. „Wir würden gern Rostbratwürste vom Rost anbieten, aber das wurde nicht gestattet.“ Die besten Tage seien der Montag, Mittwoch und Freitag. Zu den Markttagen dienstags und donnerstags sei nicht so viel los. „Dann essen viele mal eine Roster.“

Er freue sich, dass es einen festen Kundenstamm gebe, der zum Essen komme. „Ich arbeite gern, es macht mir Spaß“, erzählt Thomas Liebe, der kürzlich gesundheitlich einiges wegstecken musste: Erst machte ihm ein Herzinfarkt zu schaffen, ihm mussten in der Weißenfelser Klinik zwei Stents gesetzt werden. Danach plagte ihn eine schmerzhafte Erkrankung am Bein.

Das lange Stehen mache ihm vor allem zu schaffen. Immerhin gehe es morgens gegen 8 Uhr los und erst gegen 19 Uhr sei zumeist Schluss. Und was ist mit Urlaub? Mehr als 20 Jahre lang habe er keinen gemacht. Das Geschäft gehe nun einmal vor. Sagt’s und lächelt freundlich vor sich hin.

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(mz)