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25 Prozent betroffen Rasante Zunahme der Altersarmut ab 2020 in Deutschland erwartet

Von Stefan Sauer 23.08.2016, 13:22
Laut Prognose wird die Altersarmut ab dem Jahr 2020 rasant ansteigen. Bis zu 25 Prozent der Rentner könnten betroffen sein.
Laut Prognose wird die Altersarmut ab dem Jahr 2020 rasant ansteigen. Bis zu 25 Prozent der Rentner könnten betroffen sein. dpa-Zentralbild

Immer mehr Menschen sind auf die Grundsicherung im Alter angewiesen. Ende 2005 erhielten 343.000 Menschen Grundsicherungsleistungen, neun Jahre später waren es 512.000, derzeit sind es bereits rund 540.000. Und das ist nicht alles.

Rasante Zunahme der Altersarmut erwartet

Nach Einschätzung des Sozialverbands Deutschland (SoVD)  werden Langzeitarbeitslosigkeit, Niedriglöhne und prekäre Beschäftigungsverhältnisse von 2020 an zu einer rasanten Zunahme der Altersarmut führen. Bis zu einem Viertel der künftigen Rentenbezieher werden laut SoVD dereinst Grundsicherung beziehen – es sei denn, die Bundesregierung schlüge eine neue Richtung in der Rentenpolitik ein.

Die Vorschläge, die  der SoVD dazu am Dienstag unterbreitet hat, gehen über bloße Kurskorrekturen weit hinaus. Sie bedeuten nicht weniger als die vollständige Abkehr von den Rentenreformen der vergangenen 20 Jahre: Der Nachhaltigkeitsfaktor, der den Anstieg der Renten abbremst, gehöre abgeschafft; um Rentenniveauverluste aus den vergangenen Jahren auszugleichen, müssten die Renten mehrere Jahre lang außerplanmäßig stärker steigen.

Für Hartz-IV-Empfänger solle der Staat 50 Prozent des Durchschnittsbeitrags an die Rentenkasse abführen, die Mütterrente sei abermals um sieben Milliarden Euro aufzustocken, für bereits zurückliegende Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit und Niedriglohnbeschäftigung müssten nachträglich Mindestentgeltpunkte angerechnet werden. Zudem sei der Mindestlohn auf wenigstens 11,60 Euro pro Stunde anzuheben, um nach 45 Beitragsjahren zumindest das Grundsicherungsniveau erreichen zu können.

Steuern für Reiche als Finanzierungsquelle

Finanziert werden soll das Gesamtpaket mit  einem Volumen von mindestens 35 Milliarden Euro pro Jahr fast ausschließlich aus Steuermitteln. Dazu schlägt der Sozialverband Erhöhungen des Einkommenssteuerspitzendsatzes und der Kapitalertragssteuer sowie die Wiederbelebung der Vermögenssteuer vor.

Den Einwand, die Erfüllung der  Wunschliste gehe auf Kosten der jüngeren Generationen, die all die Wohltaten schließlich bezahlten müssten, lässt SoVD-Präsident Adolf Bauer nicht gelten: Wer so argumentiere, sei der Angstmacherei  „interessierter Kreise“, namentlich dem Arbeitgeberlager und der Versicherungswirtschaft, auf den Leim gegangen: Steigende Produktivität und höhere Frauenerwerbstätigkeit glichen die demografischen Verschiebungen  - mehr Rentenbezieher, weniger Erwerbspersonen – nämlich aus und machten die Kürzungspolitik der Vergangenheit unnötig.

So einfach ist die Sache indessen nicht. Denn die bedeutsamen demografischen Veränderungen stehen noch bevor. Wenn die geburtenstarken Babyboomer zwischen 2020 und 2030 aus dem Arbeitsleben aus- und in den Rentenbezug einsteigen, geraten die Rentenbeiträge unter Druck, zumal  die Arbeitsproduktivität seit Jahren kaum mehr wächst und auch die Frauenerwerbstätigkeit nicht beliebig ausgeweitet werden kann.

Schlicht ein Gebot der Gerechtigkeit

Ungeachtet manch argumentativer Schwäche enthält der SoVD-Forderungskatalog zwei überaus bedenkenwerte Vorschläge: Durch Arbeit erworbene Rentenansprüche wie auch Leistungen aus der Riesterrente sollten nicht länger vollständig mit der Grundsicherung verrechnet, sondern teilweise zusätzlich ausgezahlt werden. Außerdem müsse die beschämend niedrige Erwerbsminderungsrente für Menschen mit gesundheitsbedingter Berufsunfähigkeit deutlich angehoben werden.

Diese beiden Forderungen ließen sich nicht nur finanzieren, sie sind schlicht ein Gebot der Gerechtigkeit.