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Sticheleien im «Club der flotten Nadeln»

Von Ingrid Semmler 26.01.2005, 17:31

Roßla/MZ. - Ins Leben gerufen hat die Handarbeitsgruppe Martina Jeschke, Erzieherin in der Roßlaer Kindertagesstätte. Sie selbst hat die Hardanger-Stickerei von ihrer Mutter gelernt und konnte schnell nicht mehr davon lassen. "Das ist kein Spaß, das ist eine Sucht", sagt Martina Jeschke über ihr geliebtes Hobby: "Den Faden noch, die Ecke noch und noch die. Ich kann einfach nicht aufhören."

Irgendwann kam ihr dann der Gedanke, nach Gleichgesinnten zu suchen. Nach und nach fanden sich die Frauen, die entweder schon vom Hardanger-Fieber befallen waren oder angesteckt wurden. Und alle freuen sich auf ihren gemeinsamen Dienstagabend mit Sticken und Plaudern im Vereinszimmer von "Tölles Eck". Dabei tauschen sie nicht nur Kenntnisse, Erfahrungen und Tricks aus, sondern auch neue Vorlagen und Ideen. Abgucken bei der Nebenfrau ist erwünscht. "So lernt man immer wieder etwas Neues", ist sich die Runde einig. Und ihren Spaß hat die fröhliche Runde auch.

Sogar zu zweit an einem Stück wurde schon gestickt. "Das geht nur, weil ich Linkshänderin bin", erklärt Annelie Seeger verschmitzt: "Da kommt man sich trotzdem nicht ins Gehege."

Wer selbst Handarbeiten macht, kann sich vorstellen, wie viel Arbeit hinter der aufwändigen Stickerei steckt. Uschi Junker zum Beispiel ist fast fertig mit einem Läufer fürs Sideboard - 170 Zentimeter lang und 40 Zentimeter breit. Drei Wochen, täglich sechs bis acht Stunden, hat sie daran gearbeitet. Unbezahlbar! Aber zum Verkaufen sind die kostbaren Stücke auch nicht gedacht. Die Angebote auf dem Roßlaer Weihnachtsmarkt waren da die Ausnahme. Sonst wird für das eigene Heim gestickt oder zum Verschenken an Freunde und Verwandte. "Sie werden alle beglückt, auch wenn jedes Mal ein bisschen Herzblut mit weggeht. Aber ich verschenke die Stickarbeiten gerne, wenn ich weiß, dass sie geschätzt werden", sagt Alrun Ludwig.

Zur Handarbeit kommen die Materialkosten, die auch nicht ohne sind. Für 50 Gramm von dem Hardanger-Stickgarn sind zwischen 6,60 und zwölf Euro fällig. Ein Meter von dem leinenbindigen Gewebe (1,40 Meter breit), das nicht einläuft, kostet auch zwischen 26 und 28 Euro, berichten die Frauen. Kein Wunder, "dass jedes Häppchen Stoff verarbeitet wird", wie Irmgard Meinicke sagt: "Aus den Resten lassen sich noch schöne Deckchen oder ausgefallene Formen wie Blüten, Schmetterlinge, Ostermotive oder Sterne, Glocken und Engel für Weihnachten, aber auch Untersetzer herstellen."

"Die Technik selbst ist nicht schwer", behauptet Frau Jeschke: "Die Grundlagen sind in zwei Wochen erlernbar, die Feinheiten kommen dann Schritt für Schritt. Bis das mit Plattstickerei geschaffene Gerippe steht, muss man sich konzentrieren, lieber einmal mehr als einmal zu wenig zu zählen, ja keinen Faden auslassen. Aber dann lässt sich prima dabei plaudern." Ganz "nebenbei" entstehen so in der Runde - und in fleißiger Heimarbeit - wertvolle Tischdecken, Läufer, Deckchen, Kissen, Serviette oder sogar Gardinen. Meistens wird Ton in Ton in zarten Pastelltönen, bevorzugt aber in Weiß oder cremefarben gearbeitet. Aber auch vor Kontraste scheuen sie sich nicht: So sind zum Beispiel für die Adventszeit roter Stoff und grünes Garn der Renner.

Alle Clubmitglieder schwören auf das Sticken zum Entspannen. Der Bewunderung für ihre Arbeit können sie sich auch sicher sein. So erzählt Annelie Seeger: "Sogar mein Mann findet das toll. Nur wenn ich fluche, weil ich mich verzählt habe, dann fragt er immer, ob ich wieder rückwärts sticken würde."

Wer Lust auf Hardanger-Stickerei bekommen hat, ist mit jedem Alter im Roßlaer "Club der flotten Nadeln" willkommen. Treff ist dienstags von 16.30 Uhr bis 18.30 Uhr im Vereinszimmer von "Tölles Eck" in Roßla.