1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Quedlinburg
  6. >
  7. Gericht stoppt den Fiskus

Gericht stoppt den Fiskus

Von DETLEF HORENBURG 22.04.2009, 17:58

QUEDLINBURG/MZ. - Beim Zweckverband Wasserver- und Abwasserentsorgung Ostharz Quedlinburg (ZVO) sind es zehn pro Woche. Insgesamt sind allein bei diesen beiden Verbänden über 200 Widersprüche aufgelaufen. Die Kunden verlangen ihre zu viel berechnete Mehrwertsteuer für neue oder ausgetauschte Trinkwasserhausanschlüsse zurück.

Doch die Versorger treffe keine Schuld an der Misere. "Wir haben nur die Anordnung des Bundesfinanzministeriums umgesetzt", bestätigten Lutz Günther, ZVO-Geschäftsführer, und TAZV-Chef Karl-Josef Hahner. "Das ist kein Harzer, sondern ein bundesweites Problem", weiß auch Peter Mauer, Leiter der Geschäftsstelle des Wasserverbandstages Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt gegenüber der Presse zu berichten. Doch worum geht es? Für Trinkwasser gilt der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. Bis 1999 galt dies auch für das Legen oder Auswechseln des Hauswasseranschlusses. Mitte 2000 aber wies das Bundesfinanzministerium an, den vollen Satz zu kassieren: zunächst 16 Prozent und ab 2007 dann 19 Prozent. Dort stellte man sich auf den Standpunkt: Bauleistungen für Trinkwasserhausanschlüsse gehören nicht zur Wasserlieferung und unterliegen damit nicht dem ermäßigten Steuersatz. Der Kunde zahlte, der Versorger mussten die Steuer wie üblich ans Finanzamt abführen.

Gegen die Erhöhung erhob der sächsische Trinkwasserversorger Torgau / Westelbien Klage und gewann. Nach acht Jahren im Oktober 2008 urteilte der Bundesfinanzhof: Der Bau von Trinkwasserhausanschlüssen oder das Auswechseln gehören sehr wohl zur Wasserlieferung. Seit 2009 - nachdem das Urteil den Versorgern bekannt wurde - gelten somit wieder sieben Prozent in den Gebührenbescheiden.

Doch was ist mit den Alt-Fällen? Zwischen 2000 und 2008 hatten allein bei diesen beiden Verbänden mehr als 5 500 Häuslebauer - in Sachsen-Anhalt allein 32 000 - für ihren Trinkwasseranschluss zu viel Steuern berappt. "Wir würden ja die zu viel gezahlten Steuern gern zurückzahlen, aber wovon und auf welcher Grundlage", kritisierten beide Geschäftsführer, dass das Bundesfinanzministerium die Versorger im Regen stehen lässt - aber die höhere Mehrwertsteuer acht Jahre lang eingestrichen hat. Da klingt es wie Hohn: "Es liegt an den Wasserversorgern, ob die Kunden Geld zurückbekommen." Diese Aussage aus Berlin und Magdeburg halten sie daher für unverantwortlich. Deshalb müsse das Finanzamt sagen, wie das Geld an die Bürger zurückzuzahlen sei, die Widerspruch eingelegt haben. Das gilt auch für die Fälle, wo die Gebührenbescheide schon älter als vier Jahre sind und so, wie es im Amtsdeutsch heißt, schon Bestandskraft haben, weist Peter Mauer auf ein weiteres Problem hin.

"Sollten wir wirklich die Rückzahlungen vornehmen müssen - falls geklärt woher -, sind wir damit personell völlig überfordert", erklärte Josef Hahner. Sein Quedlinburger Kollege rechnet nach: Bei 4 500 Gebührenbescheiden allein beim ZVO wäre damit nur eine Mitarbeiterin mindestens zwei Jahre beschäftigt, legt man eine Bearbeitungszeit von einer Stunde pro Bescheid zugrunde. Auf alle Fälle raten beide Geschäftsführer, formlosen Widerspruch gegen die erhöhte Steuer bei den zuständigen Versorgern einzulegen. Bis zur Klärung der Rückzahlungsmodalitäten bekämen die betroffenen Bürger zumindest einen Zwischenbescheid.

Im Bundesfinanzministerium lehnt man sich indes gelassen zurück: "Die Regelung zum ermäßigten Steuersatz betrifft allein das Verhältnis zwischen Wasserversorgungsunternehmen und Finanzamt", wie Oliver Heyder-Rentsch, Pressesprecher des Bundesministerium der Finanzen, gegenüber der MZ äußerte.

"Voraussetzung für die Erstattung an den Kunden ist, dass der Wasserversorger zuvor die ursprünglich erteilte Rechnung berichtigt", teilte Uwe Mohler vom Finanzamt Quedlinburg mit. Ob der Wasserversorger einer Berichtigung zustimmt, richtet sich nicht nach den steuerlichen Vorschriften, sondern nach dem Zivil- und Verwaltungsrecht. Erst nach Erteilung einer berichtigten Abrechnung könne die zu viel gezahlte Steuer vom Finanzamt an den Wasserversorger erstattet oder verrechnet werden.