Zwischen zwei Jubiläen Zwischen zwei Jubiläen: Dietmar Kurchs Dachdeckerfirma aus Köthen besteht seit 25 Jahren
Köthen - Ein Jubiläum hat er hinter sich, ein anderes steht noch bevor - und beide sind miteinander verknüpft. Nur die Abfolge ist ungewöhnlich: Denn Dietmar Kurch hat vor 25 Jahren sein Bedachungsunternehmen schon gegründet, bevor er seine Meisterprüfung abgelegt hatte; umgekehrt wäre normal.
Aber Dietmar Kurch hat es schon immer geliebt, nicht mit dem Strom zu schwimmen. Sein eigenes Ding zu machen. Auch mal anzuecken. Was man sich aber nur leisten kann, wenn man das, was man macht, auch richtig gut macht. Dächer zu decken, beispielsweise.
In der PGH „Aufwärts“ war Dietmar Kurch zu DDR-Zeiten schnell zum Jugendbrigadier avanciert. „Bis Berlin waren wir unterwegs. Wir haben an Vorzeigeobjekten für die Genossenschaft die Kastanien aus dem Feuer geholt“, blickt Kurch zurück auf eine Zeit, in der der Dachdecker die ewigwährenden Materialengpässe durch besondere Fähigkeiten kompensieren musste.
„In Köthen gibt es fast kein Dach, auf dem wir als Brigade damals nicht gestanden hätten“
„In Köthen“, sagt Kurch, „gibt es fast kein Dach, auf dem wir als Brigade damals nicht gestanden hätten.“ Zumindest keins der großen öffentlichen Gebäude: Kurch hat auf dem Dach des Rathauses ebenso gearbeitet wie auf der Jakobskirche, dem damaligen Rat des Kreises (heute wieder Lutzeklinik), den Häusern der Hochschule und und und. Dietmar Kurch war in seiner Zeit als Brigadier immer wieder aufgefordert worden, sich zum Meister ausbilden zu lassen. „Zehn Jahre lang habe ich mich erfolgreich dagegen gewehrt“, sagt er. „Ich war glücklich auf der Baustelle.“
Nach der Wende wurden die Karten neu gemischt. Und relativ schnell musste Kurch registrieren, dass für ihn ein Weiterkommen in der PGH bzw. ihrer Nachfolgeeinrichtung nicht gegeben war. „Die waren auf dem absteigenden Ast“, sagt der Dachdecker lakonisch. Kurch zog an der Reißleine. Arbeitete noch bei zwei anderen Firmen. Und stellte schnell fest: „Das kannst du allein besser machen.“ Als Selbstständiger.
Das Personal bereitet Dietmar Kurch heute größere Sorgen als früher
Kurch drückte nun doch die Schulbank, um sich den notwendigen Meisterbrief zu verdienen, „in Halle, das war die härteste Meisterschule in der DDR und so kurz nach der Wende war das immer noch so“. Und Dietmar Kurch baute gleichzeitig mit einem Kompagnon aus Bernburg, der später wieder ausstieg, seine Firma auf. Durchaus schon in großem Stil: „Ich habe einen Teil meiner Kollegen mitgenommen. Schon am Anfang waren wir zehn, zwölf Leute im Unternehmen.“
Später waren es in der Spitze 30. Das Personal bereitet Kurch heute größere Sorgen als früher - es fehlt an Fachleuten; Dachdecker, Experten für Holz und vorgehängte Fassaden. „Die suchen wir händeringend. Das ist in den letzten Jahren immer schlimmer geworden. Obwohl hier selbst Quereinsteiger 13,60 Euro Stundenlohn bekommen.“
Dass der Start ins eigene Geschäft 1995 nahezu reibungsfrei verlief, so Kurch, sei auch darauf zurückzuführen, dass er durch die Jahre auf den Baustellen zahlreiche Verbindungen hatte, viele Kunden aus DDR-Zeiten kannte. „Und die kannten mich.“
Montage spezieller Fassaden unter anderem auch für Xavier Naidoo
Dennoch sei es nicht ausgeblieben, dass das Firmenschiff nach dem Nach-Wende-Boom auch mal in schwereres Wasser geriet. Wo es auch schwieriger wurde, die Zahlungen pünktlich durchzusetzen, selbst wenn die öffentlich Hand als Auftraggeber agierte, war das nicht ausgemacht. „Ich habe aber immer so gewirtschaftet, dass ich auch mal nicht so günstige Zeiten überstehen konnte.“
Zum einen dadurch, dass man den Aktionsradius weiter ausdehnte - bis nach Hamburg, Dresden oder Mannheim. Zum anderen dadurch, dass Kurch frühzeitig sein Angebot erweitert hat. Die Firma lebt längst nicht nur vom Dachdecken, sondern hat sich auf die Montage hinterlüfteter vorgehängter Fassaden spezialisiert. Zum Beispiel das Haus von Xavier Naidoo in Mannheim habe man damit ausgestattet oder das Landesarchiv in Magdeburg.
Viele besondere Baustellen in den vergangenen Jahrzehnten
Nicht nur diese beiden Baustellen sind Kurch im Gedächtnis geblieben. Auch am Nashornhaus im Leipziger Zoo waren seine Leute zugange, und später an der Südamerikaanlage. Der Kopfbau der Red-Bull-Arena steht in den Annalen der Firma ebenso wie die Nikolaikirche in Berlin oder gerade eben das Gymnasium in Wittenberg mit 1.600 Quadratmeter Schieferdeckung.
Zu jedem Objekt könnte Dietmar Kurch Anekdoten erzählen. Und täglich kommen neue Anekdoten dazu - allein derzeit sind mehr als ein Dutzend Baustellen durch die Firma zu bedienen, „und wir haben keine einzige wegen Corona einstellen müssen“.
Und ab und zu geht Dietmar Kurch, der die 60 schon hinter sich hat, selbst noch mit aufs Dach hinauf. Denn es gilt immer noch: Das Glück liegt auf der Baustelle. (mz)