MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 10. Juli 2025 Ladendiebstahl: Händler bezeichnet Situation „katastrophal“
Weitere Themen: Dow schließt Chemie-Werke / Post schafft Zustellung nicht / Reiche werden reicher / Behörden wachsen weiter / Keks-Fabrik investiert kräftig

Kameras, Ladendetektive, Wachschutz – das sind Dinge, die aus dem Einzelhandel nicht mehr wegzudenken sind. Ein Händler aus Merseburg berichtet meiner Kollegin Celina Chasklowicz von seinen Erfahrungen. „Das ist die größte Katastrophe derzeit, die es überhaupt gibt, um es mal vorsichtig zu formulieren“, sagt Volker Griese, Betreiber der gleichnamigen Edeka-Filiale in Merseburg-Süd. Der Laden arbeitet mit einem System, das Produkte automatisch nachbestellt, wenn diese verkauft werden.
„Stehen die Sachen nicht mehr im Regal, sollen jedoch laut System noch da sein, dann wissen wir, dass sie gestohlen wurden.“ Vor noch fünf oder zehn Jahren hätten die Diebstähle jährlich etwa 20.000 Euro Schaden angerichtet. „Das war damals schon viel für uns.“ Heute liege die Edeka-Filiale bei 120.000 Euro im Jahr.

Die Filiale ist keine Ausnahme. Ladendiebstahl in Deutschland hat einer Studie des Forschungsinstituts EHI zufolge erneut zugenommen. Im Jahr 2024 haben Kunden Waren im Wert von rund 2,95 Milliarden Euro gestohlen. Das waren 4,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Gesamtschaden steigt damit das dritte Mal in Folge und erreicht einen Höchststand.
„Es gibt immer mehr Leute, die sich bestimmte Produkte nicht mehr leisten können oder wollen – auch aus Protest gegen die Preise“, sagt EHI-Experte und -Studienautor Frank Horst. „Immer häufiger klauen auch Senioren und Familien.“
Für die Studie befragte das EHI 98 Unternehmen mit insgesamt 17.433 Geschäften zu ihren Inventurdifferenzen. Beliebt bei Dieben sind vor allem alkoholische Getränke, Markenkleidung, Sneakers, Elektrogeräte sowie Tabakwaren. Stärker betroffen sind Drogerien.

Das größte Problem für die Händler ist der sogenannte gewerbsmäßig, organisierte Diebstahl. Häufig handelt es sich um Banden, die sich Geschäfte gezielt aussuchen. Ein Drittel aller Delikte gehen auf ihr Konto.
Die MZ begleitete im Vorjahr einen Detektiv des Einkaufscenters Nova in Günthersdorf bei seiner Arbeit. Die Gruppen gehen nach seinen Worten arbeitsteilig mit regelrechten Einkaufslisten vor: „Personal beobachten oder ablenken, Diebesgut zusammenstellen, verstauen, aus dem Geschäft tragen und Fluchtweg sichern.“ Die Taschen oder Rucksäcke seien häufig präpariert, um Sicherheitssysteme zum Beispiel mit Alufolie oder Störsender zu umgehen.
Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland, Stefan Genth, kritisiert: „Viele Händler sind frustriert, weil Anzeigen selten zu einer Verurteilung und Sanktionierung der Täter führen.“
Dies ist eine unheilvolle Entwicklung, denn die Händler glauben nicht mehr, dass die Polizei den Kriminellen Einhalt gebieten kann. Drei von vier Händlern erwarten laut EHI-Umfrage, dass der Kundendiebstahl weiter zunimmt. Für die Kunden ist das eine sehr schlechte Nachricht. Denn am Ende zahlen sie über höhere Preise das Diebesgut mit.
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Bis kommende Woche, herzlich Steffen Höhne
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Die Grundwasserspeicher stehen in vielen Regionen Deutschlands unter Druck. Sachsen-Anhalt ist davon offenbar besonders betroffen. Wie Experten und Behörden die Lage einschätzen – und wie die Situation Verbraucher, Landwirte und Kleingärtner beschäftigt. (MZ)

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Der Ostthüringer Hersteller von Aufback-Dönern befindet sich in einem vorläufigen Insolvenzverfahren. Grund für die Schwierigkeiten sei, dass der Umsatz nicht so entwickelt habe wie erwartet. 70 Mitarbeiter sind betroffen. (MDR)
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