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MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 23. Mai 2024 Ernteausfälle durch Frost: Heimisches Obst wird knapp

Weitere Themen: 140 Millionen Euro für Leipziger Logistiker / Datacenter in Krumpa / Heilbrunnen vor Neustart / Folie aus Getränkekartons / Zahl der Pendler steigt

23.05.2024, 13:19
Newsletter Frostschäden
Newsletter Frostschäden Foto: Weinmanufaktur Zwicker/Stedtler

ursprünglich wollte Klaus Friedrich mit der Ernte der ersten Kirschen in der nächsten Woche beginnen. „Doch die frühen Sorten sind alle erfroren“, sagt der Obstbauer aus Eisleben. Die ersten Kirschen in seinem Hofladen wird es erst im Juni geben. „Vielleicht 15 Prozent einer normalen Ernte werden wir noch von den Bäumen holen“, sagt der 52-Jährige.

Friedrichs Plantagen und die seiner Kollegen in Mitteldeutschland wurden hart vom Nachtfrost vor genau einem Monat getroffen. „Einen solchen flächendeckenden Ausfall hatten wir noch nie“, sagt Udo Jentzsch, Geschäftsführer des Landesverbandes Sächsisches Obst, zu dem auch 30 Betriebe aus Sachsen-Anhalt gehören. Den Gesamtschaden für die Obstbauern allein in Sachsen-Anhalt beziffert der Verbandschef auf 20 bis 30 Millionen Euro. Das sei fast der komplette Jahresumsatz. In Mitteldeutschland liegt der Schaden insgesamt bei 50 bis 60 Millionen Euro.

Obst Obstbauer Klaus Friedrich zeigte nach dem Frost die erfrorenen kleinen Früchte an Kirschbäumen.
Obst Obstbauer Klaus Friedrich zeigte nach dem Frost die erfrorenen kleinen Früchte an Kirschbäumen.
Foto: Höhne

Gingen die Obstbauern zunächst davon aus, dass vor allem die Kirschbestände am schwersten getroffen wurden, stellt sich jetzt bei der ersten Bilanz heraus, dass es die höchsten Ernteverluste bei den Äpfeln gibt. „Bei den Äpfeln haben wir Ernteverluste von 80 bis 100 Prozent. Es werden zwar Äpfel an den Bäumen hängen, doch eine aufwendige Ernte lohnt nicht“, so Jentzsch. Bei den Kirschen seien die Verluste je nach Lage sehr unterschiedlich. Sie würden zwischen 50 und 100 Prozent liegen. „Heimisches Obst wird rar“, prognostiziert er. Die Kunden würden das im Supermarkt dennoch kaum spüren, da vor allem Äpfel aus Süddeutschland oder dem Ausland importiert werden.

Alle Obstsorten in Sachsen-Anhalt wurden geschädigt. Ausfälle gibt es in allen Regionen.
Alle Obstsorten in Sachsen-Anhalt wurden geschädigt. Ausfälle gibt es in allen Regionen.
Grafik: Sabine Kroschel

Auch die Winzer im Anbaugebiet Saale-Unstrut müssen schwere Einbußen verkraften. Weinbaupräsident Hans Albrecht Zieger spricht gegenüber der MZ von „erwarteten Ernteeinbußen von 80 bis 90 Prozent“. Es gebe keine Flächen, die nicht betroffen sind. Er erwartet den schlechtesten Ertrag seit der Wende.

Wie gut die Betriebe mit den Ausfällen zurechtkommen, hängt laut Zieger vor allem davon ab, wie viel Wein sie noch im Keller gelagert haben. „Wein oder bestimmte Sorten werden sicherlich bei einigen Weingütern ab Ende des Jahres knapp“, so Zieger.

Aufgrund des warmen Frühjahrs war die Vegetation im April weit fortgeschritten. Daher fallen die Frostschäden besonders hoch aus. Schützen können sich Obstbauern und Winzer kaum oder es ist sehr aufwändig. Viele haben in den Frostnächten versucht, durch das Aufstellen von Feuertonnen oder durch Rauch die Bäume und Reben zu schützen. Doch bei minus sechs Grad war das ein aussichtsloses Unterfangen. Effektiven Schutz bieten nur Beregnungsanlagen. Wassertropfen legen sich dann wie ein Schutzschild um die Blüten. Doch dazu sind große Mengen Wasser nötig. Obstbauer Friedrich aus Eisleben und viele andere Betriebe besitzen diese nicht. Wasserrechte zu bekommen, ist aufgrund gesunkener Grundwasserspiegel äußerst schwierig.

Die Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau (LLG) in Quedlinburg (Harz) experimentiert nun mit neuen Sorten, die besser mit Kälte umgehen können. So werden unter anderem Haskapbeeren angebaut. Die Haskap, die seit 2019 als Lebensmittel in der EU zugelassen ist, ist sauer-fruchtig mit einer leichten Herbe. Sie erinnert an eine Mischung aus Kirsche, Blau- und Johannisbeere. Geschmacklich würde sie in jeden Supermarkt passen, zumal sie reich an Vitaminen ist und als eine Art Superfood gehandelt wird. Laut Anbauleiter Thomas Schlegel hat die Frucht den Frost sehr gut überstanden. Das Problem: Die Haskap kommt nicht gut mit Trockenheit zurecht und ist im Anbau noch teuer.

Einfache Lösungen, wie die Landwirte ihren Anbau schützen können, gibt es nicht. Immer mehr zeigt sich aber, dass für Obst und Sonderkulturen eine Bewässerung immer dringender notwendig wird. Diese hilft bei Frost und im Sommer bei Dürre. Die mitteldeutschen Länder sollten die Landwirtschaft bei den Investitionen unterstützen. Klimaschutz und Klimaanpassung müssen Hand in Hand gehen.

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Bis kommende Woche, herzlich Steffen Höhne

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