Ihr Wochenende mit der Mitteldeutschen Zeitung Ein Wunder und preisgekrönter Nachwuchs

ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe schon seit geraumer Zeit das Gefühl, dass zunehmend bei manchen Zeitgenossen die Lunte kürzer ist. Die Leute regen sich schneller und mehr auf als früher. Ich denke, dass es seit der Pandemie so ist. Wir haben jetzt einige Jahre hinter uns, in denen eigentlich immer Krise war. Erst Corona, dann Krieg und Energiekrise, jetzt lahmt die Wirtschaft. Vermutlich ist das nicht gut, wenn eine Gesellschaft immerzu so unter Druck steht und viele Menschen Angst haben: vor einer Ansteckung mit Corona, vor einem Krieg auch im eigenen Land, vor dem Verlust ihres Jobs oder allgemein ihres Wohlstands. Dazu ist der Ton in der politischen Auseinandersetzung deutlich rauer geworden. Selbst im Freizeitbereich, wo Leute gemeinsam ihrem Hobby frönen, wird es ruppiger. Dafür ist leider der Fußball ein aktueller Beleg. An diesem Wochenende wird in Sachsen-Anhalt etwas passieren, was es so in Deutschland noch nicht gegeben hat: Weil es immer mehr Gewalt auf dem Fußballplatz gibt, werden die Schiedsrichter im Burgenlandkreis streiken. Die Spiele auf Kreisebene müssen trotzdem stattfinden, die beteiligten Vereine sollen aber untereinander ausmachen, wer das Spiel ersatzweise leiten soll.

Der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte, war ein Vorfall am vergangenen Wochenende. Da soll nach einem Spiel im Burgenlandkreis ein Funktionär eines Vereins den Schiedsrichter angegangen sein, die Rede ist von Morddrohungen. Außerdem erhielten bei anderen Spielen vier Trainer beziehungsweise Mannschaftsverantwortliche einen Platzverweis wegen grob unsportlichen Betragens gegenüber Schiedsrichtern. Nur am vergangenen Wochenende, nur im Burgendlandkreis. Die Hintergründe erklärt mein Kollege Torsten Kühl hier.
Man kann nur hoffen, dass diese ungewöhnliche Maßnahme ein Umdenken auslöst. Ich kann die Schiris jedenfalls verstehen. Klar, Fußball lebt von Leidenschaft und Emotionen. Aber alles hat eine Grenze. Es ist gut, dass die Schiris der zunehmenden Verrohung die Rote Karte zeigen. Ein gutes Miteinander braucht ein Mindestmaß an gegenseitigem Respekt. Auf dem Fußballplatz und auch daneben.
Die gute Nachricht der Woche: Das Wunder von Wittenberg
In Sachsen-Anhalt bedeutet der demografische Wandel, dass die Bevölkerung - gottseidank - immer älter wird und es immer weniger junge Menschen gibt. Auch solche, die sich um die Älteren kümmern können. Ein Resultat ist der Fachkräftemangel beim Pflegepersonal. Die kurzfristige Lösung liegt auf der Hand: Es braucht junge Leute von außerhalb, also Zuwanderung. Das ist offenbar leichter gesagt als getan. Immer wieder hört man Klagen über anhaltenden Personalmangel, dass keine jungen Leuten zu finden seien oder nicht bleiben wollen. An einem Ort ist das aber anders: In der Lutherstadt Wittenberg. Dort arbeiten erfolgreich junge Leute aus El Salvador in der Pflege. Sie selbst sind zufrieden, die Betreuten ebenso. Und die jungen Leute wollen bleiben. Mittlerweile fängt der vierte Jahrgang junger El Salvadorianer in Wittenberg eine Ausbildung an. Ihre Integration gilt als „Wunder von Wittenberg“. Wie es gelang und was dabei die Schwierigkeiten waren, das hat meine Kollegin Lisa Garn in Erfahrung gebracht. Hier geht es zu ihrem Text.

Herausforderung der Woche: Das Mathe-Abi
Mögen Sie Mathe? Also nicht das Einmaleins und ein bisschen Kopfrechnen, sondern den harten Stoff? Zum Beispiel so etwas: Gegeben ist die Funktion f mit (x) = 12⋅ 1x12⋅ 1x , x ∈ R, x ≠ 0. Berechnen Sie den Funktionswert der ersten Ableitungsfunktion von f an der Stelle 2.
Mathematik ist für viele berufliche Berufe ein Schlüssel und gerade in den höheren Jahrgängen richtig anspruchsvoll. Das ist nicht immer schön. Ein Lied kann davon mancher der etwa 5.400 Schüler in Sachsen-Anhalt singen, die gerade ihre Abiturprüfungen absolvieren. Bei manchen Zeitgenossen wächst ja mit jedem Jahr seit den eigenen Prüfungen die Überzeugung, dass das alles kein Problem war, sich die jungen Leute nur anstellen und so weiter. Meine Kollegin Josefine Kreuzer hat als kleine Erinnerungshilfe mal originale Abituraufgaben zusammen gestellt. Die kann jeder mal ausprobieren. Sie müssen ja niemandem verraten, wie viele sie gelöst haben. Hier geht es zu ihrem Text.

Phänomen der Woche: Animal Hoarding
Wenn die Tierliebe eskaliert: Einige Sachsen-Anhalter begnügen sich nicht mit ein oder zwei Katzen oder Hunden - sondern halten dutzende Tiere. Das geht meist nicht gut. Und den Haltern geht es meist auch nicht gut. Das Phänomen, so habe ich es diese Woche von meinem Kollegen Max Hunger gelernt, hat sogar einen Namen: Animal Hoarding - Tiere horten. Im vergangenen Jahr mussten die Behörden über 1.000 Hunde, Katzen, Hühner und andere Tiere allein im Süden Sachsen-Anhalts sicherstellen, weil ihre Halter sich nicht oder nicht richtig um die Tiere kümmerten. In einem Fall waren es gleich 20 Katzen in einer Mietwohnung, in einem anderen Fall gleich zwei Papageien, 23 Reptilien, acht Amphibien, 25 Schnecken, acht Igel, acht Vogelspinnen und 240 Hühner auf einem Gelände. Was es mit dem Phänomen auf sich hat, das erfahren Sie hier.

Der Sachsen-Anhalter der Woche: Lucas Flöther
Mit Lucas Flöther ist es so ungefähr wie mit einem Notarzt: Er macht einen wichtigen Job, aber man möchte ihn am liebsten nicht selbst benötigen. Flöther kommt nicht, wenn es Menschen schlecht geht, sondern Firmen. Und zwar richtig schlecht: Flöther ist Insolvenzverwalter. Und er hat zuletzt leider sehr gut zu tun gehabt. Auch in Sachsen-Anhalt sind ungewöhnlich viele Betriebe in die Pleite gerutscht. Flöther kommt dann aber nicht, um den Betrieb einfach abzuwickeln, im Gegenteil: Das erste Ziel des Hallensers ist, die angeschlagene Firma zu retten. Der 51-Jährige ist auch bundesweit gefragt, er hat schon große Insolvenzverfahren betreut etwa bei Condor oder Gerry Weber. Im Gespräch mit meinem Kollegen Steffen Höhne erklärt Flöther seine Arbeit, Hintergründe der aktuellen Insolvenzwelle und was „Zombie-Unternehmen“ sind. Hier geht es zu dem Interview.

MZ-Interna der Woche: Preisgekrönter Nachwuchs
Diese Nachricht hat uns gefreut und macht uns bei der MZ auch stolz auf unseren journalistischen Nachwuchs, die Volontäre. Sie erhalten für ihr Projekt „Ladenschluss“ den Sonderpreis des Deutschen Lokaljournalistenpreises der Konrad-Adenauer-Stiftung – eine der wichtigsten Auszeichnungen für Lokaljournalismus in Deutschland. Die jungen Kollegen haben bei „Ladenschluss“ ein Thema aufgearbeitet, dass in Sachsen-Anhalt viele Menschen bewegt - das Ladensterben in Innenstädten. Dafür haben sie unter der Leitung unserer Volontärsbeauftragten Jessica Quick - Sie kennen sie auch als Autorin dieses Newsletters - etwa ein Wochenendmagazin der Mitteldeutschen Zeitung produziert und dabei die Ursachen, Entwicklungen und Auswirkungen analysiert. Sie haben mit Einzelhändlern, Stadtplanern, Wirtschafts- und Wissenschaftsexperten gesprochen - und natürlich mit betroffenen Bürgern. So „umfassend, originell und multimedial wie die Volontärinnen und Volontäre der Mitteldeutschen Zeitung das Thema bearbeitet haben, ist herausragend“, hat die Jury des Lokaljournalistenpreises geurteilt. Es ist nicht der erste Preis für das Projekt, die Volontäre haben damit auch bereits den „European Newspaper Award“ gewonnen. Schauen Sie sich doch mal das preisgekrönte Projekt an, hier geht es zur Landenschlussseite.

Das war meine MZ-Woche. Ich freue mich über Anregungen, Fragen und Kritik unter: [email protected]
Ich wünsche Ihnen ein friedliches und schönes Wochenende!
Ihr Kai Gauselmann