0340 Newsletter Dessau 5. September #118 Wenn die DWG alles gesagt hat, sie die Sorgen von Bewohnern aber trotzdem nicht nehmen konnte
Warum Dieter Hallervorden ein kämpferisches Jahrzehnt startet - Was zum Bauhausfest in Dessau-Roßlau geboten wird

Die Aufregung ist groß in der Tornauer Straße 23a. Grund dafür war ein Brief der DWG, den die Bewohner des Hauses „Julie von Cohn-Oppenheim“ Anfang August im Briefkasten hatten. Dessaus größter Vermieter kündigte darin den Verkauf des Hauses an.
Die DWG ist in finanziellen Schwierigkeiten. Die Sanierung wird nicht geräuschlos gelingen. Das merkt man gerade auch am Städtischen Klinikum, wo es noch größere finanzielle Probleme gibt und die neue Leitung daher viele unliebsame Entscheidung treffen muss. Große wie kleine. Da wird der geplante 30-Millionen-Euro-Neubau auf der Wiese gegenüber in Frage gestellt. Da wird das Therapiebad geschlossen. Da wird dem Heimatmuseum Alten der Mietvertrag gekündigt und dem „Franztreff“, einem Treffpunkt für sozial Schwache, die Essenspreise erhöht.
Doch in der Tornauer Straße wirft das Vorgehen Fragen auf. Die gesamte Hausgemeinschaft hat sich mit einem sorgenvollen Brief an die MZ gewandt. Die DWG sei doch ein stadteigener Betrieb, der ihrer Meinung nach eine soziale Verantwortung für die Bürger habe, insbesondere für die Älteren und Schwächeren. „Was wird aus uns, die wir unseren Lebensabend hier in Ruhe und guter Betreuung verbringen wollen?“
Das Haus am Pollingpark wurde 1979 gebaut und 2004 saniert. Es hat 100 Ein-Raum- und fünf Zwei-Raum-Wohnungen. Gemeinschaftseinrichtungen wie eine große Terrasse, ein Pflegebad und ein Gemeinschaftsraum sind für alle nutzbar. Zudem sind alle Wohnungen über einen Fahrstuhl erreichbar. Das macht das Haus besonders. Die Volkssolidarität 92 betreibt in dem Haus eine Sozialstation, deren Mitarbeiter sich um die Belange des täglichen Lebens der Bewohner und Pflegekunden kümmern. Das Dienstleistungsangebot der VS 92 Dessau-Roßlau erfüllt einen großen Bedarf, das Haus ist sehr gut vermietet. Die Mieten für die Senioren bezahlbar.

„Wir werden nicht zulassen, dass das Seniorenangebot verloren geht“, versichert der VS 92-Geschäftsführer auf MZ-Anfrage. „Sie müssen sich keine Sorgen machen.“ Im Bieterverfahren hat auch die Volkssolidarität selber Interesse angemeldet.
Die DWG selbst könnte sich erklären. „Alle relevanten Informationen wurden den Beteiligten bereits ausführlich mitgeteilt. Daher sehen wir von weiteren Auskünften ab“, antwortet der städtische Vermieter auf eine MZ-Anfrage. Dass man die Sorgen der Betroffenen offensichtlich nicht nehmen konnte, ließt man unkommentiert.
Ohne uns zu überhöhen: Kommunale Unternehmen auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge, die sich im Mehrheitsbesitz der öffentlichen Hand befinden, sind „Behörden“ im Sinne des Presserechts, auch wenn sie privatrechtlich organisiert sind. Das hat der Bundesgerichtshof höchst richterlich entschieden. Als Behörde müssen kommunale Unternehmen daher Pressevertretern Auskunft über ihre Tätigkeit erteilen. Die Antwort ist schlichtweg unzulänglich. Aber offenbar Methode.
Vor zwei Wochen hat ein Kollege in Ziebigk beobachtet, wie dort ein neuer Geldautomat angeliefert wird. Das warf Fragen auf. Zum Beispiel, was die Dessauer Stadtsparkasse am dortigen Standort plant. Auch dort blieben alle MZ-Anfragen unbeantwortet. „Gern melden wir uns wieder, wenn wir zu diesem Thema ein öffentliches Statement abgeben möchten“, hieß es vage. Es ist ein seltsames Selbstverständnis, das Oberbürgermeister Robert Reck, der dem DWG-Aufsichtsrat und Sparkassen-Verwaltungsrat vorsteht, kritisch hinterfragen müsste. Wobei. Er steht ja zur Zeit auch wieder ohne offiziellen Pressesprecher da. Bei einer Anfrage zum abgesagten Pflaumenkuchenfest in Törten wurden wir immer wieder vertröstet. Am Donnerstag hieß es dann, diese Woche wird das nichts mehr. Es läuft. Nicht. Viele Grüße, Steffen Brachert.
RÜCKBLICK
Dessauer der Woche
+++Dessauer der Woche ist, natürlich, Ehrenbürger Dieter Hallervorden, der am heutigen Freitag, 5. September, 90 Jahre alt wird - und dies in Berlin feiert. Auf der Bühne seines Schlosspark-Theaters und mit der Premiere von „Der eingebildete Kranke“, ein Stück, das ab dm 22. Oktober dann auch im Mitteldeutschen Theater in Dessau zu sehen sein wird.
2007 bekam Hallervorden die Ehrenbürgerwürde der Stadt verliehen. 15 Jahre später eröffneter der Schauspieler in seiner Heimatstadt das Mitteldeutsche Theater, das auch im vierten Jahr von seiner Prominenz zehrt.

Hallervorden hat zuletzt für viele Schlagzeilen gesorgt. Dass er das N-Wort in einen Sketch einbaute, sorgte für Kritik, die in der ARD-Doku am Montag auch Sohn Johannes Hallervorden teilte. Gaza, Merz, Friedensdemo. Gaza, Merz, Frieden in der Ukraine. Manche Verrenkung inklusive. Hallervorden hat noch nie ein Blatt vor den Mund genommen - und hat das im hohen Alter auch nicht vor.
„Ich trete jetzt in das nächste Jahrzehnt ein, ein kämpferisches Jahrzehnt, Richtung 100“, sagte er dieser Tage. „Und da lasse ich mich auch von keinem aufhalten. Sie wissen ja, ich bin jemand, der sagt: ,Ich will und ich kann’. Und mal sehen, ob andere mich lassen, aber eigentlich habe ich schon vor, dass wir uns da in zehn Jahren wieder treffen.“
MZ-Geschichten der Woche
+++Seit dem 1. September wird die Dessauer Familienbäckerei Meiling von Tony Müller und Juliane Stein geführt. Was die Gründe für den überraschenden Inhaberwechsel sind, was sich ändern soll, das hat MZ-Kollegin Sylke Kaufhold erfragt.
+++Mit einer kleinen Feier haben die neuen Betreiber der Tierpark-Gastronomie in Dessau den ersten Bauabschnitt der Sanierungsarbeiten beendet. Wie es nun weiter geht, das hat sich MZ-Kollegin Sylke Kaufhold bei einem Vor-Ort-Termin erklären lassen.
+++Auf Social Media kursieren Videos vom Roßlauer Schifferfest, die ausländerfeindliche Gesänge belegen. Die Organisatoren sehen Einzelfälle. Gerufen hätten „Nicht-Roßlauer“. Für Aufregung sorgt zudem ein Linken-Stadtrat mit einem Gewalt-Aufruf, berichtet MZ-Kollege Tizian Hempel.
+++Das „Hugos Steakhaus“, das Restaurant im Dessauer Golfpark, hat am Dienstag neu geöffnet. In der Sommerpause hat sich drinnen einiges geändert. Worauf sich Gäste freuen können, das hat MZ-Kollegin Heidi Thiemann notiert.
Fest und Bühne
+++Vier Tage lang, seit Donnerstag und bis Sonntag, 7. September, feiert die Stiftung Bauhaus den Auftakt des Doppel-Jubiläumsjahres „100 Jahre Bauhaus“ in Dessau. Am und im Bauhausgebäude, im Bauhaus Museum Dessau, im Tierpark Dessau und im Kornhaus erwartet das Publikum drei Tage lang Konzerte, Tanz, Performances, Filmveranstaltungen, Workshops und auch verschiedene Spaziergänge. Wer sich einen genauen Überblick verschaffen will, was wann wo los ist, der kann hier klicken. Bereits ausverkauft ist der öffentliche Jubiläumsauftakt auf der historischen Bauhausbühne am Freitag, ebenso die Konzerte von PopAround@Bauhaus im Bauhaus Museum. Am Sonnabend werden von 20.15 bis 22.15 Uhr zwei der vier Konzerte live im Fernsehen bei 3Sat übertragen. Darunter das von Fanta4.

+++Das Anhaltische Theater startet am Sonnabend, 6. September, 19 Uhr, mit dem traditionellen Eröffnungskonzert in die neue Spielzeit. Erstmalig findet es vor dem Mausoleum im Tierpark statt. Präsentiert werden Ausschnitte aus Johann Strauß‘ Operette „Die Fledermaus“, Arien aus Mozarts Oper „Così fan tutte“, Claudio Santoros Oper „Alma“ oder Walzer aus „Ravels Valses nobles et sentimentales“. Im Anschluss an das Konzert wird das Bauhaus mit seinem Bauhausfest das Jubiläumsjahr eröffnen. Die „Frohe Zukunft“ aus Halle, eine Brassband, sorgt für Stimmung. Die „Hedwig Dances“ aus Chicago zeigt eine Fortsetzung des Triadischen Balletts von Oskar Schlemmer. Der international renommierte Licht-Künstler Philipp Geist hat für das Bauhausfest eine neue Arbeit entwickelt.
+++Die Organisatoren Karl-Heinz Richter und Ingo Ondrey laden am Sonntag, 7. September, wieder zur beliebten Benefizaktion „Biker zeigen Herz für Kinder“ ein. Die diesjährige Ausfahrt startet auf dem Hugo-Junkers-Flugplatz in Dessau. Die Startspende von zehn Euro sowie alle weiteren Spendengelder kommen in diesem Jahr den Kindern des Kinderheims Wolkenfrei sowie der Frühförderstelle DiFa zugute. Der Flugplatz öffnet am Sonntag um 8 Uhr. Ab 9.30 Uhr starten die Gruppen in Etappen, begleitet von der Polizei. Ab 13 Uhr erwartet die Gäste ein kleines Programm anlässlich der 10. Ausfahrt, unter anderem mit dem Roßlauer Sänger Hardy.
+++Das Mitteldeutsche Theater ist am Donnerstag in die neue Spielzeit gestartet. Zum Auftakt war am Donnerstag Claudia Wenzel mit ihrem Programm „Mein Herz ließ sich nicht teilen“ zu Gast. Freitag, 5. September, folgt die Leipziger Pfeffermühle mit ihrem Programm „5 % Würde“, Sonnabend, 19 Uhr, tritt Dr. Pop mit „Hitverdächtig - die Musik-Comedy-Stand-Up-Show“!“ auf, Sonntag, 19 Uhr, laden die „Berliner Vocaphoniker“ in „Die Goldenen 20er“.
Topf und Pfanne
+++Das Forsthaus „Leiner Berg“ lädt am Sonntag, 7. September, zum „Großen Fest der Blasmusik“ ein. Von 13.30 Uhr bis 17 Uhr gibt es Musik von den Elbe-Taler Blasmusikanten und von Ulfs kleiner Blasmusik, dazu frisch gezapftes Bier vom Fass und deftige Grillspezialisten vom Forsthaus. Der Eintritt ist frei.

+++Das „Gusto“, das Steakhaus in der Kreuzbergstraße, bietet ab sofort eine kleine Mittagskarte an. Von Dienstag bis Freitag ist von 12 bis 14 Uhr geöffnet, es gibt unter anderem ein Schweineschnitzel mit Pommes und Salat für 9,90 Euro und eine Pasta mit Hähnchenbruststreifen und Weißweinsoße, ebenfalls für 9,90 Euro.
+++Im Café Hilde hat es eine neue Kreation auf die Karte geschafft: Peanut Pancakes. Drei davon gibt es mit Erdnussbutter, Schokocreme, karamellisierten Äpfeln und Hildes Marmelade für 9,90 Euro.
EINBLICK
Erfolgreichster Social-Media-Post der Woche
+++Nach der Einlieferung in die Notaufnahme im Dessauer Klinikum hat eine Seniorin viele Stunden auf ihre Behandlung warten müssen. Das Aufnahmegespräch sei eine „Abfertigung“ gewesen. Und es gab noch mehr Ärger. Der Artikel sorgte auf Facebook für viele Diskussionen - und bescherte dem Text so eine Reichweite von 14.700 erreichten Personen.

Meist geklickter MZ-Beitrag der Woche
+++Eine Überraschung war es nicht, trotzdem waren Erleichterung und Freude beim alten und neuen Betreiber des Dessauer Adventsmarktes groß. Der Bericht über die Vergabe an Dirk Merkel interessierte 14.900 Leser. Das reichte zum Wochensieg.
QUERBLICK
+++Das Bauhaus in Dessau wird von rechts angefeindet. Umso wichtiger ist es, die Orte progressiver Erinnerung zu schützen, findet die „Taz“ in einem Beitrag über „100 Jahre Bauhaus in Dessau“, der unter der Überschrift „Im besten Sinn modern“ steht. Auch der „Tagesspiegel“ widmet sich dem Thema.
+++Für die Altenpflege muss man immer tiefer in die Tasche greifen. Bewohner spüren das an dem Eigenanteil, den sie entrichten müssen – mehr als 3.000 Euro pro Monat sind keine Seltenheit mehr. Häufig reichen Rente und Vermögen nicht mehr aus, um den Altenheim-Platz zu finanzieren. Doch die Bearbeitungszeit für Zuschüsse dauert etliche Monate, gar nicht so selten vergeht auch ein Jahr. Das stürzt die Betreiber der Heime in finanzielle Nöte und verunsichert die Bewohner, berichtet der MDR.
+++In Zerbst wächst der Widerstand gegen Solarparks. Nach dem Nein für das Getec-Projekt stoppt der Stadtrat nun ein weiteres Photovoltaik-Vorhaben . Über die Hintergründe berichten die Kollegen der „Zerbster Volksstimme“.
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