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Hartz-IV-Empfänger im Salzlandkreis Hartz-IV-Empfänger im Salzlandkreis: Zahlreiche falsche Bescheide

Von Marko Jeschor 11.10.2016, 11:30
Ein Stapel mit Akten liegt in der Posteingangsstelle eines Gerichts.
Ein Stapel mit Akten liegt in der Posteingangsstelle eines Gerichts. dpa

Aschersleben - Hartz-IV-Empfänger im Salzlandkreis haben in der Vergangenheit oft falsche Bescheide und damit häufig zu wenig Unterstützung erhalten. Von 669 abgeschlossenen Gerichtsverfahren im vergangenen Jahr setzten sich in knapp 40 Prozent der Fälle die Leistungsempfänger mit ihren Klagen gegen das zuständige Jobcenter durch.

Auch in den Jahren zuvor entschieden Sozialrichter in rund der Hälfte der Fälle zugunsten der Langzeitarbeitslosen. Das geht aus einer Antwort des Jobcenters auf eine MZ-Anfrage hervor.

Hinzu kamen 2015 noch einmal knapp 3.800 Widerspruchsverfahren, von denen rund ein Viertel erfolgreich war. Der Eigenbetrieb des Salzlandkreises kümmerte sich im vergangenen Dezember um 18 400 Langzeitarbeitslose.

Häufigster Grund für Gerichts- und Widerspruchverfahren waren nach Angaben von Betriebsleiter Thomas Holz die sogenannten Kosten der Unterkunft und Heizung. Oft geklagt werde allerdings auch wegen Einkommensabrechnungen, Entscheidungen zu Eingliederungsleistungen oder wegen vom Jobcenter verhängter Sanktionen.

„Es gibt Anspruch auf Beratungshilfe"

Die jährlichen Kosten für Gutachten beziehungsweise Anwälte liegen seit 2011 zwischen 92.000 und rund 146.000 Euro - zumeist aber unter den Planzahlen des Jobcenters. Die Verfahrenskosten selbst trägt der Steuerzahler.

Rechtsanwalt Nico Sauer aus Aschersleben geht davon aus, dass tatsächlich noch mehr Bescheide falsch sind. „Viele wissen nicht, wie sie sich zur Wehr setzen sollen oder haben Angst vor der Behörde.“ Er rät jedoch jedem, Bescheide überprüfen zu lassen. Dafür sieht der Gesetzgeber auch die sogenannte Beratungshilfe vor.

Sauer nimmt zugleich auch das Jobcenter in Schutz. Dort sei angesichts der häufigen Änderungen der Gesetze und weiterhin existierenden Lücken die Verunsicherung groß. „Das Zweite Sozialgesetzbuch ist häufiger geändert worden als das Bürgerliche Gesetzbuch von 1897“, sagt Sauer. Noch immer müsse das Bundessozialgericht deshalb Grundsatzurteile sprechen.

Sauer hat nach eigenen Angaben mehrere Tausend Hilfe-Empfänger aus der Region gegen das Jobcenter vertreten. Nach seinen Erfahrungen sei die Behörde bei Unterschieden bis zu 20 Euro durchaus gesprächsbereit. Danach würden viele Widerspruchsverfahren jedoch vor Gericht landen.

Das Problem: Ehe dort ein Urteil fällt, können leicht mehrere Jahre vergehen. Bei Streitigkeiten wegen der Unterkunft müssen die Kläger in dieser Zeit die Differenz von ihrer Regelleistung bezahlen oder im schlimmsten Fall eben umziehen.

Dass die Kosten nicht ausufern, darauf hat auch der Landkreis ein Auge. Der müsse schließlich den größten Teil selbst tragen, erklärt Sozialarbeiter und Linke-Kreistagsmitglied Christian Jethon aus Nienburg. Zuletzt lagen die geplanten Ausgaben des Jobcenters bei rund 53 Millionen Euro. Bei der Bemessung orientiert sich die Einrichtung an einem vom Kreistag beschlossenen Konzept, das den Wohnraum in den unterschiedlichen Regionen des Kreises bewertet.

Kritik übt Jethon nicht nur an veralteten Werten dazu, sondern auch an der Festlegung zur Übernahme der Heizkosten. Die sei aus einem hohlen Bauch heraus getroffen worden und werde den Ausgaben nicht gerecht. Die Linke-Fraktion fordert seit längerer Zeit schon eine Orientierung am Bundesheizkostenspiegel (die MZ berichtete). (mz)