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Fischbrücke in Gatersleben Fischbrücke in Gatersleben: Die Selke hat Priorität

17.09.2019, 11:56
Die Selke bei Hedersleben war ausgetrocknet.
Die Selke bei Hedersleben war ausgetrocknet. Richter/Archiv

Gatersleben/Hausneindorf - „Nein, es soll nicht als Kritik rauskommen“, sagt  Hans Hubert Alsleben. Aber über die Bezeichnung als Schildbürger habe er sich schon geärgert.  Der Kreisgewässerwart im Landkreis Harz spricht von der prekären Situation der Selke, die im Hausneindorfer Bereich vor Wochen komplett ausgetrocknet war.

Und dem Vorwurf der Nachbarn, dass die daraufhin erfolgte Öffnung der Gaterslebener Fischtreppe rein gar nichts gebracht habe. Höchstens, dass nun auf beiden Seiten das Wasser fehlte. „Das Wasser ist seitdem aber ohne Probleme gelaufen“, sagt Alsleben entgegen anderer Aussagen und belegt seine Worte mit zahlreichen Fotodokumenten.

Nur an einem Wochenende habe es erneut eine kritische Phase gegeben, wo das Wasser kurzzeitig weg war, tiefe Senken aber noch  durchspült wurden.  „Es war also nicht ganz so kritisch wie beim ersten Mal.“

Gebiet steht unter dem Schutz der Europäischen Union

Die damalige Entscheidung des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW), die Fischtreppe zu öffnen, verteidigt er deshalb nach wie vor. „Die Selke ist ein FFH-Gebiet“, beschreibt der Gewässerwart das spezielle Areal, bei dem Flora,  Fauna und Lebensräume unter EU-Schutz stehen.

„Das verpflichtet der Gesetzgeber dazu, eine Mindestwasserhöhe vorzuhalten.“ Das heiße, der Fluss habe Priorität und müsse vorrangig bedient werden, kritisiert er, dass das Gaterslebener Wehr das Wasser dagegen zuerst und ständig in die Fischteiche schickt.

„Denn in der Selke gibt es etwa so schützenswerte Tiere wie das Bachneunauge. Die sitzen als Larven die ersten vier bis fünf Jahre im Kieslückensystem und kommen dann erst raus.“ Würde der Kies aber austrocknen, wäre die Population für die nächsten Jahre verloren, ist  sich Alsleben sicher.

1.000 Fische verendet, 2.500 schnell noch umgesetzt

Insgesamt, so bilanziert der Gewässerwart, der selbst Angler ist, seien im Hausneindorfer Bereich durch die Trockenheit 1.000 Fische verendet. „2.500 haben wir umgesetzt.“ Das eigentlich geplante finale Abfischen der Pfützen habe der Verein in letzter Sekunde aber abgeblasen. „Das Wasser lief ja wieder“, begründet Alsleben das.

Das war natürlich auch den anderen Maßnahmen des LHW und dem Regen der letzten Tage zu verdanken.

„Aus dem Kiliansteich wird Wasser in die Selke gelassen“, freut sich LHW-Flussbereichsleiter Christoph Ertl über die Unterstützung des Talsperrenbetriebes. 

Gaterslebener Mühlgraben als Bypass für Teiche

„Auch der Heckenteich sei inzwischen wieder gut gefüllt“, weiß Gaterslebens Ortsbürgermeister Mario Lange und freut sich, dass endlich der zugeschlammte Mühlgraben in seinem Ort ausgebaggert wurde.

Dass darüber die Fischteiche in Gatersleben mit Wasser versorgt werden, ist für Ertl kein Problem. „Das wird ja nur wie in einem Bypass über die Teiche geführt, damit die nicht trockenfallen, und läuft dahinter in die Selke zurück“, sagt er.

Die Wasserversorgung aus dem Kiliansteich soll den ganzen September über aufrechterhalten werden. „Wir sind mit allen Parteien im Gespräch, und ich denke, das ist eine ganz gute Lösung“, sagt Ertl und findet: „Zur Zeit müsste wirklich jeder zufrieden sein.“

„Im Rahmen des Klimawandels müssen wir nämlich damit rechnen, dass das dauerhaft so trocken bleibt.“

Allerdings müsse man weiterdenken, mahnt Hans Hubert Alsleben, der auch die Idee hat - ähnlich wie bei den Hochwasserwarnstufen - ein Warnsystem für Niedrigwasser einzuführen. „Im Rahmen des Klimawandels müssen wir nämlich damit rechnen, dass das dauerhaft so trocken bleibt.“

Ob man sich da den Luxus leisten könne, die Selke dauerhaft zum Nachfüllen von Teichen zu nutzen, findet er fraglich. „Ich denke, dass es auch eine andere Lösung für die Fischteiche gibt“, überlegt er laut über das Abdichten der Teiche und eine andere Art der Wasserversorgung. Vielleicht über einen Brunnen, der gut wäre, wenn der Concordia See irgendwann seine richtige Wasserhöhe hat und so in der Umgebung auch das Grundwasser steigt. „Wir sitzen ja alle im gleichen Boot“, versteht er auch die Sorgen der Gaterslebener.

Fließgewässer einfach fließen lassen

„Man kann die Natur nun einmal nicht manipulieren“, ist sich Alsleben aber sicher. „Vielleicht sollten wir ihr ein bisschen zurückgeben, was wir ihr über die Jahrhunderte genommen haben und ein Fließgewässer fließen lassen, damit Fische durchkommen, Sedimente transportiert werden können“, überlegt er weiter.

Er wolle keine böse Stimmung schüren. „Aber wir müssen lernen, mit der Situation umzugehen. Und wenn wir alle ein bisschen miteinander sprechen und nicht jeder an sich denkt, müsste das auch klappen.“ (mz)