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Sachsen Sachsen: Der Biber ist wieder heimisch

Von Jörg Schurig 16.04.2012, 06:47
Biber bauen gerne. (FOTO: DPA)
Biber bauen gerne. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Bad Düben/dpa. - Knabbern bis zum Umfallen. Wo ein Biberarbeitet, fallen Späne. «Er ist als Landschaftsarchitekt tätig, abermanchmal schießt er über das Ziel hinaus und ärgert den Menschen»,sagt Jan Stegner, «Bibermanager» im Institut für Vegetationskunde undLandschaftsökologie in Leipzig. Während die Umstehenden lächeln,bleibt die Miene von Karsten Ittner, Chef der AgrargenossenschaftHeideglück in Sprotta (Landkreis Nordsachsen), eher finster. Denn dievon Bibern errichteten Staudämme haben in der Dübener Heide schon oftAckerflächen unter Wasser gesetzt und Bauern die Arbeit erschwert.

Stegner und Ittner stehen mit Sachsens Umweltminister Frank Kupfer(CDU) und gut zwei Dutzend Leuten in der Wöllnauer Senke undberichten vom Naturschutzprojekt Presseler Heidewald und Moorgebiet.Dort gibt es seltene Pflanzen wie den Sonnentau und tierischeSchönheiten wie den Kranich. Ein Paradies für 169 Vogelarten, und mitetwas Glück kann man an sonnigen Tagen sogar Schlingnatternbeobachten. Unter dem Slogan «Chance.Natur» ist auch Geld des Bundesin die Dübener Heide geflossen, um Moore vor dem Austrocknen zuretten und die Natur für ihre eigentlichen Bewohner zu schützen.

Dazu zählt auch der Elbebiber (Castor fiber albicus), der sichtrotz oder gerade wegen der aus Dresden angereisten Gäste an diesemTag partout nicht zeigen will. Dafür sind seine Spuren im Gehölzsichtbar. Naturschützer und Landwirte haben sich arrangieren müssen.Stegner nennt den Biber eine sächsische «Erfolgsart». Die Populationhabe sich gut erholt. «Gemeinsam mit Sachsen-Anhalt und Brandenburghaben wir für den Elbebiber eine gesamteuropäische Verantwortung.»Jetzt werden für den Nager dort eigens Weiden und Pappelnangepflanzt, damit er gut zu Knabbern hat und nicht weiterzieht.

Ausgerechnet die Landwirtschaft mit ihrem Bewässerungssystem hatdem Elbebiber die Ausbreitung in der Dübener Heide erleichtert. «Wirhaben ihm quasi die Autobahnen gebaut», sagt Stegner. Erst dasmenschliche Tun habe den Biber bewogen, sein Hauptgewässer Elbe zuverlassen und sich in der Agrarlandschaft anzusiedeln. Deshalb istnun friedliche Koexistenz angesagt. Eine Alternative dazu gibt esohnehin nicht. Nationale und europäische Rechtsvorschriften stellenihn unter strengem Schutz. Mit gezielter «Ablenkfütterung» soll nunverhindert werden, dass er Appetit an anderen Nutzhölzern findet.

Der Schutz für den Biber war bitter nötig. In weiten TeilenSachsens galt er Ende des 19. Jahrhunderts als ausgerottet. Biberwurden nicht nur wegen ihres Fells gejagt. Ihr Leben im Wasser ließsie in den Augen der Menschen zum Fisch und damit zur Fastenspeisewerden. Außerdem wurde ein Drüsensekret als Arznei genutzt. Erst mitdem völligen Jagdverbot hatte der Biber ab 1945 wieder eine Chance.1972 zählte man in Sachsen etwa 80 Elbebiber in 22 Revieren. 2007brachte eine Bestandsaufnahme den fruchtbaren Beleg der Bemühungen -damals wurden 950 Biber in etwa 270 Revieren registriert. Heute stehtder Biber auf der Weißen Liste für erfolgreiche Beispiele imArtenschutz.

Dank gebührt vor allem jenen Tierfreunden, die als Biberbetreuerim Einsatz sind. Die 155 bekannten Reviere des Bibers in Nordsachsenwerden von 40 Ehrenamtlichen betreut. Gottfried Kohlhase (75) zähltzu dieser Spezis. «Gerade von Oktober bis Dezember, wenn der Bibersein Quartier winterfest macht, müssen wir fast jeden Tag raus.» Danngilt es zum Beispiel, Staudämme zurückzubauen, damit die Nager keinenSchaden für die Landwirtschaft anrichten. Kohlhase hat sogar einenwahren «Biberflüsterer» in seiner Gruppe. Der Mann habe es geschafft,dass die scheuen Tiere ihm inzwischen am Schuh knappern, erzählt er.

In 22 Jahren «Leben mit dem Biber» hat Kohlhase diese Tiere genaukennengelernt. Er weiß, dass sie den Eingang zum Bau immer unterWasser halten, um sich so vor Eindringlichen zu schützen. Räuber wieder Mink oder der Fuchs haben es auf die Biber-Jungen abgesehen. BeiRevierkämpfen untereinander kann es ordentlich zur Sache gehen. «Siebringen sich zwar keine tödlichen Wunden zu, aber durch die ständigeNässe heilen sie schlecht», sagt Kohlhase. Angst um den Bestand hater nicht. Allerdings gibt es in der Gruppe der BiberbetreuerNachwuchssorgen. Der Großteil der Leute ist schon 65 und älter.

Vielleicht wird sich das ändern, wenn das Naturparkzentrum in BadDüben noch in diesem Jahr seine Dauerausstellung eröffnet. Darin sollder Biber die Hauptrolle spielen. Schon jetzt stimmt das Haus auf dieNager ein. In den Jahren zwischen 1988 bis 1992 wurden 42 Biber vorallem aus der Dübener Heide in den niederländischen Nationalpark DeBiesbosch umgesiedelt, um dort eine Population zu reanimieren. DieDDR ließ sich das Geschäft in harter Währung versilbern. Seither istauch bekannt, was ein Biber kostet. Für Alttiere ließ sich die DDR1100 D-Mark berechnen, für junge Biber 825.