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Sachsen-Anhalts SPD-Chefin Sachsen-Anhalts SPD-Chefin: Pleiten, Pech und Budde

Von Kai Gauselmann Und Hendrik Kranert-Rydzy 13.11.2015, 20:38
Sachsen-Anhalts SPD-Chefin Katrin Budde
Sachsen-Anhalts SPD-Chefin Katrin Budde DPA Lizenz

Magdeburg - Für jemand, der von einem prominenten Parteifreund gerade brüskiert wurde, sieht Katrin Budde eigentlich noch passabel aus. Vom Weinen gerötete Augen, eine Körperspannung wie ein gerissener Einmachgummi - man sieht der SPD-Spitzenkandidatin aber schon an, dass sie niedergeschlagen ist. Es ist ein Tag, nachdem Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper mit viel Tamtam aus der SPD ausgetreten ist. Es ist der Tiefpunkt in Buddes Bewerbung um das Amt des Ministerpräsidenten in Sachsen-Anhalt. 2015 ist definitiv nicht Buddes Jahr. Den Vorwahlkampf der Magdeburgerin prägen politische Pleiten, persönliches Pech und organisatorische Pannen. Und es hört nicht auf. Heute will Budde den Parteigremien ihre Personalvorschläge für die Liste zur Landtagswahl 2016 vorlegen. Da droht neuer Ärger. Aber der Reihe nach - Buddes Chronologie der Pannen:

Der Ski-Unfall: Alles begann mit ihrem Skiunfall Anfang dieses Jahres. Budde erlitt mehrere Bänderrisse, das warf sie im geplanten Vorwahlkampfprogramm um Wochen zurück. Das Vorhaben, sich schneller und stärker im Land bekannt zu machen, hat sie daher bis heute nicht in die Tat umsetzen können. Ihr Bekanntheitsgrad nimmt jenseits der Magdeburger Ortsteile Diesdorf und Reform umgekehrt proportional zur Entfernung von der Landeshauptstadt ab.

Die Dienstwagen-Affäre: Sechs Wochen nach ihrem Unfall wurde bekannt, dass Budde zudem nicht mit Bahn, Bus oder Privat-Pkw zum Skifahren in die Alpen gefahren war, sondern mit dem fraktionseigenen Dienstwagen, einem Audi A8 Quattro. Die Chefin einer Arbeiterpartei bedient sich privat der Staatskarosse - rechtlich war das in Ordnung. Dass es moralisch problematisch war, hat Budde bis heute nicht eingesehen.

Die Miss-Wirtschaft: Die Krönung zur Spitzenkandidatin am Frauentag Anfang März hätte Glanz verbreiten können, wenn nicht der damals noch der SPD angehörende Magdeburger Oberbürgermeister Trümper Budde aufgefordert hätte, sich im Wahlkampf wirtschaftspolitischen Sachverstands zu bedienen. Es ist ein Frontalangriff auf die Spitzenkandidatin, die sich selber als Wirtschaftsfachfrau sieht und auch schon einmal Wirtschaftsministerin im Landeskabinett war. Dass Trümper mit seiner Kritik nicht völlig daneben liegt, zeigt sich dann Ende Mai: Da hätte die SPD mit ihrer Frontfrau Budde eine wirtschaftspolitische Grundsatzdebatte im Landtag anzetteln können - mit Hilfe einer Großen Anfrage, die die Regierung bereits im Februar beantwortet hatte. Doch die Fraktion vergisst schlicht den Termin, die Debatte rechtzeitig im Landtag zu beantragen. CDU und Opposition feixen - und Budde schäumt vor Wut.

Die SPD mag Haseloff: Mitte September dann liefert die erste Wahlumfrage ein ernüchterndes Ergebnis - die SPD ist meilenweit von ihrem Ziel entfernt, die Linkspartei in der Wählergunst zu überholen. Und: Nur ein Viertel der SPD-Anhänger würde Budde selbst zur Ministerpräsidentin wählen, so eine Direktwahl möglich wäre. Aber jeder zweite Sozialdemokrat würde Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) im Amt bestätigen. Mehr noch ergab die Umfrage: 60?Prozent der SPD-Anhänger sind mit Haseloffs Amtsführung zufrieden; nur 45?Prozent aber mit Buddes Arbeit.

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Der lahme Parteitag: Das strahlt aus: Zur Wahl des Landesvorstandes auf einem Parteitag in der gleichen Woche herrscht Lustlosigkeit bis hin zur Apathie. Einzelne Kritiker melden sich zu Wort - das ist nicht einmal das Problem. Das Schlimme: Niemand steht auf, um sich hinter die Spitzenkandidatin zu stellen. Budde erhält als Landesvorsitzende das laue Wahlergebnis von 79 Prozent - anschließend verlässt sie vorfristig und schmollend den Parteitag. Sie beklagt die Choreografie, weil Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erst nach ihrer Wahl redet. Schuld daran ist Landesgeschäftsführer Oliver Draber, der auch den Wahlkampf organisieren soll. Vier Wochen später meldet sich Draber krank - und wird wohl nicht bis zur Wahl genesen sein.

Die Trümper-Affäre: Der alte SPD-Haudegen Trümper stellt sich in der Frage, wie viele Flüchtlinge Sachsen-Anhalt verträgt, hinter Regierungschef Haseloff und gegen seine Spitzenkandidatin. Budde faltet Trümper zusammen, der versteht es als den Versuch, ihm den Mund zu verbieten - und er verlässt lautstark die SPD.

Der Hacken-Tritt: Dann kommt Mitte Oktober der Parteitag von Leuna. Es scheint, als sei die Wende gelungen - es gibt viele aufrüttelnde Reden, die Mahnung zur Geschlossenheit. Zwei, die in dieses Horn stoßen, sind Finanzminister Jens Bullerjahn und der Magdeburger Bundestagsabgeordnete Burkhard Lischka. Doch das vorgebliche Stärken der Spitzenkandidatin ist nur ein Anlauf nehmen, um ihr mit großem Schwung in den Rücken zu springen: Via „Volksstimme“ teilen Bullerjahn und Lischka in der Vorwoche mit, dass sie Buddes Rot-Rot-Attitüde nicht teilen, sondern ein Bekenntnis für eine Fortsetzung der Großen Koalition abgeben. Das rot-rote Etikett gefährde nicht nur die Spitzenkandidatin, sondern auch die Partei selber, soll Lischka, der sich dazu nicht öffentlich äußert, gesagt haben. Und: Die SPD müsse wieder im besten Sinne eine Partei der Mitte sein. Budde selbst nennt Bullerjahns und Lischkas Erklärungen einen „Tritt in die Hacken“.

Die Liste: Neuer Ärger könnte Budde durch die Wahlliste drohen. In der SPD ziehen für gewöhnlich die meisten Abgeordneten über diese Zweitstimmenliste ins Parlament ein, sie hat also enorme Bedeutung. Gute Chancen hat man nur bis Platz 20. Budde wird am Freitag Parteivorstand und Parteirat einen Listenvorschlag vorlegen. Nach MZ-Informationen soll Fraktionsvize Rüdiger Erben Platz zwei bekommen. Er gilt als Innenminister-Kandidat – hat in der Partei aber einen schweren Stand. Zuletzt ist er zweimal mit Kandidaturen für den Posten als Parteivize durchgefallen. „Kommt Rüdiger auf die Zwei, kann die Liste mit Pech schon da aufgehen“, wird in der Partei geunkt. Ob Kampfkandidatur oder nur ein schlechtes Ergebnis – ramponiert der Listenparteitag im Dezember in Wittenberg Erben, wird auch Budde beschädigt. „Das wird nicht passieren, bis auf einige Profilierungssüchtige steht die Partei hinter Katrin“, meint ein „Buddist“, wie die treuen Anhänger der Spitzenkandidatin intern heißen.

Das Team: Eigentlich wollte Budde kein Schattenkabinett oder Kompetenzteam. Es ist längst klar, dass von den amtierenden vier Ministern allenfalls Justizministerin Angela Kolb ein Regierungsamt anstrebt und auch bekommen kann – die drei Männer sind raus. Das ist im Magdeburger Politbetrieb allen klar - ein Kompetenzteam würde das aber quasi offiziell bestätigen. Dafür würde ein Team aber ein Teil der Kampagnenlast auf mehrere Schultern verteilen.

Die Trümper-Affäre hat Budde auch niedergeschlagen, weil sie persönlich und menschlich enttäuscht ist. Sie spricht jetzt vom alten Partei- und Duzfreund Lutz von „Dr. Trümper“ – mehr sprachliche Distanz geht kaum. Bullerjahn und Lischka haben sie eher wütend gemacht. Sie geht aber professionell damit um: „Ich bin überzeugt, dass wir nur mit einer großen Geschlossenheit die Wahl gewinnen können. Solche Äußerungen sind kontraproduktiv.“

Diesen Tenor hat sie auch am Dienstag vom Parteivorstand absegnen lassen. In dem Beschluss wird die Antwort auf die Koalitionsfrage auf den Wahlabend geschoben. Das heißt auch: Wer vorher öffentlich Farbenspielereien befeuert, verstößt ab sofort gegen einen Vorstandsbeschluss. In diesem Sinne antwortet Budde auf die Frage nach ihrem bevorzugten Regierungsbündnis: „Meine Lieblingskoalition ist die, mit der wir es schaffen, in die Staatskanzlei einzuziehen.“ Sie widerspricht nicht, wenn man ihr das Pannenjahr vorhält, aber sie will auch nicht darauf eingehen. „Der Wahlkampf beginnt jetzt erst.“

Magdeburgs OB Lutz Trümper
Magdeburgs OB Lutz Trümper
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Finanzminister Jens Bullerjahn
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Bundestags-Innenexperte Burkhard Lischka
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