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  7. Weniger Wolfsangriffe in Sachsen-Anhalt trotz steigender Population

Über 200 Tiere gezählt Mehr Wölfe und dennoch weniger Angriffe - Schafe in Sachsen-Anhalt leben wieder etwas sicherer

Obwohl die Zahl der Wölfe steigt, ging die Zahl der Angriffe zurück. Wie Umweltminister Willingmann das erklärt und warum er trotzdem Abschüsse erleichtern will.

Von Hagen Eichler Aktualisiert: 04.12.2023, 19:26
In Sachsen-Anhalt wieder heimisch: 27 Rudel haben ihre Territorien in Sachsen-Anhalt.
In Sachsen-Anhalt wieder heimisch: 27 Rudel haben ihre Territorien in Sachsen-Anhalt. (Foto: IMAGO/imagebroker)

Magdeburg - Die Zahl der Wolfsangriffe auf Weidetiere ist in Sachsen-Anhalt deutlich zurückgegangen. Zwischen Mai 2022 bis April 2023 gab es 59 Attacken, bei denen Wölfe als Urheber belegt sind oder vermutet werden. Das sind 21 Prozent weniger als im Jahr davor. 176 Nutztiere – meist Schafe und Ziegen – wurden getötet. Das entspricht einem Rückgang von 40 Prozent und ist der niedrigste Stand seit fünf Jahren.

Die Entwicklung ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil die Zahl der Wölfe sogar gestiegen ist. Auf dem Landesgebiet lebten mindestens 201 Wölfe. Im Vergleich zur vor einem Jahr gemeldeten Zahl (183) ist das ein Plus von zehn Prozent.

Wölfe in Sachsen-Anhalt: Schutz der Nutztiere durch sichere Zäune?

Das Landesamt für Umweltschutz erklärt die Entwicklung mit dem zunehmend besseren Schutz durch wolfssichere Zäune, vor allem bei professionellen Tierhaltern. „Es gibt gute Möglichkeiten zum Schutz, wenn man sich um ordentliche Zäune bemüht“, sagte Umweltamtspräsidentin Sandra Hagel.

Vor allem im Jerichower Land, wo im vorangegangenen Berichtszeitraum sehr viele Übergriffe verzeichnet wurden, habe sich die Lage gebessert.

Wenn Tiere gerissen werden, trifft es oft Hobbyhalter ohne ausreichenden Schutz. Sechs von zehn angegriffenen Hobbyhaltungen verfügten laut Wolfsmonitoringbericht über keinen ausreichenden Schutz durch Zäune. Oft fehle es am Geld oder die lokalen Gegebenheiten ließen Zäune nicht zu, hieß es. „Wolfsabweisender Herdenschutz bleibt das zentrale Mittel der Wahl“, appellierte Landesumweltminister Armin Willingmann (SPD).

 
Video vom 02.12.2023: Verhaltensregeln für Wolfsbegegnungen gibt das Wolfskompetenzzentrum des Landesamtes für Umweltschutz. (Bericht: Anna Lena Giesert)

Erleichterter Abschuss von Problemwölfen

Die FDP-Landtagsfraktion äußerte allerdings Zweifel an der Aussagekraft der Risszahlen. Immer mehr Weidetierhalter entschieden sich dafür, Verluste nicht zu melden, sagte die FDP-Agrarpolitikerin Kathrin Tarricone. Das Verhältnis zu den Rissgutachtern vom Amt sei „zerrüttet“.

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In diesem Jahr zahlte das Land Zuschüsse für Schutzzäune in Höhe von 460.000 Euro. Allerdings sinken die Hilfen im kommenden Jahr, was Willingmann bedauerte. Zuständig dafür ist das Landwirtschaftsressort von Minister Sven Schulze (CDU).

Im 1000-Meter-Radius soll geschossen werden

Die durch Naturschutzrecht verbotene Jagd auf Wölfe zur Dezimierung des Bestands lehnt Willingmann weiterhin ab. Allerdings kündigte er an, dass Sachsen-Anhalt im ersten Quartal des nächsten Jahres den Abschuss sogenannter Problemwölfe erleichtern werde.

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In Regionen mit vielen Nutztierrissen soll es möglich sein, einen Wolf schon nach dem ersten Überwinden eines „zumutbaren Herdenschutzes“ zu töten. Das soll in einem Radius von 1.000 Metern innerhalb von 21 Tagen möglich sein. Anders als bislang soll es nicht mehr nötig sein, den Angreifer per DNA-Analyse als Wolf zu identifizieren.

Willingmann äußerte die Hoffnung, dass solche Abschüsse eine abschreckende Wirkung auf andere Tiere eines Rudels haben würden. „Wir hören von Verhaltensbiologen, dass sich das rumspricht unter Wölfen“, sagte Willingmann. Den schnelleren Abschuss von „Problemwölfen“ hatte die Umweltministerkonferenz in der vergangenen Woche verabredet.

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Wolf Ronja wurde illegal abgeschossen - Kadaver landete in der Elbe

Die in Sachsen-Anhalt heimischen 201 Wölfe verteilen sich auf 27 Rudel (ein Plus von drei Rudeln), fünf Paare (plus eins) und drei Einzelwölfe (plus eins). Weitere 36 Tiere leben teilweise in Nachbarbundesländern. 14 Tiere wurden im Beobachtungsjahr tot aufgefunden. Fast alle starben durch Einwirkung des Menschen, davon zehn bei Verkehrsunfällen und eines durch illegalen Abschuss.

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Das gewilderte Tier namens Ronja trug einen Sender und wurde vom Wolfskompetenzzentrum Iden (Altmark) überwacht. Der Schütze zerstörte den Sender und warf den Kadaver in die Elbe.

Ein bereits eingestelltes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wurde mittlerweile wieder aufgenommen. Solche Abschüsse seien „völlig indiskutabel“, sagte Umweltminister Willingmann.