1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Landespolitik
  6. >
  7. Neue Details zu umstrittenem Deal: Wie Landtagspräsident Schellenberger auf eigene Faust 5.000 Usbeken anwerben lassen wollte

umstrittener Deal Landesregierung erteilt Absage an Schellenbergers Anwerbeversuch von 5.000 Usbeken

Sachsen-Anhalts Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU) steht in der Kritik, weil er auf eigene Faust die Anwerbung von 5.000 usbekischen Fachkräften vermitteln wollte. Nun sagt die Landesregierung das Unternehmen ab.

Von Jan Schumann Aktualisiert: 06.06.2023, 18:35
Sachsen-Anhalts Landtagspräsident Gunnar Schellenberg (CDU) wollte 5.000 usbekische Arbeitskräfte für Sachsen-Anhalt anwerben.
Sachsen-Anhalts Landtagspräsident Gunnar Schellenberg (CDU) wollte 5.000 usbekische Arbeitskräfte für Sachsen-Anhalt anwerben. (Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

Magdeburg/MZ - Sachsen-Anhalts Landesregierung hat dem umstrittenen Anwerbeversuch von 5.000 usbekischen Arbeitskräften durch Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU) eine Absage erteilt. Das erklärte die Staatskanzlei auf Anfrage der Grünen-Fraktion im Landtag. „Eine Unterzeichnung des Entwurfs des Kooperationsabkommens ist nicht erfolgt", heißt es mit Blick auf ein Papier, das Schellenberger der Landesregierung zuvor vorgelegt hatte. „Unbeschadet dessen, dass zunächst eine Prüfung der Inhalte durch die betroffenen Ressorts und Behörden erfolgen muss, beabsichtigt die Landesregierung nicht, diesen Weg für Anwerbungen von Fachkräften aus Usbekistan weiter zu beschreiten."

Schellenberger war im April in die Kritik geraten, weil er mit den selbstständigen Anwerbeversuchen usbekischer Fachkräfte seine Kompetenzen als Parlamentspräsident überschritten haben soll. Grüne und Linke kritisieren, dass Schellenberger laut Verfassung das Land Sachsen-Anhalt nur in Angelegenheiten des Landtags vertrete. Für die Außenvertretung von Land und Bund seien stattdessen die jeweiligen Regierungen zuständig.

Lesen Sie auch: Kommentar zum geplatzten Usbekistan-Deal - Eine katastrophale Bilanz

Grünen-Fraktion: "Scheitern war absehbar"

„Der Landtagspräsident hat unprofessionell agiert und alle verfassungsrechtlichen Kompetenzen ignoriert", kritisierte Grünen-Innenpolitiker Sebastian Striegel am Dienstag. „Das Scheitern der Anwerbeinitiative war leider absehbar. Das ist schade, denn Sachsen-Anhalt braucht Fachkräfte." Striegel erklärte weiter: „Wir fordern die Landesregierung auf, eine geordnete Strategie zur Anwerbung von Fachkräften zu entwickeln und umzusetzen."

Lesen Sie auch: Grüne und Linke fordern Aufklärung zu Schellenbergers geheimen Usbekistan-Deal

Durch eine zweite Parlamentsanfrage der Linken wurden am Dienstag zudem weitere Details zur Causa bekannt – sie zeigen, wie Parlamentspräsident Schellenberger auf eigene Faust handelte, ohne zuständige Fachministerien mit klaren Ankündigungen einzubeziehen. So erklärte die Staatskanzlei nun, dass Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) durch Schellenberger lediglich „am Rande eines Gesprächs darüber informiert“ wurde, „dass er gute Kontakte nach Usbekistan habe und diese nutzen wolle. Näheres wurde nach Erinnerung von Herrn Minister Schulze in diesem Zusammenhang nicht erörtert.“

Unklar ist, wann genau diese Unterhaltung stattfand. „Eine konkrete zeitliche Einordnung dieses Gesprächs ist Herrn Minister Schulze nicht mehr möglich“, heißt es auf Anfrage der Linksfraktion.

Präsident auf eigene Faust: „Das Arbeitsministerium wurde nicht involviert“

Zudem schreibt die Landesregierung: „Im Weiteren hatte der Landtagspräsident am Rande der Plenarsitzung des Landtags am 23. März 2023 Herrn Ministerpräsidenten Dr. Haseloff darüber mündlich informiert, dass er mit dem Botschafter von Usbekistan im Kontakt stehe und ein Vorgang auf den Ministerpräsidenten zulaufen werde.“ Schellenberger bestreitet indes, im Alleingang gehandelt zu haben, und spricht von „Einvernehmen“ mit Haseloff und Schulze.

Im Vorfeld nicht einbezogen war das zuständige Landesarbeitsministerium unter Petra Grimm-Benne (SPD). Das Ressort hatte unmittelbar nach Bekanntwerden des umstrittenen Schellenberger-Deals klargestellt: „Das Arbeitsministerium wurde zur Vorbereitung einer systematischen Anwerbung usbekischer Fachkräfte nicht involviert.“

Lesen Sie auch: Landtagspräsident Schellenberger bricht Schweigen zum Usbekistan-Deal

Linksfraktions-Chefin Eva von Angern kritisierte am Dienstag die Landesregierung, dass sie Schellenberger nicht frühzeitig Grenzen aufzeigte. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Landesregierung um Ministerpräsident Haseloff, obwohl sie frühzeitig informiert war, nicht interveniert hat", so von Angern. „Erst Staatsminister Robra hat in einer privaten Nachricht an den Landtagspräsidenten deutlich gemacht, dass dieser so nicht weitermachen kann, weil die Zuständigkeit zur Anwerbung von Fachkräften nicht beim Landtagspräsidenten liegt." Von Angern äußerte ungewöhnlich scharfe Kritik am Landtagspräsidenten, dem protollarisch ranghöchsten Politker im Bundesland: „Der Landtagspräsident hat seinen Aufgabenbereich überschritten", er habe diese Arbeit lieber Experten überlassen sollen.

Die Linksfraktion-Chefin fragte die Landesregierung deshalb auch, wie diese die Anwerbeversuche des Parlamentspräsidenten bewertet. Eine klare Wertung vermeidet die Staatskanzlei nun. „Nach Kenntnis der Landesregierung war der Landtagspräsident in der Sache einbezogen worden“, heißt es in der aktuellen Antwort. Zudem betont die Staatskanzlei die hohe Bedeutung ausländischer Fachkräfte für die Wirtschaft Sachsen-Anhalts.

Bundesagentur für Arbeit sollte Möglichkeiten zur Anwerbung prüfen

Das Aus für den Usbekistan-Deal wollte Schellenberger am Dienstag nicht kommentieren. „Es gilt die Entscheidung der Landesregierung“, so eine Sprecherin der MZ.

Treibende Kraft hinter dem nun geplatzten Deal war die in Dessau-Roßlau ansässige GfM-Gruppe. Das Unternehmen arbeitet im Bereich Weiterbildung – unter anderem in der Pflege – und bemüht sich um Personal aus Usbekistan. Auf Grünen-Anfrage legt die Staatskanzlei dar: „Die Landesregierung geht davon aus, dass der Entwurf eines Kooperationsabkommens im Wesentlichen von der GfM GmbH & Co. KG erarbeitet worden ist.“ Schellenberger fungierte demnach als Mittelsmann zwischen GfM und Landesregierung, legte der Staatskanzlei den Entwurf des Kooperationsabkommens mit Usbekistan vor.

Staatskanzlei: Abkommen hätte "weitreichende" Auswirkungen gehabt

Nach Bekanntwerden von Schellenbergs Usbekistan-Initiative hatten zuletzt die Bundesagentur für Arbeit und das Auswärtige Amt die mögliche Anwerbung usbekischer Fachkräfte geprüft, zudem war Sachsen-Anhalts Arbeitsministerium eingespannt worden. Schellenberger hatte vorher bereits einen fertigen Entwurf für ein Kooperationsabkommen mit Usbekistan vorgelegt.

Dazu schreibt die Staatskanzlei nun: „Die im Entwurf zum Kooperationsabkommen aufgeführten Punkte skizzieren weitreichende finanzielle, formale und personelle Auswirkungen und Haftungsverpflichtungen für die Kooperationspartner, die eine Befassung durch die betroffenen Ressorts und Behörden unumgänglich machen.“ Mittlerweile scheint die Entscheidung aber gefallen: gegen den Deal.

Weitere Gespräche Schellenbergers zur Anwerbung ausländischer Fachkräfte seien der Landesregierung nicht bekannt, schreibt die Staatskanzlei auf Linken-Anfrage.