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Nach der Razzia im Landtag 72.000 Euro für Zulagen - sachsen-anhaltische CDU-Fraktion hält an Extra-Zahlungen fest

Die Staatsanwaltschaft in Magdeburg ermittelt wegen möglicher Untreue - zu Unrecht, ist die CDU-Landtagsfraktion überzeugt. Wie sie ihre Gehaltszuschläge verteidigt.

Von Christopher Kissmann und Hagen Eichler 02.07.2025, 18:48
Ein Mannschaftswagen der Polizei sperrt am Dienstag die Straße vor dem Landtag ab, während drinnen Beamte Büros durchsuchen.
Ein Mannschaftswagen der Polizei sperrt am Dienstag die Straße vor dem Landtag ab, während drinnen Beamte Büros durchsuchen. (Foto: Hagen Eichler)

Magdeburg/MZ - Die Gesamtsumme der ausgezahlten umstrittenen Zulagen für Landtagsabgeordnete in Sachsen-Anhalt ist deutlich höher als bisher bekannt. Die CDU-Landtagsfraktion gewährte die Aufschläge auf die Diäten nicht nur 2021 und 2022, sondern bis heute. Das bestätigte eine Sprecherin der CDU-Fraktion der MZ.

Die Staatsanwaltschaft Magdeburg hatte am Montag bei einer Razzia Landtagsbüros der Fraktionen von CDU, AfD und SPD durchsucht. Im Raum steht der Straftatbestand der Untreue, da die strittigen Zahlungen im Abgeordnetengesetz nicht vorgesehen sind.

CDU-Fraktion zahlt Gehalts-Plus zwischen 532 und 683 Euro

Laut CDU-Fraktion erhalten die Vorsitzenden der zehn fraktionsinternen Arbeitsgruppen zusätzlich zu ihren Diäten eine monatliche Zulage von 531,64 Euro, während Vize-Fraktionschef Frank Bommersbach 682,50 Euro erhält. Die Zulagen innerhalb der CDU-Fraktion summieren sich demzufolge auf jährlich 72.000 Euro.

Die Christdemokraten halten das Vorgehen auch weiterhin für zulässig. Eine Sprecherin sagte, es handele sich nicht um Zulagen für parlamentarische Funktionen, die im Abgeordnetengesetz vorgesehen sind, sondern um Entschädigungen für fraktionsinterne Aufgaben. Zudem habe man auf die 2023 eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Untreue-Ermittlungen reagiert, indem die eigentlich vorgesehene Erhöhung der Zulagen 2024 und 2025 ausgesetzt wurde. Laut Satzung der Fraktion wäre eine Anpassung an die allgemeine Kostenentwicklung fällig gewesen.

Ein Rechtsgutachten gab grünes Licht für die Zahlungen

Die CDU-Fraktion stützt sich bei ihren Zahlungen auf ein im Juni 2024 erstelltes Rechtsgutachten der Landtagsverwaltung, das der MZ vorliegt. Das Papier stellt fest, dass die Zulagen – anders als etwa in Bayern und Hamburg – in Sachsen-Anhalt „nicht ausdrücklich geregelt“ seien. Die Zulässigkeit ergebe sich aber „mittelbar“ aus einem Passus im Fraktionsgesetz. Diesem zufolge könnten Fraktionen Zahlungen abrechnen, die sie an Abgeordnete „für die Ausübung besonderer Aufgaben in der Fraktion“ geleistet hätten.

Im Abgeordnetengesetz hingegen ist seit einer Parlamentsreform festgelegt, dass zusätzliche Entschädigungen nur noch an bestimmte Funktionsträger wie den Landtagspräsidenten, seine Stellvertreter, Fraktionsvorsitzende und parlamentarische Geschäftsführer gezahlt werden dürfen. Darüber hinausgehende Zulagen aus Fraktionsmitteln sind dem Gesetzeswortlaut zufolge unzulässig.

Vertrauen in politische Institutionen entsteht nur durch rechtskonformes und nachvollziehbares Handeln.

Olaf Meister (Grüne)

Die Opposition übt daher Kritik: „Wir fordern die CDU dazu auf, diese Zahlungen unverzüglich zu beenden. Bis das Verfahren endgültig abgeschlossen ist, muss seitens der CDU-Abgeordneten strikte Zurückhaltung gelten“, teilte die Linke mit.

Auch die Grünen sehen einen Verstoß gegen geltendes Recht. „Vertrauen in politische Institutionen entsteht nur durch rechtskonformes und nachvollziehbares Handeln. Wer dieses Vertrauen beschädigt, schadet dem ganzen Parlament“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer Olaf Meister. Wenn solche Zahlungen erfolgten, seien diese zu stoppen, forderte die Grünen-Fraktion.

Früher zahlten sogar drei Fraktionen Zulagen

In den Jahren 2021 und 2022 sollen bei CDU, AfD und SPD insgesamt knapp 150.000 Euro für Funktionszulagen gezahlt worden sein. Laut dem Bund der Steuerzahler wies die CDU-Fraktion in ihrer Rechnungslegung für 2021 Zahlungen in Höhe von 66.000 Euro aus, für 2022 waren es 47.250 Euro – jeweils für „besondere Funktionen in der Fraktion“. Für die AfD-Fraktion seien 2021 rund 25.600 Euro dokumentiert, für die SPD-Fraktion 7.500 Euro, hieß es.

Der Landesrechnungshof Sachsen-Anhalt hatte die Zahlung von Mehraufwandsentschädigungen an Arbeitsgruppenvorsitzende sowie Vizefraktionschefs im Jahr 2023 als „verfassungsrechtlich sehr bedenklich“ eingeordnet. Derartige Zahlungen seien „gar nicht vereinbar“ mit dem Abgeordnetengesetz in Sachsen-Anhalt, hieß es.