Verstoß gegen die Hausordnung? Neue Fotos belegen Schlager-Sause zu Roland Kaiser im Büro des Landtagspräsidenten
Bereits während einer angeblichen Dienstberatung sah sich Landtagspräsident Gunnar Schellenberger ein Konzert von Roland Kaiser an. Fragen dazu lässt der CDU-Politiker unbeantwortet.

Magdeburg - Ein Konzert von Roland Kaiser? Nichts für den Präsidenten. Mit dieser Musik könne er so gar nichts anfangen, beschied Sachsen-Anhalts Landtagschef Gunnar Schellenberger (CDU) seine Fraktionskollegen am Dienstagmorgen – so erinnern sich Teilnehmer der Runde. Den Schilderungen zufolge setzte Schellenberger noch einen drauf: Der Schlagersänger sei ja – auch das noch! – Sozialdemokrat. Den zu einer Klausurtagung im Südharz versammelten CDU-Abgeordneten reichte das als Erklärung. Nachfragen gab es nicht.
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Landtagspräsident Schellenberger: Kritik nach Roland-Kaiser-Konzert in Magdeburg
Dass sich ein Landtagspräsident genötigt fühlt, über ein Schlagerkonzert Auskunft zu geben, ist höchst ungewöhnlich. Und doch wird Schellenberger das Thema einfach nicht los. Es geht um zwei schlichte Fragen:
Hat der Landtagspräsident am Abend des 12. August sein Büro genutzt, um vom Balkon herab kostenlos ein Konzert auf dem Domplatz anzusehen? Und hat er, zweitens, über diese Tatsache die Unwahrheit gesagt? Das erste wäre ein vergleichsweise harmloses Vergehen, ein Verstoß gegen die Hausordnung des Landtags. Das zweite könnte seine politische Karriere gefährden.
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Foto stellt offiziellen Aussagen zu Kaiser-Konzert in Frage
Schellenbergers Problem: Viele bekannt gewordene Details zu dem Abend passen kaum zu seinen offiziellen Aussagen. Wenn der CDU-Mann für den sozialdemokratischen Herzschmerz-Sänger nichts übrig hat – warum stand er dann an jenem Sonnabend zusammen mit vergnügten Menschen auf dem Balkon seines Büros und blickte in Richtung Bühne? Neue, der MZ vorliegende Fotos verschärfen Schellenbergers Erklärungsnot noch.
Denn auf seinem exponierten Platz über den Köpfen vieler Zaungäste des Konzerts wurde der Politiker mehrfach fotografiert. Ein bereits bekanntes Bild wurde den Bilddaten zufolge um 20.14 Uhr aufgenommen, es zeigt Schellenberger und drei Frauen in gelöster Stimmung. Ein der MZ nun ebenfalls vorliegendes Foto entstand mehr als eine Stunde später, um 21.31 Uhr. Zu sehen sind zwei Frauen auf dem Balkon sowie ein Mann, der an einem geöffneten Fenster steht – augenscheinlich Schellenberger.
Die Räume in den Gebäuden des Landtages dienen ausschließlich parlamentarischen Zwecken und sind für diese Zwecke zu nutzen.
Aus der Hausordnung des Landtags
Somit steht der Verdacht im Raum, dass Schellenberger sein Büro als kostenlose Loge genutzt, das Eintrittsgeld gespart und sich mit Freunden oder Bekannten einen schönen Abend gemacht hat. Sollte das so sein, wäre das ein Verstoß gegen die Hausordnung. „Die Räume in den Gebäuden des Landtages dienen ausschließlich parlamentarischen Zwecken und sind für diese Zwecke zu nutzen“, heißt es dort.
Das Regelwerk trägt die Unterschrift von Schellenberger selbst. Hätte er also seine eigene Hausordnung gebrochen, dürfte das bei vielen Abgeordneten für Kritik sorgen: Vom Präsidenten wird erwartet, dass er sich vorbildlich verhält.
Schellenberger weist Kritik von sich
Doch von einem Verstoß will der Politiker partout nichts wissen. Am Abend des Konzerts, einem Sonnabend, habe er den Landtag rein dienstlich betreten, behauptet er. Erst „nach Ende des Termins“ hätten die Teilnehmer der Besprechung vom Balkon einen Blick auf das Konzert geworfen, hieß es weiter.
„Nach Ende des Termins“ – das würde bedeuten: nach 21.30 Uhr. Denn bis zu diesem Zeitpunkt dauerte die Beratung den offiziellen Angaben zufolge. Warum aber waren dann schon um 20.14 Uhr gut gelaunte Frauen mit Sekt- oder Weingläsern auf dem Balkon?
Offene Fragen lässt der Landtagspräsident am Mittwoch unbeantwortet
Weitere Fragen kommen hinzu. Wenn die Runde eine dienstliche Unterredung war – ist das durch einen Eintrag im offiziellen Kalender belegt? Haben die Gäste wie vorgeschrieben einen Hausausweis erhalten? Ohne den gelben Zettel, der sichtbar an der Kleidung zu tragen ist, darf keine externe Person das Landtagsgebäude betreten. Schellenbergers Büro ließ diese Fragen bis zum Redaktionsschluss am Mittwochabend unbeantwortet.
Für Beobachter reiht sich die Balkonaffäre in eine Reihe ähnlicher Vorfälle ein. 2018 besorgte sich der damalige Staatssekretär als Dienstwagen einen 7er BMW mit Massagesitz. Die Begründung: Wegen eines Hüftschadens könne er in einem normalen Autositz nicht fahren. 2019 wurde bekannt, dass Schellenberger nach Singapur fliegen wollte – obwohl es dort keine dienstlichen Termine gab.
2021 kam heraus, dass Schellenberger auf Steuerzahlerkosten und während der Arbeitszeit einen Englischkurs absolviert hatte.
Jüngst deckte zudem die MZ auf, dass Schellenberger versucht hatte, 5.000 Usbeken nach Sachsen-Anhalt zu holen – obwohl er dafür keinerlei Zuständigkeit hat und die zuständigen Ministerien nicht eingebunden waren.