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Explosion im Kraftwerk Deuben Tödliche Explosion in Deuben: Raucherpause rettete Rainer Junge vor 31 Jahren das Leben

Von Alexander Kempf 22.09.2017, 08:15
Eine Raucherpause rettete Rainer Junge vor 31 Jahren das Leben. Den Unfall im Backsteingebäude hat er noch gut in Erinnerung.
Eine Raucherpause rettete Rainer Junge vor 31 Jahren das Leben. Den Unfall im Backsteingebäude hat er noch gut in Erinnerung. Peter Lisker

Deuben - Rauchen ist tödlich, steht mahnend auf vielen Zigarettenpackungen. Rainer Junge aus Teuchern aber verdankt einer Zigarette sein Leben. Weil er sich vor 31 Jahren noch eine ansteckt, verpasst er eine gewaltige Explosion im Kraftwerk Deuben. „Ich sagte mir, ich rauche noch eine. Das war mein Glück“, erzählt der 69-Jährige. Andere haben das nicht. Den Unfall im Kraftwerk bezahlen ein halbes Dutzend Männer mit ihrem Leben.

Rainer Junges Kollege Jürgen Saupe wird den 23. September 1986 niemals vergessen. Er war damals Baustellenleiter im Kraftwerk Deuben. Der VEB Industrie- und Rohrleitungsmontagen Zeitz erneuerte dort schon seit 1984 nach und nach die alten Kessel. Die waren da bereits drei Jahrzehnte im Dienst und das Material müde.

Am Tag der Havarie hat auch Jürgen Saupe Glück im Unglück

Am Tag der Havarie hat auch Jürgen Saupe Glück im Unglück. Eigentlich soll er im Kesselhaus mit den Kollegen eine Rohrleitung auf der zwölf Meter hohen Bühne verlegen. Doch der VEB Kesselbau wünscht eine Veränderung und es braucht neues Material. Also macht sich Jürgen Saupe gegen 11.30 Uhr erstmal auf den Weg zur Mittagspause. „Unmittelbar beim Verlassen des Kesselhauses erschütterte eine gewaltige Explosion das ganze Kraftwerk“, berichtet er.

Drahtglassplitter und Schamottesteine flogen anschließend wie Geschosse durch die Luft, erinnert sich Jürgen Saupe. Die Kessel seien heruntergefallen und selbst das Dach des Kraftwerkes habe es herausgedrückt, erzählt Rainer Junge. Beide berichten von Rohren, die es wie Trinkhalme zerdrückte. „Dann hörten wir nur noch das Zischen entweichenden Dampfes, eine schokoladenbraune Wolke zog Richtung Zeitz“, beschreibt Jürgen Saupe die womöglich dramatischsten Minuten seines Lebens.

480 Grad heißer Dampf war explosionsartig entwichen

Den Anblick zweier aus dem Kraftwerk torkelnder Bekannter wird er nie vergessen, sagt Jürgen Saupe. „Ein vager Blick ins Innere stellte uns vor Tatsachen, ein Kessel war explodiert. Der Sammler oder die Trommel unter der Kesseldecke in 22 Meter Höhe hatten durch Materialermüdung einen Abriss und 480 Grad heißer Dampf war explosionsartig entwichen“, erklärt er.

Auf dem Weg zur Ambulanz bot sich ein trauriger Anblick. „Überall Verletzte, meist mit starken Verbrühungen, da waren unsere Wunden eine Lappalie“, so Jürgen Saupe. Sechs Menschen vom Kesselbau Zeitz und Kollegen von Deuben seien nicht sofort, aber nach qualvollen Stunden ihren Verletzungen erlegen. Hinzu kämen über zwanzig mehr oder weniger Verletzte.

Keine Fotos vom Unglück: Damals gab es noch keine Smartphones mit Kamera

Bilder von dem Vorfall haben die beiden Überlebenden nicht. Damals gab es noch keine Smartphones mit Kamera, erklärt Rainer Junge. „Wir durften auch gar nicht rein“, erzählt er. Denn das Kraftwerk ist für rund 14 Tage abgeschirmt worden. Erst ein paar Tage später habe der Vorfall in der Zeitung gestanden. Viel Aufhebens wurde darum nicht gemacht.

Auch die Mibrag kann als Nachfolger kein Bildmaterial zur Verfügung stellen. Ein gut sortiertes Archiv über diese Zeit fehle laut Pressesprecherin Sylvia Werner. Das Kraftwerk im markanten Backsteinbau ist später erneuert worden. Wer den Unfall wie Rainer Junge aus nächster Nähe erlebt und überlebt hat, der vergisst ihn nicht mehr. „Das hängt noch im Koppe“, sagt der Senior aus Teuchern.

Das ganze Ausmaß des Unfalls wurde in der DDR nicht thematisiert

Laut Jürgen Saupe soll das Unglück am Abend sogar Thema in der Tagesschau und der Aktuellen Kamera gewesen sein. In der Sendung des DDR-Fernsehens sei sein Kollege Werner Kobelt sogar mit Turban auf dem Kopf interviewt worden. Das ganze Ausmaß des Unfalls sei aber nicht thematisiert worden.

„Heute nach dreißig Jahren, müssen wir uns im Grunde bei den Kollegen vom Kesselbau „bedanken, dass wir von Ärgerem verschont blieben. Sie hatten nicht das Glück. Normal hätte es uns auch voll erwischt“, sagt der damalige Baustellenleiter der VEB Industrie- und Rohrleitungsmontagen Zeitz. Er erachtet es als wichtig, dass 31 Jahre nach ihrem Tod an die Opfer erinnert werde. Hätte sich die Havarie nicht während der Mittagszeit ereignet, ist Jürgen Saupe überzeugt, hätten noch viel mehr Menschen ihr Leben verloren. (mz)