Debatte über Tierhaltung Schock beim Fotoshooting - Leopardenangriff auf Model wirft viele Fragen auf
Im beschaulichen Wangen in Sachsen-Anhalt greift ein Leopard bei einem Fotoshooting ein Model an und verletzt die Frau schwer. Der Vorfall wirft viele Fragen auf.

Wangen/dpa - Als wäre nichts geschehen, räkeln sich die beiden Leoparden Troja und Paris in ihren Behausungen. Unweit davon blickt das gescheckte Pony Jordan interessiert zum Tor. Ansonsten ist es am Mittwoch ruhig auf dem kleinen Hof - nur einen Steinwurf weit entfernt vom Fundort der berühmten Himmelsscheibe von Nebra. Von dem Drama, das sich am Vortag in der Kleinstadt im sachsen-anhaltischen Burgenlandkreis abgespielt haben muss, ist - abgesehen von der Medienpräsenz - nichts zu spüren.
Am Dienstag hatte einer der beiden Leoparden eine 36-jährige Frau bei einem Fotoshooting schwer verletzt. Nach Informationen der Polizei soll das Wildtier in einem Gehege das Model aus Thüringen im Kopfbereich gebissen haben. Die Frau wurde mit einem Hubschrauber in eine Spezialklinik gebracht. Zu ihrem Zustand machten die Beamten keine weiteren Angaben. Wie es zu dem Angriff kam, ließen sie zunächst auch offen. Wer das Fotoshooting veranstaltet hat und ob noch weitere Menschen dabei waren, blieb zunächst ebenfalls unklar.

Die 48-jährige Halterin der Tiere wollte sich nicht zu dem Geschehen äußern. Sie habe sich in Abstimmung mit der Kreisverwaltung des Burgenlandkreises und der Polizei dazu entschlossen, zu dem Vorfall zunächst zu schweigen, schrieb sie über einen Kurznachrichtendienst. Gegen sie als Verantwortliche für das Tier werde wegen Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung ermittelt, sagte ein Polizeisprecher in Halle.
Die 48-Jährige hatte die Leoparden laut Internetwerbung wie auch andere Tiere für Fotoshootings angeboten. Die von ihr betriebene sogenannte Seniorenresidenz für Showtiere im Süden Sachsen-Anhalts existiert erst seit wenigen Jahren. Dort werden Tiere nach ihrem „Arbeitsleben“ im Showgeschäft untergebracht.
Im Juni 2019 zogen die beiden Leoparden ein, heißt es im Internetauftritt des Gnadenhofes. Bei dem Areal handelt es sich um eine private Anlage inmitten eines Ortsteiles von Nebra. Die Besitzerin ist nach eigener Aussage seit mehr als 20 Jahren Tiertrainerin, sie arbeitete in mehreren Zirkussen und Freizeitparks.
Außerdem soll laut Kreisverwaltung des Burgenlandkreises die Amtstierärztin die beiden Leoparden auf dem Gnadenhof für Showtiere am Mittwochnachmittag in Augenschein genommen haben. Ein Ergebnis steht bisher noch aus.
Bei der Begutachtung soll es insbesondere um die artgerechte Haltung und den Zustand des Geheges gegangen sein. Erst in diesem Monat waren die Tiere und deren Behausung laut Kreis überprüft worden. Demnach gab es nichts zu beanstanden.
Nachbarn des Gnadenhofes nicht glücklich über Leoparden-Haltung
Die Haltung von Leoparden ist laut Landkreis nicht genehmigungspflichtig. Dem Veterinäramt obliegt es nur, die tierrechtlichen Voraussetzungen der Unterbringung regelmäßig zu prüfen. Außerdem ist der Bau eines Geheges durch den Landkreis genehmigungspflichtig. Diese Genehmigung wurde schon 2019 beim Einzug der Tiere erteilt. Anschließende Sicherheitskontrollen - zuletzt am 18. August 2021 - verliefen den Angaben zufolge ohne Beanstandung.
Ein Großteil der Nachbarschaft scheint über die vierbeinigen Nachbarn nicht glücklich zu sein. Einige äußerten Sicherheitsbedenken. Außerdem brächten die Leoparden sie mitunter um den Schlaf. Andere stellten in Frage, dass die Unterbringung auf dem vergleichsweise kleinen Hof einer artgerechten Haltung der Tiere entspreche.

Die Halterin soll vor dem Eintreffen der Leoparden 2019 nach Angaben von Nachbarn per Rundschreiben die Anwohner gebeten haben, sie bei der Aufnahme der Tiere zu unterstützen und ihr „keine Steine in den Weg“ zu legen. Die Tiere dürfe man keiner ungewissen Zukunft aussetzen, da bisher alle „Anfragen bei möglichen Auffangstation“ abgelehnt worden seien. „Die Sicherheit für Menschen und Tiere sind absolut und zu 100 Prozent gegeben“, heißt es in dem Schreiben.
In Sachsen-Anhalt hatten sich zuletzt Vorfälle mit Wildtieren gehäuft. Erst kürzlich war aus einer Wohnung in Haldensleben eine Würgeschlange entwichen.
Aus Sicht des Landestierschutzbeauftragten von Sachsen-Anhalt, Marco König, wissen die Behörden sehr oft gar nicht, wer privat Tiere wie Leoparden hält. Daher müsse die private Haltung von gefährlichen Tieren eindeutig gesetzlich geregelt werden. Man sei bestrebt, innerhalb der bisherigen Landesregierung eine Regelung zu finden, sagte König. Derweil fordert die Tierrechtsorganisation Peta die Schließung der Anlage in Nebra.
Rüdiger Erben, innenpolitischer Sprecher der SPD, kritisierte gegenüber der MZ: „In Sachsen-Anhalt ist jeder Hund registriert, aber wir wissen nicht, wer zu Hause einen Leoparden oder eine Schlange hält.“