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Fremdenhass in Tröglitz Fremdenhass in Tröglitz: Negativ-Image kann Wirtschaft gefährden

Von Sebastian Münster 21.03.2017, 11:13
Das US-Unternehmen Puraglobe ist einer der größten Arbeitgeber im Industriepark Zeitz.
Das US-Unternehmen Puraglobe ist einer der größten Arbeitgeber im Industriepark Zeitz. Torsten Gerbank

Tröglitz - Der Osten steckt im Teufelskreis: Das sagte Oliver Holtemöller vom halleschen Institut für Wirtschaftsforschung (IWH) der MZ zu Beginn des Monats. Damit meint der Experte die möglichen Auswirkungen von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus auf den Wirtschaftsstandort Ostdeutschland.

Das Gefühl, abgehängt zu sein, begünstige Fremdenfeindlichkeit. Die wiederum wirke sich nachteilig auf die wirtschaftliche Entwicklung aus. Aber ist das so?

Geschäftsführer der Infra Zeitz Service-Gesellschaft: „Natürlich sind solche Schlagzeilen für die Standortentwicklung gefährlich.“

Einer, der es wissen muss, ist Arvid Friebe. Der Geschäftsführer der Infra Zeitz Service-Gesellschaft sucht ständig Mieter und Investoren für den Chemie- und Industriepark Zeitz. Der liegt in Tröglitz. Der Ortsteil der Gemeinde Elsteraue ist 2015 wegen rechter Demos und eines brennenden Asylbewerberheims in die Schlagzeilen geraten.

Darauf angesprochen worden ist Friebe nach eigenem Bekunden auf Messen und bei der Investorenwerbung nicht. Doch für den Wirtschaftsförderer ist klar: „Natürlich sind solche Schlagzeilen für die Standortentwicklung gefährlich.“

Großteil der Arbeitgeber im Industriepark hat ausländische Wurzeln

Hinzu kommt, dass ein Großteil der Arbeitgeber im Industriepark ausländische Wurzeln hat. „Es sind unter anderem amerikanische, ukrainische, italienische und chinesische Investoren, die hier rund 1.000 Jobs geschaffen haben“, so Friebe. Rund 80 Prozent der Mitarbeiter der Tröglitzer Unternehmen stammten aus dem Altkreis Zeitz, schätzt der Geschäftsführer.

Die Region stehe letztlich auch im Wettbewerb mit benachbarten Großstädten wie Leipzig, die häufig einen eher weltoffenen Ruf genießen. Die tatsächlichen wirtschaftlichen Auswirkungen von Fremdenfeindlichkeit sind letztlich nur schwer belegbar. „Unklar ist beispielsweise, wie viele Arbeitskräfte oder Investoren sich von vornherein gegen die Region entscheiden“, so Friebe.

US-Ölveredler Puraglobe in Tröglitz: Manche Kandidaten sagen ab

Dass es diese Menschen gibt, weiß Sönke Möhr. Der für Marketing und Vertrieb zuständige Mitarbeiter beim Tröglitzer Standort des US-Ölveredlers Puraglobe ist selbst häufig in Bewerbungs-Interviews anwesend. „Da taucht die Frage nach Tröglitz schon manchmal auf.“

Doch Grund für eine Absage ist der Standort nach Möhrs Kenntnis bislang nie gewesen. Ohnehin bezieht Puraglobe den Großteil seiner Arbeitskräfte aus der Region.

Anders ist das im Rennen um Führungs- und Fachkräfte mit spezieller Ausbildung: Um sie zu werben, greift das Unternehmen auf sogenannte Headhunter zurück, die die Suche nach geeigneten Bewerbern für ihre Auftraggeber übernehmen. „Die berichten uns hin und wieder, dass einige Kandidaten einen Umzug in den ländlichen Raum Ostdeutschlands von vornherein ablehnen“, so Möhr.

Nicht Tröglitz hat das Imageproblem, sondern allgemein der Osten Deutschlands

„Für die, die nicht von hier stammen, hat die Entscheidung ja auch viel mehr Tragweite“, erinnert der Marketing-Mitarbeiter, der selbst aus Hamburg stammt. Familie und Kinder müssen mitziehen und sich mit der neuen Umgebung anfreunden können.

Ein Image-Problem hat aus Möhrs Sicht aber nicht mehr Tröglitz im Speziellen sondern eher Ostdeutschland im Allgemeinen. „Die meisten Menschen haben längst vergessen, wo Tröglitz liegt“, glaubt der Puraglobe-Mitarbeiter.

Präsenter seien den Menschen heute eher Pegida und Europas Rechtspopulisten im Allgemeinen. „Fremdenfeindlichkeit ist keine Tröglitzer Erfindung, sondern das ist ein europäisches Problem.“

Deutschland in Ost und West zu denken, sei in der jüngeren Generation außerdem nach Sönke Möhrs Erfahrung weit weniger verbreitet.

Chemieunternehmen Radici in Tröglitz: „Ein schlechtes Image für Tröglitz ist ein schlechtes Image für uns.“

Dass der Ruf eines Standorts wichtig ist, liegt für Jens Metzner auf der Hand. Er leitet im Industriepark das Werk des italienischen Chemieunternehmens Radici. „Ein schlechtes Image für Tröglitz ist ein schlechtes Image für uns“, so Metzner. Tatsächliche negative Auswirkungen für die Entwicklung des Standorts haben sich nach Ansicht des Werkleiters aus den Ereignissen des Jahres 2015 aber nicht ergeben.

Natürlich sei das auch in der Radici-Belegschaft Thema gewesen. Unter den 180 Mitarbeitern des Standorts seien jede Menge Tröglitzer, so Metzner. „Und es ist wichtig, dass über diese Themen gesprochen wird.“

Metzner gibt aber auch zu Bedenken: Im Rennen um Arbeitskräfte habe es Radici aus Sicht des Werkleiters derzeit noch leicht. „Wir sind ein junges Unternehmen und zahlen den vollen Chemietarif.“ Doch spätestens wenn ein Generationswechsel in der Belegschaft anstehe, steige der Fachkräftebedarf im Radici-Werk rasant.

Eine internationale Belegschaft haben die von der MZ befragten Unternehmen heute übrigens kaum noch. Zahlreiche Italiener haben den Aufbau des Radici-Werkes ab 1999 unterstützt. Und auch bei Puraglobe haben US-Amerikaner gearbeitet. Heute arbeiten vor allem Menschen aus der Region am Standort.

Doch Weltoffenheit bleibt wichtig: „Wir haben praktisch täglich mit Italienern zu tun. Für uns ist das essenziell wichtig“, so Radici-Werkleiter Jens Metzner. (mz)