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Prozess gegen Adrian Ursache Adrian Ursache: Prozess gegen Ex-Mister Germany beginnt - Die blutigen Fantasien eines Reichsbürgers

Von Steffen Könau 09.10.2017, 05:35
Staatsgründer Adrian Ursache (M., mit Basecap) umringt von Unterstützern vor der Räumung seines Hauses.
Staatsgründer Adrian Ursache (M., mit Basecap) umringt von Unterstützern vor der Räumung seines Hauses. Andreas Stedtler

Reuden/Halle (Saale) - Und wenn er dabei sterbe. Dann werde er eben sterben! Dann müsse er sogar, denn es gebe wichtigere, sehr viel wichtigere Dinge als sein kleines Leben.

Der Mann in der Trainingsjacke, Kragen offen, Dreitage-Bart und schwarzes Basecap, ist in bester Stimmung. Alle Augen auf ihn, ein halbes hundert Umstehender wenigstens hängen an den Lippen von Adrian Ursache, 41 Jahre alt, Kfz-Mechaniker, studierter Betriebswirt, Hobby-Völkerrechtler und Staatschef hier im Reiche Ur, das er selbst gegründet hat.

Adrenalin auf dem staubigen Gartenweg in Reuden, einem Flecken am Rande der Gemeinde Elsteraue im Burgenlandkreis. Adrian Ursache fühlt sich an diesem heißen Augusttag des Jahres 2016 noch einmal wie damals, als er zum Mister Germany gewählt wurde. Ein Mann im Mittelpunkt, angehimmelt, bewundert. Ein Mann, der sich gern reden hört, ohne dass er in jedem Moment genau weiß, was er sagt.

Sie schauen alle zu ihm auf, wie er da steht, völlig furchtlos im Angesicht einer schrecklichen Bedrohung. Weil Ursache mehrere zehntausend Euro Schulden nicht pünktlich bezahlt und auf Mahnungen nicht reagiert hat, soll jeden Moment ein Gerichtsvollzieher vorfahren, der Ursache, seiner Frau Sandra und den beiden Söhnen das Haus wegnehmen wird.

Adrian Ursache: Unterstützer kommen vor der Räumung des „Reiches Ur“ nach Reuden

Adrian Ursache, der über das Internet zahlreiche Unterstützer nach Reuden gerufen hat, lässt keinen Zweifel daran, dass er kämpfen wird. Wenn der „Hafensänger“ eintrifft, wie Adrian Ursache den Gerichtsvollzieher nennt, dann könne er gern auch von den „Nasenbären mit Masken auf dem Kopf“ begleitet werden, also von Sondereinsatzkräften der Polizei. „Ich habe keine Angst“, sagt Ursache, „Ur wird sein Volk mit Blut und Eisen verteidigen.“

Es ist das vorletzte Kapitel einer traurigen Geschichte, die als wunderbare Romanze beginnt. Bei einer Veranstaltung der Miss-Germany-Cooperation lernt Adrian Ursache, Mister Germany des Jahres 1998, Sandra Hoffmann kennen, die „Miss Germany“ des Jahrgangs 2000.

„Liebe auf den ersten Blick war es nicht“, hat die später verraten, „am Anfang fanden wir uns gar nicht so sympathisch.“

Doch es wird. Im Sommer 2003 heiratet das Paar auf der Nordseeinsel Wangerooge. Zwei Söhne werden geboren. Adrian Ursache, in Rumänien geboren und am Bodensee aufgewachsen, zieht in den Burgenlandkreis, wo Sandras Familie lebt. Zusammen wohnen alle vier in einem Häuschen direkt neben dem der Schwiegereltern am Reudener Ortsrand.

Ein Traum von einem Leben. Adrian Ursache spielt Fußball. Er macht Musik mit einer Band. Fotos von damals zeigen eine Bilderbuchfamilie, lächelnd, küssend, fröhlich. Ursache gründet ein Unternehmen, das Solaranlagen verkauft. Fernsehteams kommen immer mal wieder vorbei, um Homestorys über das glänzende Glück der beiden Erfolgsmenschen zu drehen.

Das alles endet abrupt, als Adrian Ursache in die Mühlen des Rechtsstaates gerät. Weil er eine Geldstrafe über Jahre hinweg nicht bezahlt hat, sitzt er eine Nacht lang im Gefängnis. Der Adrian Ursache, der am nächsten Tag aus der Zelle kommt, ist nicht mehr derselbe. Ursache fühlt sich ungerecht behandelt, er hadert mit Richtern, Gerichtsvollziehern, der ganzen Justiz, schließlich dem ganzen Rechtsstaat.

Es sieht aus heutiger Sicht aus wie ein harter Bruch im Leben des Erfolgsmannes. Ursache beginnt auf einmal, sich mit Völkerrecht und Gesetzbüchern zu beschäftigen. Er sucht im Internet nach Freimaurer-Netzwerken und geheimen Eliten, die die Welt regieren. Die Bundesrepublik ist für den Ex-Mister-Germany nur noch „die Firma BRD“. Die Polizei nennt er „die Wortmarke“ und Gerichten spricht er von nun an ab, für ihn zuständig zu sein.

Adrian Ursache gründete in Reuden seinen Staat: Das „Reich Ur“

Das darf nur ein einziger Staat, und den hat Adrian Ursache selbstgegründet: Das „Reich Ur“, dessen Grenze am Gartenzaun des Familiengrundstückes verläuft, versteht Ursache als individuelle Unabhängigkeitserklärung. Er denkt sich eine eigene Flagge aus und erlässt eigene Gesetze.

Die derzeitige Regierung, sagte er, sei nicht legitimiert, Macht auszuüben, weil die Bundesrepublik als Staat gar nicht existiere. Ihre Behörden und Beamten hätten deshalb auch keinerlei Befugnisse, um in den Staat Ur einzureisen. „Sollten Sie es dennoch tun, wird das als terroristischer Akt betrachtet sowie als eine Kriegserklärung.“

Ein Mann am Rande des Nervenzusammenbruchs. Den eine täglich größer werdende Gemeinde Gleichgesinnter im Internet dennoch feiert, wenn er ein Dutzend Polizisten nur mit einem Handy bewaffnet von seiner Landesgrenze vertreibt. Oder in einem Video erklärt, wie einfach es ist, einen Kredit nicht mehr zurückzahlen zu müssen. Man behaupte einfach, man sei nicht mehr der, der man war, als man ihn aufnahm.

Auch Adrian Ursache wollte irgendwann nicht mehr so genannt werden, wie ihn seine Eltern nannten. „Ich bin das, was ich sage“, behauptete er, „einen Namen habe ich nicht“. Gläubiger hin, Gläubiger her. Seine Pflicht sei es, „die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen, damit wir die Vergangenheit nicht als Sofa benutzen, sondern als Sprungbrett.“

Die „Wahrheit“, das ist aus seiner Sicht die „Versklavung der Menschen“ durch ein von namenlosen Eliten gelenktes Bankensystem, ein „Mickey-Maus-Grundgesetz“ und ein Missbrauch der Macht durch „faschistische Nazi-Organisationen“. Tönt er so, gibt es Applaus von Männern und Frauen, die an ähnliche Verschwörungstheorien glauben. „Er hat doch recht“, beharren sie, „Deutschland ist eine GmbH nach Handelsrecht, deren Personal die Bürger stellen, ohne es zu wissen.“

Der junge Mann, der das sagt, ist studierter Biomechaniker. Er trägt einen dünnen Zopf und einen Wollpullover, er hat viel gelesen und ist sich sicher, Bescheid zu wissen. Seine Beweise ind unwiderlegbar: „Oder was glaubst du, warum dein Personalausweis Personalausweis heißt?“

Dass Adrian Ursache seinen Garten und das kleine Häuschen unter dem großen Schuldenberg als „Staat“ und sich selbst als „Verweser für das deutsche Reich“ bezeichnet, dass er demnächst „Nürnberg über diese Nazis entfesseln“ werde, wobei „Nazis“ die Bundesregierung meint, halten seine Anhänger für eine ganz seriöse Sache. „Wenn mehr Leute den Mut von Adrian hätten, wären wir schon weiter“, lobt einer, der in zwei dicken Aktenordnern stolz seinen Briefverkehr mit der Uno bei sich trägt.

Viele hier haben solche Briefesammlungen. Für etliche sogenannte Selbstversorger, die ihren Austritt aus der Bundesrepublik verkündet haben, aber keinen eigenen Staat gründen wollen, gilt schon eine Antwort irgendeiner UN-Unterorganisation als eine Art offzielle Anerkennung.

Räumung des „Reiches Ur“: Schüsse fallen beim Aufeinandertreffen von Adrian Ursache und dem SEK

24 Stunden später ist es vorbei mit Ur. Mit Verspätung, weil die Einsatzleitung einen Konflikt mit den im Ur-Garten zeltenden Fans vermeiden wollte, stürmt eine Sondereinheit den Mini-Staat. Sandra Ursache wird später berichten, dass sie gesehen habe, wie ihr Mann vier SEK-Beamten gegenüberstand. Dann seien „Schüsse gefallen und mein Mann ist zu Boden gesunken“.

Verletzt wird auch ein Beamter durch Schüsse, die Ursache aus einem Revolver abgegeben haben soll. Der inzwischen 42-jährige Reichsgründer überlebt die Schießerei schwer verletzt, sitzt seitdem in U-Haft. Der Vorwurf gegen ihn lautet auf versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Verstößen gegen das Waffengesetz. Der Prozess beginnt am Montag. Adrian Ursache droht eine lebenslange Haftstrafe.

Der zersplitterten Bewegung der Reichsbürger gehören laut Geheimdienst rund 330 Sachsen-Anhalter an. Sie eint, dass sie die Bundesrepublik und ihre Gesetze nicht anerkennen. Der Verfassungsschutz stuft die Ziele der Bewegung als verfassungsfeindlich ein und beobachtet sie. (mz)

Adrian und Sandra Ursache waren einmal Mister  und Miss Germany
Adrian und Sandra Ursache waren einmal Mister  und Miss Germany
Andreas Stedtler