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Adrian Ursache Adrian Ursache: Wie aus Mister Germany ein "Staatsmann" wurde

Von Steffen Könau 15.12.2016, 06:15
Der frühere Mister Germany Adrian Ursache in besseren Tagen mit seiner Frau - früher ebenfalls Gewinnerin eines Schönheitswettbewerbs - im heimischen Wohnzimmer in Reuden.
Der frühere Mister Germany Adrian Ursache in besseren Tagen mit seiner Frau - früher ebenfalls Gewinnerin eines Schönheitswettbewerbs - im heimischen Wohnzimmer in Reuden. Hartmut Krimmer/Archiv

Reuden - Adrian Ursache war früher einmal Deutschlands schönster Mann. 1998 war das, als er „Mister Germany“ wurde. Seine Frau, die schöne Sandra, machte ihm das Kunststück zwei Jahre später nach. Mittlerweile hat der 41-Jährige mit dem Model-Business nichts mehr zu tun. Er ist Staatsmann. Und zwar der seines eigenen Staates. Eine kuriose, aber auch traurige Geschichte.

Der Staatsgründer, Staatschef und oberste Repräsentant ist nicht zu sehen. Eine Kamera fährt wacklig auf einen Gartenzaun zu, aus dem Off spricht eine Stimme dazu. „Kriminelle“ seien vor dem Grundstück aufgetaucht, „mit der Wortmarke Polizei“, sagt der Mann. Er wisse nicht, was die Männer wollten, spricht er. Sie seien aber aus seiner Sicht sämtlichst „Hafensänger“ und „Nasenbären mit Masken auf dem Kopf“.

Der Mann wird lauter, die Stimme aufgeregter, als ein Polizeibeamter vorsichtig herantritt: „Das ist hier mein Staatsgebiet“, beharrt der Unsichtbare. „Ihr seid ja lächerlich, lächerlich seid ihr!“, ruft er und „Wer sind Sie überhaupt?“.

Annäherung ist schwierig

Und wer ist der Mann mit der Handykamera? Dem es mit hochgerecktem Smartphone und gehobener Stimme tatsächlich gelingt, das auf der Straße vor seinem Haus wartende Polizeikommando mit neun Beamten und drei Mannschaftswagen entnervt wieder abziehen zu lassen? Verfolgt von lauten Rufen wie „Ist das das Grundgesetz?“ und „Wo ist die BRD?“.

Sich Adrian Ursache zu nähern, ist schwierig. Der 41-Jährige aus Reuden, einem Dörfchen am Rande einer klaffenden Braunkohlegrube in der Elsteraue, ist grundmisstrauisch gegenüber der Welt da draußen, die nicht die seine ist. Ursache schickt auf Interviewanfragen Verträge aus, die er mit „Willensbekundung für Palaver“ überschreibt und voll mit pathetischen Floskeln über Menschenrechte, die Wahrheit und die Seele packt. Dazu verlangt er, dass jeder Besucher vor einem Treffen den „Pakt mit dem absoluten Staat Ur“ unterschreibt, den er, Ursache, vor zwei Jahren „durch heiligen Auftrag“ ausgerufen haben will.

Ur hat neben Gründer Adrian nur dessen Familie als Bürger, das Staatsgebiet erstreckt sich auf Grundstück und Haus der Familie. Die selbstgemalte Staatsflagge des Fantasialandes, so steht es im „Pakt von Ur“ geschrieben, ist schwarz-weiß-rot, mit dem Staatswappen hinter grünem Band. Das Staatswappen ziert ein gehörnter Rinderschädel mit üppiger Krone.

Aus dem Traumleben gerissen

Ist Ursache, ein immer noch jugendlich wirkender Mann mit Charaktergesicht, also eine Art neuer König von Deutschland, ein Nachfolger des seit kurzer Zeit in U-Haft sitzenden Chefs des Wittenberger Königreichs Deutschland? Oder einer jener Reichsbürger, die auf der Fortexistenz des Kaiserreichs bestehen und die staatliche Souveränität der Bundesrepublik leugnen?

Es sind jedenfalls diese Kreise, in denen Adrian Ursache nach Gleichgesinnten sucht. Bei einer Tagung des selbsternannten „Preußen“ Detlef Schäbel hat Ursache seine Idee staatlicher Unabhängigkeit vorgestellt: Sein Staat erhebe Anspruch, Verweser des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1871 bis 1918 zu sein. Er selbst werde einen neuen Kaiser suchen, auf dass er „die Wahrheit in die Geschichte hervorbringe“.

Karriere als Mobilfunk-Verkäufer und Unternehmer

„Drei Jahre lang“ habe er sich damit beschäftigt, sagt der Hobby-Völkerrechtler. Drei Jahre, die wohl den Unterschied zwischen dem neuen und dem alten Adrian Ursache ausmachen. Der alte war auf dem Höhepunkt seines Ruhms, als er zum Mister Germany gewählt wurde. Danach folgt eine Karriere als Mobilfunk-Verkäufer, Ursache gründet ein Unternehmen, das Solaranlagen verkauft, er spielt Fußball und in einer Rockband, er heiratet eine Schönheitskönigin und wird Vater zweier Jungs. Das Fernsehen dreht Homestorys. Internationale Fotoagenturen kommen zum Shooting in Reuden vorbei.

Ein Traumleben, wäre da nicht dieser Vorfall gewesen, durch den Adrian Ursache plötzlich in die Mühlen des Rechtsstaates gerissen wird. Ursache selbst, braune Augen, hochgestrubbeltes Haar, sieht sich als Opfer. Eine Nacht sitzt er im Gefängnis, weil er eine Geldstrafe nicht pünktlich bezahlt hat.

Eine Nacht, die irgendetwas in ihm zerbrochen haben muss. Denn etwa seit der Zeit ist die Bundesrepublik für den aus Berlin ins ländliche Reuden gezogenen Ex-Mister nur noch „die Firma BRD“. Adrian Ursache macht keinen Hehl aus seiner Ablehnung der Behörden des Landes, das „die Politiker BRD nennen“. Polizisten sind für ihn nur „Träger einer Wortmarke“, Pässe und Personalausweise sind voller geheimer Zeichen, die auf Verrat und Schlimmeres deuten.

Fehlt da nicht das Aktenzeichen?

Nur Eingeweihte wie Adrian Ursache können sie deuten, die verschlüsselten Hinweise. Früher stand in deutschen Pässen „der Inhaber ist Deutscher“. Heute stehe dort nur noch, die Staatsangehörigkeit sei „deutsch“. Genauer wird Ursache hier nicht.

Irgendwas aber, so schwant ihm wohl, wird schon dahinterstecken. Ursache selbst sieht sich als Spielteilnehmer, der das Spiel der Banken und der Mächtigen durchschaut hat. Und nicht mehr mitspielt.

Besser, man traut keinem amtlichen Brief weiter als man den Umschlag werfen kann. Fehlt da nicht das Aktenzeichen? Ist eine Geschäftsnummer wirklich ein Ersatz? Überall wittert der Staatschef von Ur Betrug und Rechtsbruch, Übervorteilung und Behörden, die nur darauf aus sind, ihm Übles anzutun. Taucht er bei Ämtern und Gerichten auf, hält er es wie beim Besuch der „Bande“ (Ursache) von der Polizei und wirft sein Smartphone an. Ursache hat schon Gespräche mit Gerichtspräsidenten mitgeschnitten und mit Gerichtsvollziehern vor der Kamera gerangelt. Seine Besucher nennt er dabei vorzugshalber bei seinem eigenen Namen - also Ursache. Er selbst hingegen behauptet, keinen Namen zu haben. „No Name, no Game“, glaubt er. Wie ein Kind, das meint, wenn es sich die Augen zuhält, sei es beim Versteckspiel nicht mehr zu sehen.

„Ich besitze den Staat“

Er dürfe „nicht benannt“ werden, darauf besteht der Staatsmann, der sich selbst nur noch „Ich bin“ nennt, denn er sei „was ich sage, einen Namen habe ich nicht“. Das hat er auch den Zustellern vom Gericht mit ihren Urkunden mehrfach erläutert, zuletzt sogar den jungen Leuten, die vor seinem Gartentor auftauchten und behaupteten, sie seien die neuen Hausbesitzer. Kann gar nicht sein, hat Ursache ihnen munter zugerufen, das Handy im Anschlag: „Ich besitze den Staat.“

Ein Mann, der sich verrennt, wobei er das Tempo unaufhörlich beschleunigt. Jede Niederlage feiert Adrian Ursache zumindest vor der eigenen Kamera als rauschenden Sieg. Doch jeder Besucher von einer Behörde wird unterdessen nicht mehr mit Spott, sondern mit wüsten Beschimpfungen empfangen. Nazi. Faschisten. Terroristen. Darunter macht es Adrian Ursache nicht mehr. „Ich schreibe nicht recht, aber ich spreche wahr“, sagt der bekennende Legastheniker, der sich unrettbar in seinem Fantasiereich aus halbverdauter Historie, esoterischen Staatsrechtstheorien und angelerntem Juristendeutsch verirrt hat. Auf seinem Youtube-Kanal rappt er die Genfer Konvention. Ein Verzweiflungsschrei.

Das ganze Land ist der Feind

Der Knacks geht tief. Das ganze Land vor dem weißen Gartentor ist der Feind, gegen den Adrian Ursache mit Winkeladvokatenlogik kämpft. Die Zwangsversteigerung des Grundstücks seiner Schwiegerleute, wie er sie nennt, versucht er mit Hilfe ausufernder Briefe zu verhindern, in denen er die Rechtmäßigkeit des Darlehensvertrages mit einer regionalen Bank in Zweifel zieht. Das Geldhaus, womöglich irritiert wegen der Behauptung, der seit zehn Jahren pünktlich bediente Vertrag existiere gar nicht, schweigt. Und Adrian Ursache schreibt nun ans Gericht, um dort unter Hinweis auf die von der Bank ja durch Schweigen erklärte Zustimmung zur Löschung des Vertrages auch noch in eine Löschung der Hypothek zu verwandeln.

Es kommt keine Antwort, nicht vom Gericht und nicht vom Humanitären Komitee des Roten Kreuzes in Genf, dem Ursache in aller Form mitgeteilt hat, dass der Staat Ur die große Bühne der Weltgeschichte betreten habe. Das Komitee in der Schweiz achtet als neutrale Instanz auf die Einhaltung des humanitären Völkerrechts in Kriegen und bewaffneten Konflikten. Nicht die richtige Adresse? Nun, Adrian Ursache ist diesem Eindruck gleich entgegengetreten. Das Reich Ur, schreibt er, sei „zu jedem Zeitpunkt bereit, die Freiheit seines Volkes mit Blut und Eisen zu verteidigen“. (mz)

Willkommen in Fantasialand: Die Staatsflagge von Ur überrascht mit gleich fünf Farben in vier Formen.
Willkommen in Fantasialand: Die Staatsflagge von Ur überrascht mit gleich fünf Farben in vier Formen.
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