1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Zeitz
  6. >
  7. Gräfin Cosel schlüpft in ein Kleid aus Zeitzer Werkstatt

Gräfin Cosel schlüpft in ein Kleid aus Zeitzer Werkstatt

Von TORSTEN GERBANK 06.04.2010, 18:02

ZEITZ/MZ. - Wenn die Dresdener Barocktanzgruppe "Les Amis de la danse baroque" am 8. August zur Schlossnacht in Pillnitz ihr Theaterstück "Ein sächsischer Sonnenkönig und der Tanz zwischen Liebe und Macht" aufführt, dann glänzt auch ein Stückchen Zeitz mit im Rampenlicht.

Denn dabei steckt Christine Jahn aus Auligk (Sachsen) in einem seidenen Barockkleid, das in der Schneiderei Menger in der Zeitzer Schützenstraße entstanden ist. Christine Jahn (60) spielt in dem Stück die reife Gräfin Cosel, die sich an ihre früheren Jahre zurückerinnert. In die Rolle der jungen Gräfin schlüpft Tochter Annett Jahn (28). Sie spielt und tanzt das Leben der Gräfin.

Am extravaganten Kleid mit Rüschen, Tellern, Schleifen und Raffungen geschneidert haben die Herrenmaßschneiderin Katharina Menger (57) und deren Tochter Annett Hochmuth (37), die in der Meisterwerkstatt der Mutter als zweiten Beruf den der Damenmaßschneiderin erlernt hat. Etwa vier Wochen haben die beiden Handwerkerinnen an dem ungewöhnlichen Kleid gearbeitet. Und wenn sie nun auf den Traum in grün und gold schauen, dann erfülle sie Stolz. Das geben Mutter und Tochter unumwunden zu und strahlen. Schließlich sei kein Faschingskostüm entstanden, wie Annett Jahn, die Leiterin der Barocktanzgruppe, betont. "Wir möchten Kleidung tragen, die nahe am Original des 18. Jahrhunderts geschneidert ist", so Annett Jahn. Deshalb ist die Nähmaschine auch nur dort zum Einsatz gekommen, wo man deren Stiche nicht sieht. Denn die Handstiche sind so gut wie unsichtbar, erklären die Schneiderinnen. Mit der Hand angenäht sind so zum Beispiel die Teller an den Ärmeln, die beim Tanz die graziöse Haltung der Hände erst so richtig zur Geltung bringen sollen. Reißverschlüsse sucht man am Barockkleid vergeblich. Es wird gebunden.

Das Konzept fürs Kleid ist im Team erarbeitet worden. Annett Jahn hatte zuvor ein paar Urlaubstage genutzt, sich in Archiven zu belesen, damit am Ende so detailgetreu wie möglich gearbeitet werden kann. Nur die Farben des Kleides sind nicht typisch für die damalige Zeit. Damals waren eher Pastelltöne in Mode. Aber Christine Jahn ist nicht der Pastelltyp. "Und wir wollten eine Farbkombination, mit der sie sich wohlfühlt, die ihr gut steht und die zu ihren Haaren passt, deshalb haben wir uns für die Farben Gold und Grün entschieden", so Annett Hochmuth.

Das Schneidern habe dem Mutter-Tochter-Gespann sehr viel Freude gemacht, aber auch einige schlaflose Nächte bereitet. "Schließlich mussten wir uns schnitttechnisch einfügen. Das ist ja nicht der Alltag", sagte Annett Hochmuth. Zum Beispiel ist es ja heute nicht mehr üblich, mit einem sogenannten Pannier zu arbeiten. Dieses Gestell dient dazu, die Hüften der Trägerin hervorzuheben. Und der Stoff muss über die Konstruktion rund fallen. Das sei schon anspruchsvoll.

Insgesamt sind am Kleid 22 Meter Seide verarbeitet worden. Allein in den Rüschen stecken 36 Meter Stoff. "Da habe ich zweieinhalb Tage dran genäht", so Annett Hochmuth.

Die Schneiderei Menger gibt es im September 20 Jahre. In dieser Zeit hat Katharina Menger, die seit 1976 Meisterin ihres Faches ist, fünf Lehrlinge ausgebildet. Neben der Werkstatt in der Zeitzer Schützenstraße gibt es eine in Groitzsch. Im Vergleich zu den ersten Jahren der Selbstständigkeit ist das Durchschnittsalter der Kunden um etwa zehn Jahre gesunken, auf etwa 40. Auf Qualität legen die Kunden heute mehr Wert als vor 20 Jahren. Damals sollte vor allem preiswert gearbeitet werden, erinnert sich Katharina Menger. Heute werden mehr hochwertige Stoffe verkauft. Verlangt werden schöne Abendgarderobe, Etuikleider, Kostüme und Anzüge für Herren. Um Änderungen machen Katharina Menger und Annett Hochmuth aber auch keinen Bogen. Die gehören zum Service und müssen sein, sind sich die Frauen einig.

Die Schneiderei im Internet: www.mass-schneiderei-menger.de