Zu Hause bei Cranach

Von Irina Steinmann 17.04.2006, 17:24

Wittenberg/MZ. - 17 Männer und Frauen haben sich eingelassen auf das Angebot der Cranach-Stiftung, Lucas Cranach in dessen Domizil zu begegnen. Die Führung ist eine Premiere. Marlies Schmidt, Kunsthistorikerin der Stiftung, und Erlebnis-Gastronomin Heike Kuhrt haben sich vorgenommen, ihren Gästen den großen Renaissance-Maler begreiflich zu machen. Das darf man wörtlich nehmen.

"Und jetzt noch ein Blatt für meine Frau!" Heinz Georg Seidler mag die Druckerballen gar nicht mehr aus der Hand geben. Angetan mit einer schweren Lederschürze steht Seidler an der Gutenberg-Presse (ein Nachbau, gewiss, aber sonst dürfte man sie ja auch nicht benutzen) und hantiert routiniert mit dem fremden Werkzeug. "Handwerker können so etwas eben", lacht der Elektro-Ingenieur im Ruhestand. Die meisten aus der Gruppe nutzen wie er das Angebot, einmal selbst zu drucken - das Titelblatt einer Lutherschrift, natürlich - die Männer sind etwas mutiger als die Frauen. Vorsicht mit der Farbe, hatte Marlies Schmidt gewarnt, "sonst hilft nur noch rausschneiden". Kenntnisreich und anschaulich erläutert sie das Druckhandwerk zur Cranach-Zeit.

Und dann geht es in die "Schatzkammer". Die fasst immer nur ein paar Neugierige auf einmal und birgt zur Zeit Cranachs "Madonna mit dem Kind, im Garten sitzend, von Putten umgeben" (um 1540), ein Vorgeschmack auf die Sommerausstellung. Man erfährt, dass der Künstler nicht einfach so mit Erdbeeren hantiert hat, sondern dass die Früchte, ebenso wie die Anzahl der Blätter, eine bestimmte Symbolik hatten. "So sollte es in allen Museen sein", lobt Ferdinand Höchst, Österreicher aus dem Hessischen, die "sehr gut verständliche und sachkundige Führung".

Ansonsten sind erstaunlich viele Wittenberger unter den Gästen, die sich durch die Ausstellungen und restaurierten Räume bis unters Dach führen lassen, um dann noch einen Blick auf die benachbarte Baustelle zu werfen. Petra Mann aus Seegrehna etwa, die Kunsterzieherin, die das Drucken jetzt auch mit ihren Grundschülern ausprobieren möchte. "Es entsteht so viel Neues in der Stadt", freut sich die Lehrerin über die enormen Sanierungsfortschritte und das kulturelle Angebot in der historischen Stadt. "Erinnerst du dich an die Losung", zupft eine andere Frau ihren Mann am Ärmel. "Wo Häuser verfallen..." Aber sie sind ja nicht verfallen, und das ist ein Glück.

Im Kellergewölbe hat "Magd Adelheid" unterdessen die festliche Tafel vorbereitet für den Imbiss. Es gibt Brot mit Kräuterquark und mit dieser Kürbismarmelade, die Heike Kuhrt die MZ unbedingt kosten lassen muss. Pssst! Da ist Kokosmilch drin, verrät sie, die war mit Sicherheit nicht üblich im Hause Cranach - ein kleines Zugeständnis an den heutigen Geschmack.

Die nächste Führung dieser Art ist für Samstag, 6. Mai geplant, Tel. 03491 / 420 19 11.