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Treffen in Wittenberg Treffen in Wittenberg: Junge Ukrainerin gewährt neue Einsichten

Von stefanie hommers 17.11.2014, 13:21
Daria Lezhai, aufgewachsen im Donbass, referierte über Sprache, Kultur und Wirtschaft der Ukraine.
Daria Lezhai, aufgewachsen im Donbass, referierte über Sprache, Kultur und Wirtschaft der Ukraine. kuhn Lizenz

wittenberg - „Was wissen die Deutschen eigentlich über die Ukraine?“, fragt Kateryna Chernii und gibt die Antwort gleich selbst: „Fast nichts“. Seit drei Monaten absolviert die junge Frau aus Kiew ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) bei der Evangelischen Akademie in Wittenberg. Sie versteht sich als Lernende und will doch auch den Menschen, denen sie in der Region begegnet, etwas beibringen.

„Ich repräsentiere hier die Ukraine und finde es wichtig, zeigen zu können, dass und wie wir existieren“, unterstreicht sie. Gerade in der jetzigen Krisensituation komme es darauf an, „das riesige Land mit seinen vielen Sehenswürdigkeiten“ jenseits der kriegerischen Auseinandersetzungen und mit allen Sinnen zu zeigen.

Ukrainisch für Anfänger

Damit das gar nicht so ferne Land kein Buch mit sieben Siegeln bleibt, hat Kateryna Chernii am vergangenen Donnerstag zusammen mit dem zweiten FSJler der Akademie Clemens Finck in das soziokulturelle Zentrum „Pferdestall“ eingeladen. „Ukrainisch für Anfänger“ lautete der Titel der Veranstaltung, die neue und vielfältige Wege Richtung Osteuropa eröffnete – mit Informationen aus einer lebendigen Bibliothek, mit Tanz, Gesang und nicht zuletzt mit kulinarischen Genüssen. Unter anderem standen Wareniki auf dem Speiseplan. Die gefüllten halbmondförmigen Teigtaschen ähneln den polnischen Pierogi und gelten in der Ukraine als Nationalgericht.

Informationen über Sprache, Kultur und Wirtschaft

Doch bevor es zu Tisch ging, wurden die Besucher mit Informationen gefüttert. Kateryna Chernii stellte sich den Fragen des Publikums und hatte noch zwei Mitstreiterinnen an ihrer Seite. Die 24-jährige Daria Lezhai, aufgewachsen im Donbass, referierte über Sprache, Kultur und Wirtschaft in ihrer Heimatregion und musste doch auch viele Fragen zum Verhältnis zwischen den Separatisten in ihrer Heimat und der Westukraine beantworten. Auch die, wann es Frieden gebe. „Diese Frage muss man Wladimir Putin stellen“, gab sie zurück. Solange Putin Geld liefere, solange werde der Krieg dauern. Denn die russischen Kämpfer, die auf Seiten der Separatisten stünden, kämpften nicht für oder gegen Abspaltung oder Einheit. „Sie kämpfen für Geld.“

„Meine Familie überlebt tagtäglich“

Die Pädagogikstudentin, derzeit als Freiwillige am Institut für Deutsche Sprache und Kultur an der Wittenberger Leucorea tätig, zeichnete das Bild einer Region, aus der die Menschen flüchten, wenn sie können. Schulen seien geschlossen, Lohnzahlungen blieben aus – und im August, als sie das letzte Mal vor Ort war, waren sämtliche Internet- und Mobilfunkverbindungen gekappt. „Meine Familie überlebt tagtäglich“, sagt sie knapp und nüchtern. Dass sie zurückgehen will in ihre Heimat steht für Daria Lezhai außer Frage: Allerdings nicht nach Donezk, sondern nach Kiew. „Ich möchte in einer normalen Stadt leben, mit einem normalen Parlament und normalen Gesetzen.“

Neue Welten kennengelernt

Nicht zurück sondern erstmals hingegangen war Eva Haude im vergangenen Jahr. Die Studentin aus Leipzig landete eher zufällig im ukrainischen Czernowitz und damit in einem Land, über das auch sie zuvor wenig wusste. Über die Aktion „Sühnezeichen“ absolvierte sie ein Freiwilliges Soziales Jahr, arbeitete in einem jüdischen Kulturzentrum hauptsächlich mit Holocaustüberlebenden – und lernte gleich zwei neue Welten kennen: die jüdische Kultur und das bis dato fremde Land Ukraine. Sie sei quasi zugeteilt worden, weil die Ukraine ein eher unbeliebtes Land unter den deutschen Freiwilligen sei. „Trendy“ seien vielmehr die USA oder die Niederlande.

„Ich fand das komisch“, sagt sie, „denn im Osten gibt es doch soviel mehr Neues zu entdecken“. Das Dorfleben und die lebendige Pflege von Traditionen von Handarbeiten über Volkslieder bis hin zu Festen gehörten zu ihren „schönsten Erfahrungen“. Die Entdeckung reizvoller Landschaften von der Schwarzmeerküste bis zu den Karpaten hat sie beeindruckt, die menschlichen Kontakte haben sie berührt. „Ohne pathetisch klingen zu wollen: Ich habe mein Jahr in der Ukraine keine Sekunde bereut.“

Geringe Besucherresonanz

So neugierig waren an diesem Abend leider nicht allzu viele; die Besucherresonanz im „Pferdestall“ hielt sich in Grenzen. „Mich interessiert das, was in der Welt passiert“, bekundete Anna-Luise Pohl. Und wenn man die Möglichkeit habe, Informationen direkt von Menschen aus dem Land zu bekommen statt lediglich durch Medien, sei das eine tolle Chance, so die 16-jährige Schülerin zu ihrer Motivation, sich ein solches Angebot nicht entgehen zu lassen. (mz)

Absolvierte ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Ukraine: Eva Haude
Absolvierte ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Ukraine: Eva Haude
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