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Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Frischer Wind in der Kirche

Von WOLFGANG GRAHL 12.08.2011, 16:26

GRÄFENHAINICHEN/MZ. - "Hier muss mal frische Luft rein", sagt Neupfarrerin Angelika Schiller-Bechert und stellt im Paul-Gerhardt-Haus einen Stuhl zwischen Tür und Angel, weil die Halterung defekt ist.

"Frische Luft" und "defekt", Symbole für den derzeitigen Zustand im evangelischen Kirchspiel Gräfenhainichen? So manches schien hier in jüngster Zeit leicht verstaubt. Der frische Wind fehle, es werde nur noch verwaltet, grummelten nicht wenige Gemeindemitglieder. Nun stehen die Signale auf "grün".

Mitte September wird im dann vollständig renovierten Pfarrhaus wieder in mehr als einem Zimmer Licht brennen. Die "Neue" ist also eine Frau, eine lebenserfahrene dazu. Gerade erst ist sie 50 geworden, was sie nicht abhielt einen Tag später in der hiesigen Stadtkirche zu predigen. Gottesdienstbesucher sprachen danach anerkennend über Inhalt und Vortragsart. "Offen, frei heraus, locker", so in etwa lautete ein erstes Urteil. "Na ja", sagt die so Gelobte "manchmal bin ich vielleicht zu impulsiv, aber ich mag die Menschen". Im Übrigen sei "Beruf" für sie "Berufung".

Im MZ-Gespräch sprudelt die Noch-Eilenburgerin voller Ideen. Dabei hat sie es in ihrem Leben keinesfalls immer leicht gehabt. Beruf zum Facharbeiter für Anlagentechnik mit Abitur, dann Predigerseminar, Vikariat, theologische Examen, Pfarrstelle in der "Muldestadt mit dem grünen Herzen" (städtische Werbezeile) und dem Aufbau einer Kinder- und Jugendarche. Verdienste, Leistungen, die kürzlich bei ihrem Abschlussgottesdienst in der Eilenburger St. Nikolai Kirche von rund 300 Besuchern Würdigung fanden.

Das trifft auch auf ihr kommunalpolitisches Engagement zu. Bei der Kommunalwahl 2009 erhielt sie - für die Freie Unabhängige Wählergemeinschaft ins Rennen gegangen - 477 Stimmen, die meisten, also gleich vom Quartett der vier Gewählten zur Fraktionsvorsitzenden erkoren. "Wir Christen leben in der Stadt, sind deshalb an allem mitbeteiligt und wollen mitgestalten", ihre Erklärung für so viele nebenberufliche Aktivitäten. In Gräfenhainichen gehe "jetzt erstmal die Gemeindearbeit vor", schließt Schiller-Bechert ein späteres kommunalpolitisches Mitmachen trotzdem nicht aus.

Reges Leben wird im Pfarrhaus sowieso sein. Die neun- und achtjährigen Töchter sorgen schon dafür. Sie bleiben erstmal in der evangelischen Grundschule Bad Düben. Perspektivisch hat man ja schon bald "Blickkontakt" zum Gymnasium. Zur Familie gehören noch die längst erwachsenen David und Kristin, jeweils aus früheren Beziehungen des Ehepaars.

Gatte Andreas kümmert sich um seinen "Verlag für die Heimat", der vorrangig in Sachen Heimatgeschichte und Kirche aktiv ist, dazu ist er Öffentlichkeitsbeauftragter für den Kirchenkreis Torgau / Oschatz. Und er ist Prädikant, darf also frei von der Kanzel predigen, taufen und beerdigen. Allerdings unbezahlt. Aber eben gut für ein großes Kirchspiel wie Gräfenhainichen mit Jüdenberg, Zschornewitz, Möhlau, auch Muldenstein, Radis und Schleesen.

"Natürlich brauche ich da noch ein bisschen Zeit, bis ich mich überall auskenne", erkennt die Pfarrerin. Dabei scheint sie auf einem guten Weg. Der Möhlauer Gemeindekirchenrat Bernhard Hagedorn jedenfalls sagt: "Ich fand die erste Sitzung mit ihr tadellos."

"Tadellos" fand auch Angelika Schiller-Becherts Schwiegermutter die künftige Predigtstätte, als sie kürzlich vor zunächst verschlossener Tür der St. Marienkirche stand, die gute Seele der Gemeinde, Ida Marx, für Zutritt sorgte.

Ein rundum guter Start also für die neue Pfarrerin. Die bleibt auf dem Teppich: "Ich kann es nicht allen Menschen recht machen. Aber Offenheit und Diskussion sind mir wichtig. Ich möchte, dass die Menschen sich mehr mit dem Glauben beschäftigen, dass die Gemeinde menschlich mehr zusammenwächst." Der Segnungsgottesdienst ist am 28. August um 14 Uhr in der Kirche.