Jagdunfall Hohenroda Jagdunfall bei Pratau: Führender Ermittler vor Gericht in Beschuss
Wittenberg - Dass er sich einmal vor einem Gericht unangenehmen Fragen zu seiner Ermittlungsarbeit stellen lassen muss, das hatte der Polizeibeamte vom Fachkommissariat der Polizeidirektion Dessau nicht erwartet, als er am 15. September 2015 zu einem Tatort im Kreis Wittenberg gerufen wurde.
An dem besagten Septembertag vor knapp einem Jahr findet auf einem Feld in der Nähe von Pratau eine Erntejagd statt. Kurz vor 16 Uhr wird auf Wildschweine gezielt, die durch die Maisernte auf dem Feld aufgescheucht worden sind. Dann sind plötzlich Hilferufe zu hören, zwei Männer, zum damaligen Zeitpunkt 22 und 63 Jahre alt, wurden getroffen.
Da ein damals 29-jähriger Polizist, der in dem Revier Wittenberg tätig ist, als Tatverdächtiger gilt, wird von einem benachbarten Revier Unterstützung angefordert, um den Anschein von Befangenheit auszuräumen. Der Dessauer Polizist hatte an diesem 15. September 2015 Bereitschaft. Wann genau er eingetroffen sei und wie lange er vor Ort gewesen sei, daran könne er sich nicht mehr erinnern, erklärt der 38-Jährige am Mittwoch vor dem Amtsgericht Wittenberg, als er als Zeuge aussagt.
Der Ermittler aus dem Fachkommissariat für Kapitalverbrechen sollte an dem Tag des Geschehens die Ermittlungen vor Ort führen. Dass er dies in ausreichendem Maße getan hat, wird bei der Verhandlung vor dem Amtsgericht in Wittenberg von den beiden Verteidigern in Frage gestellt. "Wir haben das getan, was vor Ort möglich war", entgegnet der Polizist vom Dessauer Revier. Bei einem früheren Verhandlungstag wurde bereits die Ermittlungsarbeit der Wittenberger Polizisten am Tattag in Frage gestellt.
Auf einige Fragen kann der Zeuge bei seiner Aussage am Mittwoch nur ausweichende Antworten geben. So kam zum Beispiel am Tattag kein technisches Gerät zum Einsatz, um die Umgebung nach Projektilen abzusuchen. In Dessau sei an dem Abend kein Metalldetektor oder ähnliches zur Verfügung gewesen. "Haben Sie in Wittenberg nachgefragt, ob es dort ein solches Gerät gibt?", fragt einer der beiden Verteidiger. Er habe angenommen, dass dies bereits geschehen sei, aber nachgefragt habe er selbst nicht, sagt der Zeuge. Eine oberflächliche Absuche nach Projektilen oder Teilen davon habe es gegeben, gefunden wurde dabei aber nichts.
Auch ob er die Arbeit der Wittenberger Kollegen überprüft habe, um den Anschein von Einflussnahme auszuschließen, wollen die beiden Verteidiger wissen. Zum Beispiel, ob die sichergestellte Waffe des mutmaßlichen Täters auch tatsächlich entsichert war. Auch dies hat der Dessauer Polizist nicht überprüft. Außerdem stellt sich bei der Befragung des Zeugen vor Gericht heraus, dass er nicht in Betracht gezogen hatte, dass der Schuss auf die Landarbeiter nicht von dem 29-Jährigen stammen könnten. Die Verteidigung zieht in Betracht, dass auch ein anderer Jäger den Querschläger, der die Landarbeiter traf, abgegeben haben könnte.
Als er an den Tatort kam, hatten die beiden Wittenberger Polizisten bereits einen Schuldigen ausgemacht. Der damals 29-jährige Polizist vom Revier Wittenberg, der zugab geschossen zu haben. Vor Gericht musste sich der Dessauer Polizist, der hinzugerufen worden war, deswegen die Frage gefallen lassen, ob es nicht seine Aufgabe gewesen wäre, eigene Feststellungen zu treffen.
Nach der Zeugenbefragung am Mittwoch wurde die die Verhandlung erneut unterbrochen. Am 17. August soll die Verhandlung mit der Befragung eines Sachverständigen zum Thema Schusswinkel und Schusspositionen fortgeführt werden. Die Verhandlung am Amtsgericht Wittenberg beginnt um 9 Uhr und ist öffentlich. Ende August sind bisher die Plädoyers eingeplant. (mz)