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Jagdunfall bei Pratau Jagdunfall bei Pratau: Amtsgericht Wittenberg will Schüsse anderer Schützen prüfen

Von Klaus Adam 27.07.2016, 21:08

Wittenberg - Es ist ein warmer Septembertag, dieser Dienstag, der 15. im vergangenen Herbst. Zwischen Seegrehna und Pratau (Kreis Wittenberg) zieht ein Häcksler seine Runden. Am Waldrand warten Jäger. Sie wollen sich diesen Erntetag nicht entgehen lassen, um Wildschweine zu erlegen, die sich im Feld laben. Plötzlich wechseln mehrere Tiere über die freigemachte Schneise in den Wald. Es fällt (mindestens) ein Schuss.

Zwei Treffer am Fuß

Doch ob das aufs Korn genommene Wildschwein getroffen wurde, interessiert nun niemanden. Neben einem Traktor liegt ein Fahrer am Boden. Am Fuß getroffen und so schwer verletzt, dass Ärzte später befürchten, dem Fußgelenk seine Beweglichkeit nicht wieder zurückgeben zu können. Auch sein jüngerer Kollege ist am Fuß getroffen. Die Kugel wurde mutmaßlich zum Querschläger. Er hatte mehr Glück.

Seit Mitte Juni verhandelt das Wittenberger Amtsgericht den kuriosen Fall. Als Schütze angeklagt, und damit wegen fahrlässiger Körperverletzung, ist ein 29-jähriger Mann. Seit drei Jahren besitzt er die Jagderlaubnis. Besonders pikant: Er arbeitet als Polizist und dürfte daher deutlich intensiver im Gebrauch von Waffen ausgebildet gelten, als jeder „normale“ Jäger. Dass er auf die Wildschweine geschossen hat, gilt in der laufenden Verhandlung als völlig unstrittig.

Und dennoch sehen seine beiden Anwälte seine Schuld noch keineswegs bewiesen. Daher hätten sie ihm auch angeraten, das Verfahren vor Gericht durchzuziehen und nicht stillschweigend den Strafbefehl zu akzeptieren, den die Staatsanwaltschaft Vorschlug.

Im Nachhinein hatte sich herausgestellt, dass wohl weitere Jäger, einer davon der Jagdleiter an diesem Tag, ebenfalls geschossen hatten. Allerdings hatte es ihnen der 29-Jährige unmittelbar nach dem Geschehen leichtgemacht, als er im Glauben, allein abgedrückt und damit die Traktoristen verletzt zu haben, die Schuld auf sich nahm.

Keine weiteren Befragungen

Auf diese Konstellation fielen offenkundig die beiden Ermittler vom Kriminaldauerdienst Wittenberg herein, die als erste Polizisten am Ort waren. Zwar befragten sie alle Beteiligten allgemein zu ihren Wahrnehmungen. Doch für sie erschien die Schuldzuweisung plausibel: Niemand außer dem Polizisten bekannte sich, geschossen zu haben. So hielten sie es für unnötig, auch die anderen Jagdteilnehmer zu ihrem Verhalten zu befragen. Und zogen daher auch nur die Waffe des Polizisten ein.

Freilich kam für sie der Umstand dazu, eigentlich gar nicht zuständig zu sein. Da einer ihrer Kollegen, den sie zudem gut kennen, verdächtig war, hatten sie den Fall Ermittlern der Polizeidirektion Dessau-Roßlau zu übergeben. Einer der hinzugezogenen Dessauer Beamten musste sich am Mittwoch den in eine Frage gekleideten Vorwurf gefallen lassen, ob er nicht eigentlich die Ermittlungen noch einmal von Anfang an zu führen gehabt hätte. Er konnte sich damit herauswinden, lediglich die sogenannte Tatortarbeit geführt zu haben.

Befragungen hätte sein Kollege vorgenommen. Der wird an einem der nächsten Verhandlungstage gehört. Doch wie bekannt ist, sahen wohl auch die Beiden keine Veranlassung, die übrigen Jäger nach ihren letzten Schüssen zu befragen und deren Waffen zur Beweissicherung einzuziehen. Sie hatten sich auf die Vorarbeit ihrer Wittenberger Kollegen verlassen. Vergleichsmunition der anderen Jäger wurde wohl erst drei Wochen später eingeholt.

Ein Gutachter vom Landeskriminalamt, der die Munition mit Geschossteilen aus der Wunde eines Verletzten verglich, sah Patronen von zwei der fünf Jäger als relevant an, darunter der des Angeklagten. Es bleiben Fragezeichen, die im August vor Gericht geklärt werden. (mz)