Jagdunfall Jagdunfall: Anwalt des angeklagten Polizisten bemängelt "unzureichende" Ermittlungen

Wittenberg - „Ich würde an Erntejagden nicht teilnehmen“, meinte die Mitarbeiterin der unteren Jagdbehörde bei der Landkreisverwaltung. Es sei schon einiges vorgekommen - zumeist ohne Personenschaden, aber mit Sachschaden, etwa Einschusslöchern in Maschinen. „Erntejagden beinhalten immer ein gewisses Gefährdungspotential“, meinte sie auf die Frage des Staatsanwaltes.
Am Donnerstag wurde sie als Zeugin gehört im Verfahren gegen einen 29-jährigen Polizisten, dem das Verursachen eines Jagdunfalles Mitte September vergangenen Jahres vorgeworfen wird und damit das Begehen einer fahrlässigen Körperverletzung. Bei der Jagd waren zwei damals 22- und 63-jährige Traktoristen teils schwer verletzt worden. Der ältere von Beiden büßte wahrscheinlich die Beweglichkeit seines Fußgelenkes ein.
Der Deutsche Jagdverband (DJV) hat im Juli 2015, also passend zum Beginn der Ernte im vergangenen Jahr und wenige Wochen vor dem Jagdunfall zwischen Seegrehna und Pratau, zwei Videos herausgegeben zum Thema Sicherheit bei der Erntejagd. Sie sind auf der eigenen Internetseite und auch auf der Youtube-Plattform einsehbar.
Der Verband empfiehlt Jägern dringend, „grundsätzlich nur von erhöhten Einrichtungen, wie etwa Hochsitzen, zu schießen, da ein ,Kugelfang‘ immer gewährleistet sein muss“. „Kugelfang bedeutet nicht Feldkante oder Gebüsch, sondern ausschließlich gewachsener Boden“, wird Verbands-Vizepräsident Volker Böhning in dem Internetportal des Jagdverbandes zitiert. Die Videos sind hier zu sehen.
Seit wann es die Vorschriften speziell zu erntebegleitenden Jagden gibt, könne die Mitarbeitern der Jagdbehörde nicht genau sagen, „aber schon ewig“, kramte sie in ihrer Erinnerung. Und auf die Nachfrage, ob das entsprechende Verhalten Bestandteil der Ausbildung zum Jäger ist, bekannte sie: Ein prüfungsrelevantes Thema sei das Verhalten bei dieser speziellen Jagdform schon. Sie bestätigte, dass momentan sämtliche Jagdwaffen des Angeklagten eingezogen seien.
Derweil verweisen dessen Anwälte aus ihrer Sicht auf Widersprüche. „Möglicherweise unzureichende Ermittlungen“ der Polizei sieht der Wittenberger Rechtsanwalt Torsten Buse. Er bemängelt, dass Waffe und Munition am Tag des Geschehens lediglich von dem jetzt vor Gericht stehenden Hobbyjäger sichergestellt wurden.
Er soll aber nicht alleine geschossen haben. „Ich gehe davon aus, dass es mindestens einen weiteren Schützen gab“, erklärt Buse gegenüber der MZ. Munitionsproben von anderen beteiligten Jägern seien erst später auf freiwilliger Basis eingesammelt worden. Der Anwalt verweist überdies darauf, dass Zeugen ebenfalls erst später vernommen worden seien.
Als prekär bezeichnet Buse, dass der Tatort nicht gesichert und dass keine Schussbahnberechnung vorgenommen worden sei. Wie berichtet hatte Richterin Jeannette Preissner zumindest im Nachhinein einen forensischen Ballistiker um ein Gutachten zu den Schussbahnen von drei Beteiligten nach Aktenlage gebeten, das Ende Juli erörtert werden soll.
Der Wittenberger Anwalt kritisiert außerdem, dass am Folgetag eine Begehung des Tatortes mit dem Jagdleiter erfolgte - ohne in Betracht zu ziehen, dass der ebenfalls geschossen habe. Und ein Sprengstoffspürhund soll zwar im Einsatz gewesen sein, allerdings ist nach den Worten des Anwalts lediglich der Standort des Angeklagten in Augenschein genommen worden.
Derlei Pannen bei den Ermittlungen führt Buse auf mangelnde Erfahrungen mit solchen Unfällen zurück. „Wir wissen lediglich, dass mehrere Leute zur gleichen Zeit geschossen haben, nach meiner Meinung mindestens drei.“ Aus wessen Waffe die Schüsse - vermutlich Querschläger - aber kamen, die die Traktoristen schwer verletzt haben, das sei unklar.
Nicht zuletzt aus diesem Grund hat sich der Anwalt dafür eingesetzt, dass es nicht bei einem Strafbefehl bleibt, den bekanntlich die Staatsanwaltschaft angestrebt hatte. „Der Prozess muss geführt werden, weil das Unfallgeschehen unzureichend aufgeklärt wurde“, sagt Buse, der mehrere Beweisanträge gestellt hat.
Die Polizei will sich in der Sache nicht äußern. Der Respekt vor dem unabhängigen Gericht und der unabhängigen Beweisfindung und Beweiswürdigung des Gerichts verbiete jede Stellungnahme zu den Vorhaltungen der Verteidiger, heißt es in einer Stellungnahme aus der Polizeidirektion Dessau. (mz)