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Denkmal in Wittenberg Denkmal in Wittenberg: Luther lässt die Hüllen fallen

Von Irina steinmann 19.07.2013, 18:01
Der Fanfarenzug macht die Musik zur Zeremonie. Anschließend wird gefeiert, nach Mittelalter-Art.
Der Fanfarenzug macht die Musik zur Zeremonie. Anschließend wird gefeiert, nach Mittelalter-Art. Kuhn Lizenz

wittenberg/MZ - Sollte es Nörgler geben, sie sind zu Hause geblieben. Nicht mal die ungewohnte Farbe - von einigen im Vorfeld gemein als Spinatgrün bezeichnet - erregt noch die Gemüter. Seit Freitag, 17.30 Uhr, stehen die Denkmale von Luther und Melanchthon wieder auf dem Marktplatz, so, wie man sie schon seit Jahrzehnten nicht mehr hat sehen können.

Granit und Gusseisen

Mehrere Hundert Menschen, Wittenberger zumeist, sind gekommen, um die Enthüllungszeremonie zu verfolgen. Eingerahmt von knoblauchsattem Mittelalter hören sie, was der Experte, in diesem Fall Mario Tietze vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie, zu sagen hat. Und einmal mehr bewahrheitet sich, dass man nur sieht, was man weiß. Viele haben sich wohl noch nie Gedanken darüber gemacht, warum die Sockel aus rotem Granit und die Baldachine aus Gusseisen sind - weil beide dem 19. Jahrhundert als sehr einheimische, geradezu „preußische“ Materialien galten - im Gegensatz zum südlichen Marmor etwa.

Stilprägende Darstellung

Tietze, der sich tapfer eine Krawatte umgebunden hat in der sengenden Hitze, verweist auch darauf, dass der Luther von 1821 das erste Standbild in Nochnicht-Deutschland war, das eben nicht einen Feldherrn oder Monarchen zeigte. Mehr noch, die Darstellung von Luther mit Buch - den sich die Nachwelt kaum mehr anders vorstellen kann - sollte stilprägend werden für Darstellungen späterer Jahrzehnte. Tietze erinnert an die unglaublich komplizierte Wiederherstellung der Baldachine, die anders als die Figuren selbst über die Jahre mächtig gelitten hatten und denen auch die Restaurierung 1966/1967 nicht gutgetan hatte: Zierelemente seien seinerzeit „wahllos über beide Denkmale verteilt worden“, die Farbgebung - original „Hellgrün“ - sei aufgegeben worden, ebenso der Sternenhimmel über Melanchthon. Dass dieser Himmel, Ausdruck des anderen Zeitgeistes von 1865, wieder zu sehen sei, sei übrigens dem Hobbyhistoriker Günther Göricke zu verdanken, wie Oberbürgermeister Eckhard Naumann (SPD) berichtete: Göricke lieferte ein Foto, auf dem das blau-goldene Wunder noch zu erkennen ist.

Nun sind sie also wieder da, die beiden Wittenberger, die Tietze zu den „wichtigsten Standbildern in Deutschland“ zählt und die Stadt für ihre „mutige Entscheidung“ lobt. Der Mut brauchte alles in allem fünf Jahre und gut 1,1 Millionen Euro, zumeist Fördergeld.

Faltblatt zum Fest

Zufriedenheit und auch ein bisschen Stolz legt sich über den Platz. „Ich bin ganz happy“, sagt Heidemarie Borde vom Heimatverein, der gegen eine kleine Spende für die Stadtkirche recht erfolgreich ein eigens erarbeitetes Infoblatt über die Denkmale unters Volk bringt. Sie finde es sehr schön, wie „volksnah“ in Wittenberg solche Ereignisse begangen würden, sagt Karin Veeser, die just 2008, dem Jahr, als die Denkmale umzäunt wurden, in die Stadt kam. „Wir brauchen etwas Sinnliches.“