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Kegels Mohnkuchen war «ein Gedicht»

Von BEATE LINDNER 30.10.2009, 18:16

SCHWENDA/MZ. - Damit ist nun Schluss, am Freitag schlossen die Türen der Bäckerei Kegel in Schwenda für immer ihre Pforten. Heinz Kegel geht mit 68 Jahren in den Ruhestand (die MZ berichtete).

Seit 1956 ist Heinz Kegel Bäcker. Gelernt hat er in der Bäckerei Seefeld am Sangerhäuser Kornmarkt. Und bevor er seine Zelte dann endgültig wieder im Harzdörfchen Schwenda aufgeschlagen hat, war er drei Jahre in Halle und acht Jahre als Bäcker in Krumpa. "Damals war mein Vater noch der Schwendaer Bäcker, zwei Familien hätte der Betrieb nicht ernährt", so der Bäckermeister. 1973 dann ging es aber wieder nach Hause. Ganz offenbar mit Plänen im Gepäck, denn Kegels bauten die Familienbäckerei völlig um und eröffneten im Januar 1974. Seither sorgt Heinz Kegel für die frischen Brötchen im Dorf.

Und nicht nur das. Über viele Jahre hat er die Einrichtungen des Feriendienstes in der Harzregion versorgt. "Ich habe zeitweise täglich allein 5 000 Brötchen aus dem Backofen geholt." Ferienheime, Ferienlager, Hotels - die damals zahlreichen großen und kleinen Feriengäste waren hungrig und hatten zudem in den allermeisten Fällen standardmäßig Vollverpflegung inklusive. Da gab es gut zu tun. Auch für den Bäcker. Heinz Kegel lieferte natürlich nicht nur die Brötchen, auch jede Menge Brot verließ die Backstube, Kuchen und Torten. Ein gutes Geschäft, das gibt er unumwunden zu. Aber auch eines, das seinen Preis hat. Urlaub hat er mit seiner Familie - Heinz Kegel ist Vater einer Tochter - in dieser Zeit kaum gemacht. Gebacken werden musste immer und ein Familienbetrieb bleibt auch in der Urlaubszeit ein Familienbetrieb.

Dass der heute 68-Jährige deshalb im Moment noch gar nicht so genau weiß, wie sein Leben außerhalb der Backstube funktionieren soll, kann jeder nachvollziehen. Wie wird er mit der neugewonnen Möglichkeit, die Nächte im Schlaf und nicht an der Teigschüssel zu verbringen, klar kommen? "Ich habe mir darüber noch gar keine Gedanken gemacht", gibt er an einem seiner letzten Arbeitstage zu verstehen. Und er ist sich ziemlich sicher, dass er in nächster Zeit noch allerhand mit der Abwicklung seines Betriebes zu tun hat, die absolute Ruhe wird langsam kommen. Vermissen werden die Schwendaer wohl eine Menge. Das frische Backwerk sowieso, aber auch die Möglichkeit, im Bäckerladen diese oder jene Neuigkeit zu erfahren. Ein Ort der Kommunikation im Dorf wird fehlen. Und der Mohnkuchen. "Der war wirklich ein Gedicht", schwärmt auch Bürgermeister Jürgen Schanze. Zu den Kegelschen Spezialitäten gehörte unter anderem der Polterkuchen. Der durfte auf keinem Polterabend im Dorf fehlen. Pro Hochzeit waren es wohl sechs bis sieben Bleche von dieser Hefeteigleckerei, die gebraucht wurden. Polterkuchen gab es für die, die zum Poltern kamen.

Heinz Kegel gehört zu der Generation Menschen, die sich keine Gedanken über Arbeitszeiten oder Schwere ihrer Arbeit machen. Was es bedeutet, Bäcker zu sein, hat er quasi mit in die Wiege gelegt bekommen. Und eine Uhr, die den Feierabend im Hause anzeigt, die gab es nie. Arbeit, die gemacht werden musste, die wurde immer gemacht. Fertig. Und dass die Nacht immer 2 Uhr zu Ende war, Freitags sogar Mitternacht, ist für Bäckermeister Kegel auch nicht der Rede wert. Andere Dinge sind es. Beispielsweise, dass es zu DDR-Zeiten im Kreis Sangerhausen gut und gerne 30 Bäcker gab, jetzt gerade mal fünf oder sechs übrig geblieben sind. Oder, dass er mit Stolz auf die vielen, vielen Lehrlinge blickt, die durch seine Schule gegangen sind. Und natürlich, dass er trotz sehr intensiver Bemühungen keinen Nachfolger für seine Backstube gefunden hat. Er hätte am Freitagabend den Schlüssel liebend gern weitergegeben. Nun ist es anders gekommen. Der Ruhestand ist trotzdem beschlossene Sache und endgültig.